Vorsicht! Mann in Wechseljahren. Gisela Sachs

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Vorsicht! Mann in Wechseljahren - Gisela Sachs

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Sekundenschnelle einem Bienenschwarm. ‚Lei-Lei-Lei-Lei-Lei-Lei. Es ist Faschingszeit. LeiLei-Lei-Lei-Lei-Lei. Es ist wieder so weit.’

      »Den forderst du jetzt zum Tanz auf, Margit!«

      »Nein.«

      »Es ist Damenwahl, Margit.«

      »Ich fordere keine Männer zum Tanzen auf, Barbara, das weißt du ganz genau.«

      »Es ist Fasching, Margit.«

      »Auch nicht im Fasching, Barbara!«

      »Schau doch einmal wie der sich bewegt, Margit. Wie er sein Glas hält.«

      Sie schmachtet. »Hast du seine Augen gesehen, Margit? Die leuchten wie Feuerglut! Die vollen Lippen? Und schau dir diese Figur an! So richtig erotisierend.«

      Barbara leckt genüsslich ihre Lippen. »Das ist ein Baron-Vampir, Margit! Ich tippe mal darauf, er ist Beamter. Ein Beamter auf Lebenszeit vielleicht. Wenn du dir den angelst, hast du ausgesorgt, Margit.«

      »Psssst, nicht so laut Barbara«, mahne ich. Barbara lacht, greift nach dem Arm ihres Stuhlnachbarn und schleppt ihn laut singend wieder zurück auf die Tanzfläche. »Es dreht sich alles um den Mann, den bösen Herzensdieb.«

      Der Baron-Vampir nimmt am Nebentisch Platz, nippt immer wieder an seinem Getränk und lässt mich nicht aus den Augen. Mein Herz schlägt im Dreivierteltakt. Er sieht mir so lange in die Augen, bis ich den Blick senke, erhebt sich vom Stuhl, steuert direkt auf mich zu und fragt mit samtweicher Stimme: »Darf ich zum Tanz bitten, verehrtes Burgfräulein?«

      Ich habe einen Kloß im Hals, stehe wortlos auf und stolpere hinter ihm her bis zur Tanzfläche. Der Frontsänger brüllt heiser in sein Mikrofon. »Heute haun wir auf die Pauke.« Hoffentlich lösen sich die Sicherheitsnadeln während des Tanzens nicht, bange ich.

      Staffagen abgenutzter Gesichter drehen sich im Kreis, ich finde keine Gemeinsamkeit mit meinem schweigsamen Tänzer. Er tapst herum wie ein ungelenker Bär, tritt immer wieder auf meine Füße. »Sie können nicht tanzen, Burgfräulein«, stellt er nach ein paar Minuten fest. Ich verschweige meine Tanzmedaillen, löse mich von den Händen auf meinem Rücken und steuere durch die Wogen tanzender Masken meinen Sitzplatz an. »Ich gehe«, sage ich zu meiner Freundin. Barbara und der Pirat legen gerade eine Tanzpause ein.

      »Schnaps, das war sein letztes Wort«, grölt dieser begeistert den Klassiker von Willi Millowitsch mit. Der Frontmann der Kapelle ist ein Freund von ihm. Sie strecken sich ihre gehobenen Daumen entgegen. »Dann trugen ihn die Englein fort …«

      »Du musst auf’s Klo, Margit?« Barbara springt von ihrem Stuhl auf. »Ich gehe mit.«

      Sie grinst. »Rein prophylaktisch, Margit.«

      »Ich muss nicht auf die Toilette, Barbara. Ich gehe nach Hause.«

      »Nach Hauuuse?«

      Barbara sieht mich an, als hätte ich chinesisch mit ihr gesprochen. Sie zieht ihre Augenbrauen nach oben.

      »Aber wir haben doch Jutta, Karin und Anna noch gar nicht begrüßt. Die Mädels warten doch auf uns, Margit.«

      »Du hast getanzt, statt sie zu begrüßen, Barbara, mich alleine am Tisch sitzen lassen.«

      Ich stehe auf, trinke das Glas mit Wasser leer und greife nach dem Riemen meiner Handtasche, die ich vorsichtshalber an der Stuhllehne angebunden habe.

      »Also ich geh dann mal.«

      »Aber Jutta, Karin und Anna …«

      »Ruf sie auf ihren Handys an, Barbara, ihr werdet euch schon finden.«

      Barbara hackt auf ihrem Handy herum. »Sie sind da«, jubelt sie.

      »Dann bist du ja in bester Gesellschaft«, sage ich, verabschiede mich höflich von dem wankenden Piraten und kämpfe mich durch die schunkelnde Nichtgesichtermasse Richtung Ausgang.

      »Heile, heile Gänsle, es ist bald wieder gut. Es Kätzle hot ä Schwänzle, es ist bald wieder gut …«

      Ich atme erleichtert auf, als mir die feuchte Frostluft entgegenschlägt. Endlich bin ich allein.

      Es schneit wie verrückt, ich sehe kaum etwas, als ich nach meinem Auto suche. Der Neuschnee knistert unter meinen Schuhen, hinterlässt tierähnliche Spuren. Ich schaue zum Himmel hoch.

      »Hallo Mama, hallo Papa.«

      Ich bleibe unter einer der schmiedeeisernen Straßenlaternen stehen und bewundere die Schneesternchen im Spiel des Lichts.

      Ich versuche sie zu fangen, zu raten, welche als Erste auf meiner Hand schmelzen wird.

      »Warum sind Schneeflocken eigentlich weiblich?«, frage ich mich und lache dann belustigt auf. Der Schneeflocke hört sich ja wirklich blöd an. Ich widerstehe der Versuchung mich rücklings in den Schnee zu legen und mit ausgestreckten Armen und Beinen zu rudern, so wie ich es als Kind gemacht hatte.

      Ich erschrecke, als der Baron-Vampir plötzlich neben mir steht, habe ihn gar nicht kommen hören. Schweigend läuft er neben mir her. Mir ist mulmig. Mein Herz bebt.

      »Es gibt keine Zufälle«, bemerkt der Blutsauger, als wir vor unseren Autos stehen. Er nimmt seine langen Eckzähne aus dem Mund, verstaut sie in seiner Hosentasche und hält wie hergezaubert ein Fläschchen mit Schloss-Enteiser in seiner Krallenhand. Er sprüht sein Autoschloss ein, wartet ein paar Minuten, steht da und sieht dem Schneeflockenbrillantfeuerwerk zu. Sein Blick ist weich und seine Stimme warm, als er mir in die Augen sieht und »wie schön«, flüstert. Ich fühle meinen Puls bis zur Halsschlagader.

      Er öffnet seine Autotür und greift zielsicher nach dem Handbesen auf dem Beifahrersitz. Kommentarlos wischt er damit den Schnee von meinen Autoscheiben und dem Nummernschild.

      »Kommen Sie gut nach Hause, Burgfräulein«, sagt er und hält mir die Autotür auf. Im Rückspiegel sehe ich, wie er sein Auto vom Schnee befreit, bemerke später, dass er ein Stück weit hinter mir herfährt, dann nach rechts abbiegt. Er hat weder nach meinem Namen oder mich sonst irgendetwas gefragt, wundere ich mich.

      Im Treppenhaus brennt Licht, Frau Schulze vom ersten Stock huscht wortlos mit ihrem Hund an mir vorbei. Jugendliche gehen ein und aus. Sie tragen Stachelarmbänder, sind bleich geschminkt und sehen böse aus. Aus dem dritten Stock dröhnt für mich undefinierbare Musik. Jan Kralitschka feiert seinen 18. Geburtstag.

      Ich keuche verängstigt die letzten sechs Stufen zum vierten Stock hoch und wünsche mir wie immer eine Neubauwohnung im Erdgeschoss. Ich stecke den Schlüssel in das Schloss der zerkratzten Holztür, höre im Geiste die Stimme meiner Busenfreundin Barbara.

      »Wenn du erst mal einen Beamten auf Lebenszeit gefunden hast, Margit …«

      Ich stelle meine Handtasche auf der Kommode im Flur ab, hänge den Mantel an den Garderobehaken. Danach peile ich schnurgerade mein Schlafzimmer an, lege wegen meiner Rufbereitschaft das Handy auf dem Nachttisch ab, schleudere die unbequemen High Heels von meinen geschwollenen Füßen und befreie mich aus den Fängen meines Kostüms. Ich streife die halterlosen Nylonstrümpfe ab, entledige mich des Bügel-BHs das Mord-Instrument hat dicke rote Streifen auf meiner Haut hinterlassen und lasse mich mit einem tiefen Seufzer in mein Bett fallen. Ich ziehe die Bettdecke

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