Die Göttinnen. Heinrich Mann

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Die Göttinnen - Heinrich Mann

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schnell ins Boot.

      "Wenn ich zusehe, werden sie es ihm natürlich geben," dachte sie. "Wie aber, wenn sie unbeobachtet sind?"

      Sie war gespannt, obwohl sie sich sagte, dass es gleichgültig sei, wie eine schmutzige Familie sich um fünf Franken vertrage.

      Tags darauf wollte sie den Jäger hinschicken, doch meldete Prosper ihr, der Alte sei gekommen. Sie ließ ihn vor; er küsste ihren Rocksaum.

      "Dein Knecht küsst deinen Saum, Mütterchen, du hast ihm einen Franken geschenkt," sagte er und sah sie lauernd an. Sie lächelte. Ah, er traute den Burschen nicht, und hatte recht. Er hätte ja zwei und einen halben Franken bekommen sollen. Aber dass sie ihm doch etwas gegeben hatten!

      "Erwartete ich das?"

      Sie war belustigt und sagte:

      "Es ist gut, Alter, ich komme morgen wieder an euer User."

      Der folgende Tag war blau. Sie stand zum Ausgehen bereit, als draußen sich Stimmen erhoben. Prinz Phili stolperte an fünf Lakaien vorbei, über die Schwelle.

      "Einem Freunde Ihres Gemahls, des seligen Herzogs," so rief er aufgeregt, "Frau Herzogin werden doch einem lieben Freund des Herzogs nicht die Tür weisen. Küss die Hand, Frau Herzogin."

      "Königliche Hoheit, ich empfange niemand."

      "Aber einen lieben Freund. Wir hatten uns ja so lieb. Und dann, wie geht es der lieben Fürstin Pauline. Ach ja, Paris. Und die gute Lady Olympia, a so a herzigs Weiberl."

      Die Herzogin lachte. Lady Olympia Ragg war gerade noch einmal so groß und breit wie Prinz Phili.

      "Ist sie noch in Paris, die Olympia? Ist gewiss schon wieder in Arabien oder am Nordpol. Eine wirklich liebe, überaus leicht zugängliche Frau. Es hat mich gar keine Mühe gekostet," sagte er schäkernd. "Aber gar keine. Schauen Sie, jetzt werden Sie schon munterer."

      "Königliche Hoheit, es ist schwer, Ihnen zu widerstehen."

      "Trauern ist schon recht, aber nicht gar so arg. Ich trauere ja auch. Da schaun's."

      Er berührte seinen umflorten Ärmel.

      "Der Herzog war doch mein Busenfreund. Das letzte Mal als ich ihn sah, wissen Sie in Paris, ermahnte er mich so rührend zur Vernunft, aber so rührend, sage ich Ihnen. Phili, sagte er, Mäßigkeit im Genuss von Wein und Weibern. Er hatte nur zu recht, aber kann ich ihm folgen?"

      "Königliche Hoheit können sicher, wenn Sie wollen."

      "Das gehört zu Ihren Vorurteilen. Mit acht zehn Jahren bekam ich von einem Hofmeister Portwein; er stahl ihn mir eigenhändig von der Hoftafel. Heute bin ich zweiundzwanzig und trinke schon nur noch Kognak. Erschrecken bitte nicht, Frau Herzogin, ich verdünne ihn mit Sekt. Ein Wasserglas voll, halb Sekt, halb Kognak. Meinen Sie, dass es schadet?"

      "Ich weiß wirklich nicht."

      "Mein Arzt sagt mir, es schadet gar nichts."

      "Dann können Sie's ja tun."

      "Das denken Sie doch auch wirklich?"

      "Aber warum trinken Sie? Es gibt für einen Thronfolger doch so viele andere Beschäftigungen."

      "Das gehört zu Ihren Vorurteilen. Ich bin unbefriedigt wie alle Thronfolger. Erinnern Sie sich an Don Carlos. Ich möchte nützlich sein, und man verurteilt mich zur Untätigkeit, ich bin ehrgeizig, und jeder Lorbeer wird mir vor der Nase weggeschnitten."

      Er sprang auf und trollte gebeugt durchs Zimmer. Seine Arme waren immer erhoben wie Flügel, die Hände wippten in der Hohe der Brust, an den Gelenken auf und ab.

      "Sie Ärmster," sagte die Herzogin und blickte auf die Uhr.

      "Die Schranzen verdächtigen mich bei dem Könige meinem Vater, als könne ich die Zeit meiner Thronbesteigung nicht erwarten."

      "Aber Sie können es doch?"

      "Mein Gott, ich wünsche dem König langes Leben. Aber ich möchte auch leben, und man will es nicht."

      Er schlich auf den Fußspitzen nahe zu ihr hin und flüsterte mit Anstrengung dicht an ihrem Gesicht:

      "Wollen Sie wissen, wer es nicht will?"

      Sie hustete; ein scharfer Alkoholduft wehte sie an.

      "Nun?"

      "Die Je-su-iten!"

      "Ah!"

      "Ich bin ihnen zu aufgeklärt, darum verderben sie mich. Wer ist denn heute fromm? Die Klugen geben vor es zu sein: ich bin zu stolz dazu. Glauben Sie, Frau Herzogin, etwa an die Auferstehung, oder an die unbefleckte Empfängnis, oder überhaupt an das ganze Himmelreich? Ich persönlich bin über das alles hinaus."

      "Ich habe mich nie dafür interessiert."

      "Vorurteile habe ich keine mehr, sage ich Ihnen. Die Kirche fürchtet mich, darum verdirbt sie mich."

      "Bitte, wie macht sie das?"

      "Sie fördert meine Laster. Sie besticht meine Umgebung, dass man mir zu trinken gibt. Wenn ich irgendwo einem schönen Weibe begegne, so haben die Schwarzen mir's in den Weg gestellt. Ich bin nicht einmal sicher, Frau Herzogin, ob nicht Sie … Sie selbst … Sie sind vielleicht doch fromm?"

      Er schielte sie von der Seite an. Sie begriff nicht.

      "Warum standen Sie neulich auf dem Balkon, gerade als ich vorbeiritt?"

      "Ach, Sie glauben?"

      Er zögerte, dann stimmte er in ihr Lachen ein. Er rückte auf seinem Sessel zutraulich näher.

      "Ich fürchtete nur, weil Sie gar so schön sind. Phili, hab' ich zu mir gesagt, da ist eine Falle. Schau dass du weiter kommst. Aber Sie sehen, ich bin nicht weitergekommen: da sitze ich."

      Er kam noch näher, seine wippenden Händchen streiften schon die Spitzen vor ihrer Brust. Sie erhob sich.

      "Gelt, ich darf da sitzen bleiben?" lallte er, erregt und unsicher.

      "Aber mir erlauben königliche Hoheit, dass ich ausgehe?"

      "Aber wozu denn! Gehn's, Frau Herzogin, sein's gemütlich."

      Er trollte ihr nach, von einem Stuhl zum andern, demütig und ausdauernd.

      "Aber das alte Empire - Gerümpel müssen Sie hinaustun und was Molliges da hereingeben, dass man lieb plauschen kann und sich auswärmen. Dann komm' ich alle Tage zu Ihnen. Sie glauben nicht, wie ich zu Hause kalt hab' bei meiner Frau, Muss man mir auch eine Frau aus Schweden holen, die zu predigen anfängt, sobald sie meiner gewahr wird. Quelle scie, Madame! Ein Sägefisch aus Schweden: das ist ein selbsterfundenes Wortspiel. Und ein französisches auch noch! Ach Paris!"

      Er redete langsamer, ängstlich horchend. Der Vorhang öffnete sich, der elegante Begleiter des Prinzen erschien auf der Schwelle. Er verneigte sich tief vor der Herzogin und

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