Wohnungsfrage 3.0. Группа авторов
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Schaut man sich die wohnungspolitische Szene an, so gab und gibt es derzeit kaum mehr nennenswerte Fachpolitiker bei fast allen Parteien. Es hat sich hier kein Generationenwechsel vollzogen, das Thema Wohnungspolitik scheint über die letzten zwei Jahrzehnte betrachtet in der Politik nicht besonders karriereförderlich gewesen zu sein.
Da inzwischen von vielen Fachleuten die Grundstücksknappheit als entscheidender Engpass für die geringen Neubauzahlen ausgemacht wurde, hatte die Bundesregierung in der noch laufenden Legislaturperiode eine Baulandkommission eingesetzt, um die Mobilisierung von Bauflächen mit alten oder neuen Instrumenten besser vorantreiben zu können und bauwillige Investoren und kommunale Wohnungsbauunternehmen schneller mit Bauland zu versorgen.
Das Thema der Wohnungsversorgung und der Wohnungspolitik ist hochkomplex, da es einerseits im föderalen Zusammenspiel gelöst werden muss. Der Bund ist zuständig für Mietgesetze und zusammen mit den Ländern auch für die »Soziale Wohnraumförderung« und das Wohngeld. Die Baulandbereitstellung und das Planungsrecht für Wohnbauten fallen jedoch in die Zuständigkeit und unter das Selbstbestimmungsrecht der Kommunen. Etliche Kommunen sind überdies mit ihren kommunalen Wohnungsunternehmen auch selbst als Anbieter am Wohnungsmarkt tätig. Auf der anderen Seite ergibt sich eine besondere Komplexität bei diesem Thema, da die Wanderungs- und Umzugsbewegungen von Mietern und Eigentümern als entscheidende Nachfragekomponente nur schwer über Jahre hinaus prognostiziert werden können (z. B. Flüchtlingszuwanderung, Arbeitsmärkte, Corona). Zudem resultiert die Erstellung von neuem Wohnraum aus einem komplizierten Zusammenspiel zwischen meist privaten Investoren und der kommunalen Verwaltung bzw. Politik und nimmt sehr lange Zeit in Anspruch.
So herrscht in jeder Stadt eine etwas andere Marktsituation vor und auch die zukünftigen Nachfrageperspektiven können sich zwischen den Städten stark unterscheiden. Zwar ist heute in vielen Städten die Wohnungsnot mit Händen zu greifen, aber ob dies auch in zehn bis fünfzehn Jahren für die ein oder andere Stadt noch so sein wird, ist mehr als unklar. Viele Städte werden vielleicht wieder schrumpfen, andere noch zehn, zwanzig Jahre überdurchschnittlich wachsen. Die Gründe für das eine oder andere Szenario sind mannigfaltig und ebenfalls schwer zu prognostizieren. Die Corona-Krise ist nur ein Beispiel für ein schockartiges Ereignis, das innerhalb kürzester Zeit starke Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und auch das Wohnungswesen entfalten kann.
Vor dieser komplexen Gemengelage stellt sich die Frage nach neuen Perspektiven und Optionen für eine Wohnungspolitik, insbesondere mit Blick auf die nahende Bundestagswahl im Herbst 2021. In diesem Band sollen Wissenschaftler aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven auf die Wohnungsversorgung und die Instrumente der Wohnungspolitik schauen:
Die ersten drei Beiträge liefern hierfür zunächst eine solide Analyse der Ausgangssituation des derzeitigen deutschen Wohnungsmarktes. Entscheidende Fragen hierzu lauten: Wie ist die Versorgungssituation am deutschen Wohnungsmarkt – auch im Zeitvergleich – für unterschiedliche Gruppen von Nachfragern einzuschätzen? Wie haben sich die verschiedenen Migrationswellen ausgewirkt und führt die Umzugsmobilität zu möglichen Sickereffekten, von denen untere Einkommensgruppen profitieren? Wie haben sich also Nachfrage und Angebot entwickelt und was bedeutet dies für die Knappheit und die Preise an diesem Markt?
Hierfür wertet Pekka Sagner vom Institut der Deutschen Wirtschaft zunächst die Langzeitreihen des sozio-ökonomischen Panels – einer regelmäßigen Befragung von deutschen Haushalten – hinsichtlich der Wohnsituation von Mietern und selbstnutzenden Eigentümern aus. Dies ordnet die derzeitige Lage am Markt in einen längerfristigen Vergleich ein.
Danach erläutert Rainer Braun vom Empirica Institut die volkswirtschaftliche Sichtweise auf die verschiedenen Migrationswellen der jüngeren Zeit, das Phänomen der Schwarmstädte und die korrespondierenden Probleme auf der Angebotsseite des Wohnungsmarktes sowie seiner Preisentwicklung, bevor er auf mögliche Lösungsansätze eingeht.
Einer häufig vernachlässigten Versorgungsdimension des Wohnungsmarktes widmen sich danach Roland Busch von der Bergischen Universität Wuppertal und Colin Beyer von Quaestio, die die druckfrischen Ergebnisse eines Forschungsprojektes zu den Versorgungs- und Sickereffekten durch Umzugsmobilität an vier lokalen Wohnungsmärkten (Köln, Leipzig, Nürnberg, Bremen) vorstellen und deren wohnungspolitische Bedeutung würdigen.
Die folgenden Beiträge wenden sich dann aus unterschiedlichen Perspektiven der Frage der politischen Relevanz und somit der Wohnungspolitik selbst zu. Folgende Fragen sollen geklärt werden: Wie unterscheidet sich die deutsche Wohnungspolitik von anderen europäischen Wohnungspolitiken? Und wie lässt sich die aktuelle Phase der Wohnungspolitik einordnen in einen längeren zeitlichen Vergleich? Was bedeuten der Ressourcenverbrauch des Wohnungsneubaus und der Klimawandel für die künftige wohnungspolitische Agenda? Wie könnte eine bessere Wohnungspolitik auf Bundesebene organisiert werden und welche (neuen) Instrumente könnten auf kommunaler Ebene zum Einsatz kommen?
Als Historiker und Politologe nimmt Björn Egner von der TU Darmstadt einen längerfristigen und auch europäisch-vergleichenden Blickwinkel auf die »Eigentümlichkeiten der deutschen Wohnungspolitik« ein, bevor Andrej Holm von der Humboldt Universität Berlin aus einer eher stadtsoziologischen Perspektive auf Marktversagen, Staatsversagen und die Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation des Wohnens eingeht.
Bernd Faller von Quaestio gibt mit seinem Beitrag deutliche Hinweise auf marktliche Probleme und wohnungspolitische Notwendigkeiten auf der Bundesebene, während Anja Bierwirth vom Wuppertal Institut sich in ihrem Beitrag den Fragen des Ressourcenverbrauchs des Wohnungsneubaus und den Herausforderungen des Klimawandels im Wohnungssektor zuwendet und erörtert, was dies alles für die Wohnungspolitik bedeuten könnte.
Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik nimmt danach die kommunale Ebene der Wohnungspolitik in den Blick und bereitet neue Politik- und Instrumentenvorschläge auf.
Zum Abschluss versucht der Herausgeber, die unterschiedlichen Analyseergebnisse zur Wohnungsversorgung zu verknüpfen und einzuordnen und die Fäden der wohnungspolitischen Diskussion der Autorinnen und Autoren zusammenzuführen und auf ein Ergebnis hin zu verdichten.
Analyse der Wohnsituation in Deutschland auf der Grundlage des sozio-ökonomischen Panels
Pekka Sagner
»Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit.« So oder so ähnlich urteilen Politiker und Medien über die Situation am deutschen Wohnungsmarkt. In der Tat ist der deutsche Wohnungsmarkt mit teilweise entgegengesetzten und großen Herausforderungen konfrontiert. Während in Wachstumsregionen die Nachfrage nach Wohnraum hoch ist und die Preise scheinbar unaufhaltsam ansteigen, gilt es zugleich nicht nur in Schrumpfungsregionen, die Wohnungspolitik an den demografischen Wandel anzupassen.
Dieser Beitrag beleuchtet die Wohnsituation in Deutschland vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, die verschiedene Teilnehmer am Wohnungsmarkt unterschiedlich stark treffen. Dabei wird insbesondere zwischen selbstnutzenden Wohneigentümern und Mietern unterschieden. Diese beiden Wohnformen teilen nicht nur die Bevölkerung in zwei etwa gleich große Gruppen, diese Gruppen waren und sind auch sehr unterschiedlich von den Herausforderungen betroffen, die eine angespannte Wohnungsmarktsituation mit sich bringt. Während Wohneigentümer zuletzt sogar von den Anstiegen der Kaufpreise in Form gestiegener Vermögenswerte profitieren konnten, finden potienzielle Ersterwerber von Wohneigentum und Mieter, die einen Umzug planen, schwerer Zugang zum Markt. Die Kreisläufigkeit (Zyklizität) des Wohnungsmarktes lässt sich indes am besten an der Entwicklung