Die Göttinnen. Heinrich Mann

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Die Göttinnen - Heinrich Mann

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war Chloë. Sie wand einen Kranz von Veilchen und krönte ihn damit. Er war nackt. Er spielte Flöte um die Wette mit den Pinien, die der Wind erklingen ließ. Sie sang, süßer schallend als die Nachtigall. Sie badeten zusammen in dem Bach, der die Wiese hinabrann, zwischen Säumen von Narzissen und Margeriten. Sie küssten die Blumen, wie die Bienen es taten, die summten im warmen Grase. Sie sahen auf dem Hügel die Lämmer springen, und sprangen ebenso. Beide waren sie berauscht vom Frühling, Violante und ihr heller Gefährte.

      Schließlich nahm er Abschied. Seine Fußtapfen lagen nur noch als flüchtiges Gold in den Wegen; gleich zerrann es. Sie rief noch: "Auf Morgen!" Von Pierluigis Pavillon her antwortete es, mit verhallendem Lachen: "Auf Morgen!" ––– ; Nun war er fort. Sie streckte sich, müde und stillen Sinnes, unter dem Hange in den Ginster und schaute hinab auf ihren See. Eine Libelle mit breitem behaarten Rücken stand bläulich vor ihr in der Luft. Die gelben Blüten verneigten sich. Sie wandte sich um; auf einem Stein saß eine Eidechse und sah sie mit spitzen Äuglein an. Das Kind legte den Kopf auf die Arme, und lange belauschten sie einander in Freundschaft, die letzte, zerbrechliche Tochter sagenhafter Riesenkönige und der urweltlichen Ungeheuer schwache kleine Verwandte.

      II

      An einem Sommertage ihres fünfzehnten Jahres sprang sie einmal, noch verschlafen, ans Fenster von Pierluigis Lusthäuschen. Sie hatte im Traum ein scheußliches Kreischen gehört, wie von einem großen, hässlichen Vogel. Der Lärm entsetzte sie noch im Wachen. Da lag im See, in ihrem armen See, ein riesiges Weibsbild. Ihre Brüste schwammen auf dem Wasser als ungeheure Fettberge, sie reckte Beine wie Säulen in die Luft, peitschte Schaum mit wuchtigen Armen und schrie dazu aus weit und schwarz nach oben gerichtetem Munde. Am Ufer trieb geknicktes Schilf, die grünen Paläste, in denen die Fische wohnten, waren zertrümmert; ihre Bewohner huschten angstvoll umher, die Libellen waren entflohen. Das Weib hatte Verwüstung und Schrecken bis in die getrübte Tiefe getragen.

      Violante rief mit Tränen in der Stimme:

      "Wer hat Ihnen denn erlaubt, meinen See zu beschmutzen! Wie sind Sie widerwärtig!"

      Am Ufer lachte jemand, sie bemerkte ihren Vater.

      "Fahr' nur fort," sagte er, "sie versteht kein Französisch."

      "Wie sind Sie widerwärtig!"

      "Italienisch und deutsch versteht die Mama auch nicht."

      "Es ist gewiss eine Wilde."

      "Sei artig und begrüße deinen Vater."

      Das junge Mädchen gehorchte.

      "Die Mama wünschte zu baden," erklärte Graf Assy, "sie ist ungemein sauberkeitsliebend, es ist eine Holländerin. Ich komme nämlich aus Holland, meine Liebe, und wenn du deinen Vater gut behandelst, nimmt er dich einmal mit dorthin."

      Sie widersetzte sich entrüstet:

      "In ein Land, wo es solche … solche … Damen gibt? Niemals!"

      "Bestimmt?"

      Er nahm freundschaftlich ihren Arm. Die Holländerin war ans Ufer gestiegen, sie hatte sich notdürftig bekleidet und kam herbei, schnaufend, mit wogendem Busen und zärtlicher Miene.

      "O das süße Kind!" rief sie. "Darf ich sie küssen?"

      Violante ahnte, was jene vor hatte. Ein jäher Ekel beraubte sie des Atems; sie riss sich los, mit wahrer Kinderangst rannte sie und rannte. "Was hat die Kleine?" fragte ganz erschrocken die Fremde. "Schämt sie sich?"

      Violante schämte sich nicht. Das Erscheinen eines nackten Frauenzimmers an der Seite ihres Vaters berührte gar nicht ihre Würde. Aber die Plumpheit, die unschöne Masse dieses Weibskörpers empörte ihre Mädchennerven zu einem Stolz, den zu bezwingen ein ganzes Leben sich verschwören mochte: es hätte sich umsonst verschworen.

      "Wie darf sie es wagen, sich mir zu zeigen!" stöhnte sie, eingeschlossen in ihrem Zimmer. Sie verließ es erst nach Graf Assys Abreise, und den See mied sie; er war entweiht und für sie verloren. Sie versuchte in Gedanken einem Schmetterlinge zu folgen auf seinem Fluge über die leise Fläche und das Himmelsblau hinabtauchen zu sehen in die gläserne Tiefe, — da plumpste etwas Grobes, Rötlich-Weißes hinein: zerpeitscht war die gespiegelte Bläue und der Falter entflattert.

      Sie grämte sich in tiefer Stille und blieb standhaft, ein halbes Jahr lang. Dann beruhigte sie sich; die lieben Plätze ihres Kinderlebens gingen nur noch durch ihre Träume. Eines Nachts stand Pierluigi von Assy mit seiner Geliebten vor ihrem Bett. Die Dame verzog schelmisch den Mund, die schwarze Fliege hüpfte in eine weiße Grube. Er bat Violante mit zierlicher Verbeugung, mit ihnen zu kommen. Sie erwachte; neben dem weißen Mondlicht lagen blaue Schatten, im Nebenzimmer stand das Bett der Gouvernante leer. Lächelnd schlief sie wieder ein.

      Am nächsten Tage trat ein Herr in ihr Zimmer.

      "Papa?"

      Sie war fast erschrocken, sie hatte ihn erst in Monaten erwartet.

      "Es ist nicht Ihr Papa, liebe Violante, es ist Ihr Onkel."

      "Und der Papa?"

      "Dem Papa ist leider ein Unglück zugestoßen, — oh, ein leichtes."

      Sie sah nur erwartungsvoll aus, nicht ängstlich.

      "Er schickt mich zu Ihnen. Er hat mich schon längst gebeten, mich Ihrer anzunehmen, falls er einmal nicht mehr dazu imstande sein sollte."

      "Nicht mehr imstande?" wiederholte sie traurig, ohne Erregung.

      "Ist er —"

      "Abberufen."

      "Tot."

      Sie senkte den Kopf, sie dachte an das letzte unerfreuliche Zusammentreffen. Sie bekundete keinen Schmerz.

      Der Herzog küsste ihr die Hand, er sprach ihr zu und betrachtete sie dabei. Sie war schlank, feingliedrig und voll Spannkraft, mit den schweren, schwarzen Haaren des Südens, in dem ihr Geschlecht gewachsen war, und Augen blaugrau wie das nordische Meer ihres Ahnherrn. Der alte Kenner überlegte: "Sie ist eine Assy. Sie hat noch etwas von der kalten Kraft, die wir hatten, und Siziliens entnervtes Feuer, das wir auch hatten."

      Er war trotz seines hohen Alters noch ein sehr achtbarer Reiter, verbarg es aber, so oft er mit dem ungeschulten jungen Mädchen ausritt, nach Kräften. Sie jagten den Strand entlang hintereinander her, auf dem harten Sande und im Wasser. Muscheln und Fetzen von Seesternen spritzten von den Hufen.

      "Ich bin ein recht ausgelassener Kamerad," seufzte der Herzog für sich. "Aber es heißt die Hundekapriolen mitmachen. Stolzer Tritt, Passagieren oder Redopp würde die Kleine nötigen, zu mir und meiner Kunst emporzublicken. Und gegen das Emporblicken hat sie, glaube ich, von Hause aus eine Abneigung."

      Nur als einmal ihr Hut ins Meer wehte, und Violante kommandierte: "Hinein!" — Da widersetzte er sich.

      "Ein Schnupfen … in meinen Jahren…"

      Sie sprengte hinein, sie saß auf dem Rücken des schwimmenden Pferdes zusammengekrümmt wie ein Äffchen. Bei der Rückkehr zeigte sie ihre nasse Schleppe vor.

      "Das

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