EMP. Andrea Ross
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»Der müsste jede Minute zurück sein! Er ist mit den anderen Bewohnern aufgebrochen, um Lebensmittel zu besorgen und die Neuigkeit von den Notstandsgesetzen in der Innenstadt zu verbreiten. Wissen Sie was? Wir beide trinken jetzt einen Kaffee und warten auf ihn, einverstanden?«
Oh ja, Schneider war sogar sehr einverstanden! Auch die Soldaten waren wohl froh und glücklich über alles, was in den Magen kam und an ein normales Leben vor dem EMP erinnerte. Ich geleitete ihn also auf Walters Terrasse zum Feuerkorb, entzündete diesen und erklärte, wie wir hier mittels Eintopf-Kessel für die Bedürftigen sorgen würden. Kochte einen Kaffee aus löslichem Pulver und schlug ihm augenzwinkernd vor, er solle die Idee mit der Zulassungsstelle doch ruhig als seine eigene ausgeben, das mache mir gar nichts aus.
Als Hausmeister Klaus schließlich in Begleitung seiner Truppe das Gelände betrat, lief ich ihm entgegen, flüsterte ihm und Peter ein paar hastige Erklärungen zu. Peter schickte Klaus dann sofort zusammen mit dem hoch zufriedenen Schneider zur Zulassungsstelle, damit dieser seiner Einheit offiziell die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen konnte.
»Pinocchio, hä? Dafür habe wohl nicht nur ich ein begnadetes Talent«, raunte er frech grinsend in meine Richtung.
Zum zweiten Mal an einem Tag war unser Rathaus-Camp also auf wundersame Weise gerettet worden, auch wenn ich Lügen eigentlich abgrundtief hasse und vorhin beim kreativen Zurechtbiegen der Wahrheit ganz schön geschwitzt habe.
In informationstechnisch besser ausgestatteten Zeiten hätte meine Flunkerei natürlich niemals funktioniert, sie wäre nach einer Rückfrage Schneiders sofort als solche identifiziert worden. So paradox es klingt: Ich hatte mir zum ersten Mal die Folgen des EMP für unsere Zwecke zunutze machen können.
Jetzt gehe ich erst einmal etwas essen. Danach werde ich in der friedlichen Abgeschiedenheit meines kleinen Zimmers den Rest der turbulenten Erlebnisse dieses Tages niederschreiben, bevor mich die Müdigkeit vollends übermannt.
*
Schon als Peter und Klaus, gefolgt von allen anderen Mitbewohnern bei ihrer Rückkehr das Gelände betraten, erschrak ich regelrecht. Auf Anhieb konnte ich ihnen aufgrund von Mimik und Körperhaltung ansehen, dass es sich hier um einen reichlich demotivierten, frustrierten Trupp handeln musste.
Was mochten sie in der Stadt erlebt haben, was konnte meinen Gefährten Unangenehmes widerfahren sein? Ich brannte darauf, Näheres hierüber zu erfahren, denn die neu gesammelten Erkenntnisse würden ja schließlich auch mich in gleichem Maße betreffen. Als Soldat Schneider sich endlich auf den Weg machte, um mit froher Kunde zu seiner Einheit zurückzukehren, sah ich den richtigen Moment gekommen, Fragen stellen zu können.
»Na, meinen Teil der Geschichte über diesen Nachmittag habt ihr ja soeben zur Genüge mitbekommen. Aber jetzt erzählt mal, wie ist es bei euch gelaufen? Ich platze vor Neugier! Ein paar Tüten habt ihr aus der Stadt immerhin mitgebracht, wie ich sehe.« Peter blickte drein, als wäre er drauf und dran, jemandem den Kragen umzudrehen oder einen Amoklauf zu starten. »Sei bloß froh, dass du nicht dabei warst! Heute habe ich mich zum ersten Mal ernsthaft gefragt, ob es der Mensch vielleicht gar nicht wert ist, zu überleben! Guck mal bitte in diese Plastiktüten und schätze,
was die Sachen dort drin gekostet haben könnten!«
Mit fragendem Blick schnappte ich mir die Tüten, überflog grob den Inhalt. Jede Menge Nudelpackungen, Fertigsoßen, Duschgel, Zucker, Salz, ein paar Konserven und Instant-Kaffee konnte ich auf Anhieb erkennen. Vier große Tüten voll.
»Na ja – vielleicht so 150 bis 180 Euro, alles in allem?«, fragte ich zaghaft. Sehr lange werden uns diese paar Lebensmittel sowieso nicht reichen, wir haben schließlich insgesamt 18 Personen zu verköstigen.
Peter schnappte scharf nach Luft. »Oh ja, noch vor einer Woche hättest du die Preise wahrscheinlich gar nicht schlecht geschätzt! Aber an dir ist auch bislang die sprunghaft explodierende Inflation, oder vielmehr der skrupellose Wucher unbemerkt
vorbeigegangen, der inzwischen dort draußen die hässlichen Blüten der Gier austreibt«, stieß er ironisch hervor.
»Dann will ich dich mal aufklären: Diese paar Sachen haben genau 3.558 Euro und 37 Cent gekostet, doch wir hatten keine andere Wahl! Die vielen Leute im Supermarkt haben sich die Sachen gegenseitig rücksichtslos aus den Händen gerissen, da blieb uns keinerlei Zeit zum Überlegen oder für Diskussionen.
Ich musste geschlagene eineinhalb Stunden lang in einer endlosen Schlange an der Kasse stehen, denn die Angestellte hat sämtliche Waren genervt mit Block und Stift aus dem Kopf zusammenrechnen müssen, worin sie nicht sehr geübt zu sein schien. Die anderen haben derweil draußen gewartet, wurden des Öfteren zur Seite geschubst und angepöbelt.
Widerstandslos zahlen, oder halt mit leeren Händen gehen und verhungern, das waren die beiden einzigen Optionen, die uns dort drinnen blieben. Jetzt sind wir so gut wie pleite!«.
Ich bin selten sprachlos, doch in diesem entmutigenden Moment vor zwei Stunden blieb mir schier die Spucke weg. Die Vorstellung, dass es da draußen Menschen gibt, die im Grunde genau wie wir unter den Folgen des EMP zu leiden haben, also im selben Boot sitzen und dennoch nur an ihren eigenen Vorteil denken, verursacht in mir Ekelgefühle und Wut. Warum müssen sich nur manche Leute am Leid ihrer Mitmenschen auch noch bereichern?
»Scheiße!«, sagte ich betroffen zu Peter; etwas Erquicklicheres fiel mir beim besten Willen nicht ein. »Dann konntet ihr wohl auch kein zusätzliches Geld bei der Bank abholen? Dass die Geldautomaten nicht mehr funktionieren, ist ja sonnenklar. Aber eigentlich müssten die Banken doch wenigstens in der Filiale Bargeld aus den Guthaben herausrücken, das steht dem Kunden rechtlich zu!«, dachte ich laut nach.
Peter schüttelte resigniert den Kopf; er sah mich an, als hätte ich etwas besonders Dummes gesagt.
»Bei allen Banken, an denen wir vorbeikamen, bot sich annähernd das gleiche Bild. In den Fensterscheiben hängen handgeschriebene Plakate, auf denen man sich bei den geschätzten Kunden heuchlerisch für die Unannehmlichkeiten entschuldigt; man bitte um ein wenig Geduld und hoffe, dass die Schwierigkeiten bald behoben seien und man zum normalen Geschäftsbetrieb zurückkehren könne.
Die Texte gleichen sich im Wesentlichen wie ein Ei dem anderen: Sorry, der Geldautomat funktioniert momentan nicht, Barabhebungen sind daher ausgeschlossen. Da die jeweiligen Kontostände wegen ebenfalls funktionsunfähiger Computer nicht abgefragt werden können, zahle man zurzeit auch sonst kein Geld aus, die Filiale bleibe bis auf weiteres geschlossen.
Im Übrigen seien sämtliche Geldbestände mit einer Zeitschaltuhr gesichert, welche bei einem längeren Stromausfall den Tresorraum verriegelt hält. Man brauche sich also gar nicht erst an einer Plünderung versuchen.«
Nur sehr langsam und zäh drang mir die bittere Erkenntnis bis ins Bewusstsein durch, was diese katastrophalen Neuigkeiten für uns bedeuten; mein Gehirn weigerte sich wahrscheinlich mit aller Kraft, die schreckliche Wahrheit zu verarbeiten. Ich sank in mir zusammen und sah in Peters leere Augen, in denen pure Resignation zu lesen war.
»Dann war dies wohl unser letzter Einkauf!«, konstatierte ich.
»Und das nur, weil einige Unmenschen den Hals nicht voll kriegen können! Würden sie normale Preise verlangen, dann hätte unser Geld gleich viel länger gereicht.«
Peter schüttelte traurig den Kopf. »Nein, das hätte im Grunde unsere Situation auch nicht wesentlich verbessert. Wären die Waren billiger geblieben, dann