Die Göttinnen. Heinrich Mann
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"Belohnung von zwei Seiten! Ihr seid stärker als ich dachte, Tamburini. Nur möchte ich noch wissen, weil ich's ganz kurios finde, — wie Ihr's anstellen wollt, dass die Revolten aufhören."
"Aber mir scheint … da wir sie anzetteln, können wir sie auch aufhören lassen."
"Das ist … Das übersteigt, ich gestehe es, meine Voraussicht. Also man erregt Aufstände; die dalmatinischen Bischöfe, die Kirche, — sagen wir: wir…"
"Jawohl, sagen wir: wir."
"Wir erregen in jenem Lande Aufstände, dann gehen wir zu den Machthabern und sagen: Gebt uns Geld, so hört es auf. Das ist gut erdacht, mein Sohn. Und sollte es fehlschlagen, so war es darum doch eine höchst sinnreiche Sache."
Der Kardinal kehrte bereits zu seinen Altertümern zurück. Eine Frage machte ihm noch zu schaffen.
"Solch ein gelungenes Spiel, wie nennt man es nur? Erpressung, vielleicht? Mir scheint, ja, Erpressung."
Und er nahm die Lupe zur Hand. Tamburini entrüstete sich ehrlich.
"Es ist eine der heiligen Kirche durchaus würdige Angelegenheit, einer unglücklichen Verbannten ihr irdisches Gut zurückzugewinnen."
"Um dafür belohnt zu werden."
"Das ist nicht unmoralisch."
"Ich sage ja nichts, lieber Sohn."
Die Cucuru fragte ebenso wenig nach den Träumereien der Herzogin. Vinon musste ihr Schreibgerät ordnen und über die nächtliche Zusammenkunft beim Wechslerbogen einen reinlichen Bericht aufsetzen für den dalmatinischen Gesandten.
"Stets auf Französisch, meine Vinon. Es ist die Diplomatensprache."
"Und, Maman, wenn wir nicht so gut französisch schrieben, dann würden sie vielleicht noch weniger dafür geben."
"Noch weniger! Die Schufte! Eine saubere Regierung, die einer armen, alten Frau für ihre mühsame Arbeit solche Hungerlöhne zahlt. Ihr könntet sticken für Geschäfte und würdet noch ebenso viel verdienen."
Man warf rasch eine Handarbeit über das angefangene Schriftstück; Lilian betrat das Zimmer.
"Gebt euch keine Mühe," sagte sie. "Ich habe es vorausgewusst, ihr würdet euch heute wieder mit eurem schmutzigen Gelderwerb befassen."
"Schmutziger Gelderwerb? Vinon, hat sie schmutziger Gelderwerb gesagt? Aber das Geldausgeben, wenn man keines auszugeben hat, das ist wohl sauberer, mein Töchterchen? Da seht mir einmal die hochmütige, weiße Jungfrau an! Diesen Winter hat sie vier Promenadenkostüme angeschafft und keines bezahlt!"
"Ich wohne in einem Stall, und ich würde, wenn es sein müsste, Käse essen und nichts weiter. Aber ich muss beim Korso in seidenen Kissen liegen und trage auf der Straße ein Kleid keinen Monat lang. Ich kann es nicht, ich bin eine Dame."
"Sie ist eine Dame! Hörst du's wohl, Vinon? Aber sorgt sie wohl dafür, dass ihr Schatz die Schneiderin bezahlt? Und wenn ihre Mutter ihr sagt, wir brauchen in der Familie einen zweiten Mann, für die Schneiderin und den Konditor, dann vergisst sie sich fast und lasst es an Ehrerbietung fehlen gegen ihre alte Mutter."
"Jetzt kommt Raphael Kalender! O mein Gott, erfinde etwas neues. Es ist langweilig, auch die Schande wird langweilig."
Lilian warf sich in ein Sofa; es ächzte schwach.
"Herr Raphael Kalender, was hat sie denn gegen ihn ? Vinon, Töchterchen, kannst du dir denken, warum sie ihn nicht will? Herr Kalender ist ein Fremder aus Berlin, ein steinreicher Herr. Er ist hergekommen, um Geschäfte zu machen, weil die Römer dazu zu dumm sind. Jetzt gründet er ein riesiges Varietétheater, ein anständiges, in das auch Familien gehen können. Darauf war hier noch niemand verfalle», Geld zu verdienen mit Anständigkeit. Welch kluger Mann!"
"Ein Jude mit einer Glatze, der mir bis an die Brust reicht. Ich werde ihn und den Priester sich abwechseln lassen und der eine wird mich absolvieren von den Sünden, die ich mit dem andern begehe."
"Jetzt scherzt sie schon! Sie wird schon noch Vernunft annehmen!"
"O ja, Maman, sei unbesorgt, schließlich nehme ich doch immer Vernunft an. Du bewegst mich auch noch zu der allerschmutzigsten Sache. Du hast dafür ein so einfaches Geheimnis: du wiederholst sie mir hundertmal. Beim ersten Mal halte ich sie für vollständig unmöglich, bin noch guter Dinge und lache. Beim fünfzigsten Male weine ich. Ich will in den Tiber laufen — vor Ekel. Und beim hundertsten tue ich, was du verlangst — vor Ekel."
Vinon hatte vor sich hin gekichert. Plötzlich sah sie auf, ihre Brauen, dunkler als das Haar, grenzten aneinander. Aufmerksam und trotzig betrachtete sie ihre Schwester. Sie sagte:
"Jawohl, Lilian, so bist du."
Darauf machte sie sich wieder an ihre Schreibarbeit.
Die Blà hätte wohl mit ihrer Freundin geträumt; doch beschäftigte ihr Geliebter jeden ihrer Augenblicke. Er war häufig übler Laune.
"Ich verliere, verliere, verliere. Das war nicht immer so."
"Und warum ist es jetzt so, mein Orfeo?"
"Mir bringt jemand Unglück."
"Wie kann sie denn noch, die arme Herzogin! Du fasst, sobald du sie siehst, an deine Hornbreloques und streckst zwei Finger gegen sie aus. Was soll sie dir also anhaben?"
"Nichts. Sie ist es gar nicht, es ist eine andere."
"Wer denn, ich bitte dich."
"Du selbst. Denn du liebst mich zu sehr, das bringt Unglück."
"O Himmel!"
Sie war bestürzt bis zur Sprachlosigkeit. Also ihre Liebe kostete ihn Opfer! Wenigstens glaubte er es.
"Wie tief bin ich in seiner Schuld!"
Sie entäußerte sich ihres bescheidenen Schmucks. Als eine sicher erwartete Einnahme ausblieb, hatte sie einen Augenblick der Schwäche und der Auflehnung gegen alle ihre Mühsal. Piselli entnahm die Summe, deren er bedurfte, der herzoglichen Kasse.
"Sind wir denn Pedanten?" meinte er. "Du hättest das tun sollen, ehe du deine armen Colliers drangabst. Versteht es sich etwa nicht von selbst, dass du von deiner Freundin stillschweigend ein Darlehen entnehmen darfst? Musst du ihr davon erst sprechen? Dann ist es mit euerer Freundschaft nicht weit her."
Sie hatte nicht nötig, der Herzogin davon zu sprechen. Denn schon tags darauf war das Geld zurückerstattet; Piselli hatte gewonnen. Er gewann immer. Täglich griff er in die Schatulle, und täglich brachte er den dreifachen Betrag nach Hause. Er war stets überaus gnädig und großherrlich heiter. Sie zitterte vor der Zukunft und liebte sie. Es war eine Zeit des schönen Einklanges. Orfeo gab ihr prächtige Diamanten, wie sie nie welche besessen hatte. "Da hast du deine Juwelen zurück. Ich könnte es nicht ertragen, dass du meinetwegen