Vorsicht! Mann in Wechseljahren. Gisela Sachs
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Er lässt mich abrupt los. »Hast du unser Haus gesehen, Frau? Das ist eine Überraschung, was? Sind alles Restbestände aus dem Baumarkt«, sagt er mit stolzgeschwellter Brust.
Ich stelle meine Reisetasche im Flur ab, schnappe mein Rad und versuche, meinen Frust abzustrampeln. Als ich von meiner Strampeltour zurückkomme, ist unsere Haustür, die vor ein paar Stunden noch kiefernfarben war, mahagonibraun. Auf der obersten Treppe steht ein leerer Farbeimer. Vorsichtig schließe ich die Haustür auf, laufe durch unser Wohnzimmer in den Garten und falle in die Tiefe.
»Eigentlich wollte ich das Gartenhaus streichen, dafür hat die Farbe aber nicht gereicht, für die Haustür gerade noch, die hat ja auch viel weniger Fläche«, stammelt Winfried, als die Männer vom Rettungsdienst mich auf eine Trage legen und mit einem Gurt festzurren. Mein Blick streift die Schachtabdeckung, die an der Hauswand lehnt.
»Ich möchte nicht, dass mein Mann mich im Krankenwagen begleitet«, mache ich meinen Erstversorgern klar.
»Ich will ihn nicht sehen«, sage ich später zu den Schwestern in der Chirurgischen Abteilung. Drei Rippen habe ich gebrochen, kann mich kaum bewegen und bin stinkesauer auf meinen Mann. Heute noch werde ich eine Kur beantragen.
2. Kapitel
In der Therapiegruppe sind vorwiegend Männer zwischen 50 und 60 Jahren. Alle paar Minuten steht einer auf, um pinkeln zu gehen. Und immer dauert es Ewigkeiten, bis sie wieder in den Raum zurückkommen. Alle vermeiden jeglichen Blickkontakt mit mir, setzen sich verschämt auf ihren Stuhl und starren auf den Fußboden. Phänomenal!
Nach dem Mittagessen sitzen täglich jeweils vier der Herren dicht nebeneinander auf zwei Bänken und beobachten die Enten auf dem Chiemsee. Mit dem Glockenschlag um drei Uhr erheben sich täglich acht Hinterteile synchron von der Holzbank, streichen sich acht Männer synchron mit der rechten Hand über ihren Rücken und watscheln schwerfällig Richtung Klinik. Da gibt es mittags ab drei Uhr Kaffee.
Es ist wohl ein Wink des Schicksals, dass ich mit Männern in der Andropause zusammen sein muss, denke ich. Und um den Schicksalswink anzunehmen, verbringe ich viel Zeit mit den Herren. Wir kochen gemeinsam in der Stationsküche, gehen ins Kino und machen Ausflüge mit dem Boot. Acht Herren rudern fast täglich parallel in zwei Booten synchron zur Fraueninsel rüber. Ich verkneife mir das Lachen, weiß ich doch von zuhause, dass Männer in den Wechseljahren selten einen Spaß verstehen.
Mein Mann besucht mich jedes Wochenende und erteilt den Männern meiner Gruppe regelmäßig Ratschläge über den konsequenten Umgang mit mir, nimmt ihnen jedes Wochenende von Neuem die Ehrenworte ab, unter der Woche gut auf mich aufzupassen. Er würde sich erkenntlich zeigen, meint er. Die Wochenenden sind sehr anstrengend für mich und der mich behandelnde Psychologe hält es für sinnvoll, dass ich meinen Aufenthalt in der Klinik verlängere.
Ich nehme seinen Vorschlag begeistert an, mache meinem Mann klar, dass die wöchentlichen Benzinkosten für die Besuche große Löcher in unsere Haushaltskasse reißen und dass er an den Wochenenden einfach einmal seine Seele baumeln lassen, Musik hören, ein gutes Buch lesen und sich vor allem nicht dem Stress des Wochenendverkehrs aussetzen soll. Die Kostengründe überzeugen ihn letztendlich.
»Danke«, sagt mein Mann zu den Männern, als er mich nach acht Wochen von der Kurklinik abholt.
»Wir bleiben in Verbindung«, sagen acht Männer, als ich zum Abschied in die vertrauten Gesichter blicke.
»Ich werde euch vermissen«, murmele ich mit einem letzten Blick auf den Chiemsee.
»Wir sollten einkaufen gehen«, sagt mein Mann, kaum dass wir um die Ecke gebogen sind. Die Farben seines LieblingsSupermarktes leuchten schon von weitem. Gelb! Rot! Blau! Mir schwant Böses. Mein Mann ist begeistert.
»Egal wo du bist, Frau, du brauchst nur ins passende Regal zu greifen und hast dein Gewohntes, ohne lange herumsuchen zu müssen. Ist das nicht fabelhaft, Frau?«
»Ich heiße Margit!«
Er klatscht sich mit der flachen Hand an die Stirn, streift sich mit gespreizten Fingern durch die Haare, kneift seine Augen zu Schlitzen und stöhnt. »Du bist ja immer noch zickig, Frau!«
Er brüllt schon an der Eingangstüre. »Eier, Zucker, Mehl, brauchst du das, Frau?«
Vor uns, ein junges Paar, das sich suchend umschaut. Sie sind sich unschlüssig, ob sie die Eier von glücklichen Hühnern oder die von den weniger glücklichen, aber zum halben Preis nehmen sollen. Die junge Frau hat eine grün gestreifte Tragetasche um ihre Hüfte gebunden, statt Baby lugt aber ein Dackelkopf heraus. Der Dackel zuckt zusammen, als mein Mann »Kartoffeln, Karotten, Salat, brauchst du das, Frau?«, durch den Verkaufsraum brüllt.
Wir treffen uns an der Tiefkühltruhe wieder. Der Hund kuschelt sich eng an sein Frauchen, als er die Stimme meines Mannes vernimmt.
»Milch, Butter, Wurst, brauchst du da was, Frau?«
Die junge Frau streichelt beruhigend über den Kopf des Tierbabys. »Ist nur ein alter Mann, Hundie.«
Er begibt sich bedächtig Richtung Kasse, wartet, bis die Menschenschlange lang, aber nicht allzu lang ist, vergewissert sich, dass er genügend Zuschauer hat, packt die Lebensmittel auf das Band, verweigert meine Mithilfe und sieht sich beifallheischend um. Alle sollen sehen, wie gut ich es mit ihm getroffen habe. Jetzt kommt mein Einsatz, bietet sich mir endlich die Gelegenheit, meine gewünschten Lebensmittel zu holen, und ich sprinte nach hinten, hole mir alles wieder, was mein Mann aus dem Wagen und in die Regale zurückgelegt hat, hechte nach vorne ans Kassenband, ignoriere die erbosten Blicke der jungen Frau mit dem Dackel und lege meine Sachen neben den Einkauf meines Mannes.
»Gehören Sie zusammen?«, fragt die Kassiererin.
»Bis jetzt noch«, antworte ich mit einem kurzen Seitenblick auf meinen Mann.
»Das fängt ja gut an, noch nicht einmal zu Hause angekommen, fängst du auch schon wieder an zu rebellieren, Margitchen. Die Frauen heutzutage …«
»Das Telefon läutet«, sagt er, als ich die Haustür aufschließe. Ich nehme den Hörer ab und erkenne sofort die rauchige Stimme meines Kur-Kumpels Herbert.
»Ich habe Probleme mit meiner Frau, Margitchen«, klagt er.
»Massive Probleme, Margitchen. Ich muss dringend mit dir darüber reden.«
»Hm.«
»Wir haben uns doch in der Kur so gut verstanden, Margitchen, und …«
»Herbert, ich komme gerade zur Haustür herein, bin noch nicht einmal ausgezogen, muss meinen Einkauf verstauen und …«
»Du hast keine Zeit für mich, Margitchen?«
»Im Moment nicht, Herbert.«
»Ach? Ich rufe dich in 10 Minuten noch einmal an, Margitchen!«
»Ich bin voll beschäftigt, Herbert, muss meine Schmutzwäsche versorgen, die Einkäufe verstauen, Essen zubereiten, meine Kinder kommen in einer knappen Stunde und …«
Herbert hüstelt, ist beleidigt und legt auf.
Der