Widerstreit. Helmut Ortner
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Helmut Ortner
WIDERSTREIT
Über Macht, Wahn und Widerstand
Politische Essays
1. Auflage 2021
Copyright © Nomen Verlag, Frankfurt am Main 2021
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Stefanie Kuttig, München
Satz + Layout: BlazekGrafik, Frankfurt am Main
ISBN 978-3-939816-80-5
eISBN 978-3-939816-81-2
»Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen«
Hannah Arendt
INHALT
Verquerte Wutbürger, besorgte Demokraten
Lufthoheit über Deutschlands Stammtischen
»Widerstandskämpfer« Filbinger
Verkannte und »bequeme« Helden
GEGEN DEMOKRATIE-VERACHTUNG
Warum eine offene Gesellschaft Gegenrede und Widerstreit braucht – und Demokratie vom ICH und vom WIR lebt. Kurzer Prolog.
Denken »gehört zu den größten Vergnügungen der menschlichen Rasse«, sagt Galileo Galilei bei Brecht. Und vor dem Schreiben kommt das Denken. Aber wie bei vielen Vergnügungen: zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie lieber ihre besten Freunde, nicht unbedingt ihren Arzt oder Apotheker, die helfen ihnen in Sinnfragen nicht weiter. Denken bedeutet Risiko. Der Denkende ist der Suchende, der Zweifelnde mitunter auch der Selbstzweifelnde. Gegen die Macht, die Mehrheit – die eigene Bequemlichkeit.
In unserer Konsensgesellschaft wird »eigenes« Denken zwar gerne propagiert, aber nicht immer geschätzt. In düsteren Zeiten wird freies, widerspenstiges Denken mitunter behindert, verleumdet, denunziert und verfolgt. Auch unsere Geschichte kennt diese dunklen Epochen. Das ist vorbei. Selbstständiges Denken ist hierzulande nicht gefährlich. Es eignet sich nicht als heroische Geste. Auch wer sich das Etikett eines »Quer-Denkers« anheftet, muss keinen Mut aufbringen.
Einigen wir uns darauf: Denken hat viele Facetten. Es kann nützlich, erheiternd und schön sein – aber auch schlicht, anmaßend und dreist. Denken ist in einer freien, demokratischen Gesellschaft »systemrelevant« (um diesen abgenützten Begriff zu bemühen). Also: ein Lob auf das freie, unzensierte, anarchische Denken.
Nach dem Denken kommt das Handeln. Es geht darum, die offene Gesellschaft gegen ihre falschen Freunde und richtigen Feinde zu verteidigen. Gleich ob von rechts oder links. Gegen politischen Fanatismus und religiösen Wahn. Gegen Geschichtsvergessenheit und Populismus.
Ich plädiere für plausible, rationale Argumente statt Bauchgefühl. Ideal, wenn beides wohl dosiert zusammenkommt, dann stehen die Chancen gut, die Wirklichkeit zu bewältigen. Die wichtigste Voraussetzung, um Wirklichkeit zum Besseren zu verändern, besteht darin, diese ungeschönt zur Kenntnis zu nehmen. Schlichte Hoffnung und naiver Optimismus sind die Totengräber vieler guter Ideen