Widerstreit. Helmut Ortner

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Widerstreit - Helmut Ortner

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sich, behilft sich notfalls auch mit Ersatzobjekten.« Wut ist wie ein heftiger innerer Überfall.

      Anders der Zorn. Er hat einen langen Atem. »Die Zeit des Zorns beginnt mit einer Verärgerung, die sich nach und nach zu einer grundlegenden Missstimmung ausweitet. Die Kraft der Gedanken wird zum Werkzeug des Zorns. Er behält sein Ziel im Auge, verfolgt es bis zum bitteren Ende«, analysiert Sofsky scharfsinnig, Seine Betrachtungen bescheinigen dem Zorn eine zähe Destruktivität. »Im Gegensatz zur Wut, die sich selbst erschöpft, hat der Zorn einen definitiven Schlusspunkt. Er ist erreicht, wenn der Bösewicht bestraft, der Feind für immer geschlagen ist. Zorn erstrebt kein friedliches Ende und keinen gütlichen Ausgleich.« Man mag dem Autor hier gerne widersprechen, denn die Bewertung des Zorns hat historisch und kulturell stets variiert. In unserem Kulturkreis ist durchaus eine klare Zuordnung erkennbar: Hass gilt »fast immer als schlecht, Wut als unbeherrscht, Zorn dagegen kann ›gerecht‹ sein«. Im allgemeinen Werteempfinden wird dieser »gerechte Zorn« durchaus akzeptiert.

      Klima-Katastrophe, Kriege, Flucht, Hunger – an Zorn-Anlässen besteht kein Mangel. Es findet sich eine neue Art von Volkszorn, von den politischen und wirtschaftlichen Eliten gerne als zerstörerische Energien junger Menschen missverstanden – oder denunziert. Wer den Protest-Bewegungen das Politische und das Soziale abspricht und auf eine tiefenpsychologische Grundkraft reduziert, der ignoriert freilich die produktive Potenz des Zorns – individuell und gesellschaftlich. Gilt das auch für die gegenwärtige Randale militanter Polit-Hooligans, die in Washington, Berlin, Stuttgart und anderen Städten als neuer Prototyp des Zornigen die politische Arena betreten? Ob Capitol-Erstürmung, Antifa-Radau, Pegida-Pöbelei oder Querdenker-Demos – »der Wutmensch ist der politische Phänotyp der Stunde«, konstatiert Manfred Schneider in der NZZ. Seine politische Chiffre reicht von links bis rechts, von esoterisch bis vollends verwirrt. Er benötigt nur eine positiv oder negativ besetzte Parole, um seiner Wut den notwendigen Impuls zu verleihen. Er braucht keine Haltung, keine Idee, nur ein »ungutes« Gefühl und schlechte Stimmung«. Nichts hat er gemein mit den mutigen Bürgern in Belarus, Hongkong, Myramar oder anderswo, die gegen Menschenrechtsverletzung, Wahlfälschung und Korruption, trotz Polizeiterror und drohender Verhaftung unter Einsatz ihres Lebens auf die Straße gehen. Die eigene »Protest-Legitimation« des Wutbürgers speist sich aus seiner Wirklichkeits-Verleugnung – potenziert in kollektiven Echo-Räumen, in denen er sich mit Gleichgesinnten dauererregt austauscht und seinen Wut-Akku auflädt.

      Blicken wir nur ein paar Jahre zurück: ob Ost oder West, allerorten Pegida-Aufmärsche. Als letzte nationale Hoheitszeichen schwenkte die neue rechtslastige Bürger-Front schwarz-rot-goldene Fahnen und brüllte nationale und faschistoide Parolen: »Deutschland gehört uns!« und »Ausländer raus!«. Diese rückwärtsgewandten Wut-Bürger, nicht selten durchaus eher privilegiert als marginalisiert – staatlich ordentlich versorgt als Beamte und Rentner –, sie alle einte die Wut, »ihre« Kultur-und Traditionsgemeinschaft in Auflösung durch Flüchtlinge, Eliten und parlamentarische Volksverräter erleben zu müssen. Montag war Pegida-Tag. Ein Protest-Event zwischen Panik und Paranoia. Ging es hier »um die in der eigenen Heimat empfundene Heimatlosigkeit«, wie Jens Jessen in der Zeit konstatierte, um eskalierende Globalisierungsfurcht? Kurz, um Verlust- und Verliererängste?

      Der britisch-indische Autor Pankaj Mishra versucht in seinem Buch »Das Zeitalter des Zorns« eine Erklärung dafür, wie diejenigen, die im Prozess der Globalisierung nicht zu den Gewinnern gehören, anfällig für Demagogen sind. Alle, die zurückgelassen werden und sich ausgegrenzt fühlen, reagierten immer auf die gleiche Weise: mit Hass auf erfundene Feinde, dem Heraufbeschwören von Untergangs-Szenarien und der Selbstermächtigung durch Gewalt. Das Fremde wird als Bedrohung erlebt. Daraus resultiert Angst, Wut – und mitunter auch langlebiger Zorn. Sind Wut und Zorn also doch Brüder im Geiste?

      Schauen wir auf die Jetzt-Zeit: selbsternannte »Querdenker«, die sich den staatlichen Sicherheits-Anordnungen verweigern, die sich vom Staat getäuscht, reglementiert und verfolgt fühlen und zum Widerstand gegen die »Corona-Diktatur« aufrufen. Die kein Problem damit haben, neben rechtsradikalen Plakaten und antisemitischen Spruchbändern zu marschieren und sich nicht entblöden, sich als die wahren Erben, als »Kämpfer der Freiheit« auszugeben. Können auch sie eine »produktive Potenz des Zorns« für sich reklamieren? Oder handelt es sich hier eher um ein Trauerspiel kollektiver Wirklichkeitsverweigerung, um hippe Events des kollektiven Wahns?

      Geschlossene Wahn-Systeme haben Konjunktur. Auf digitalen Plattformen wird geleugnet, gehetzt und polarisiert. Boris Groys, international angesehener Philosoph, der an der New York University lehrt, hat darauf hingewiesen, dass die zahllosen wahnhaften Verschwörungs-Erzählungen mit dem Aufstieg der weltweiten Informationssysteme zu tun haben. Viele Menschen misstrauten etablierten Medien, völlig unabhängig davon, wie seriös oder unseriös sie arbeiten. In Krisen-Zeiten würde dieses Misstrauen von einem Gefühl der Ohnmacht verstärkt. Für diese Ohnmacht suche man eine Erklärung – und hier bieten sich krude Verschwörungstheorien an. Groys wies auch darauf hin, dass in einer Konkurrenzgesellschaft auch Verschwörungstheorien in Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Anhänger miteinander stehen. Gewissermaßen ein Wettbewerb des Grauens. Die »Wahrheit« von Corona-Leugnern erlaubt keine Abweichung, sie muss düster, apokalyptisch und schrecklich sein: schuldig sind der Staat, die »herrschenden« Politiker, die Pharma-Industrie, finstere Dämonen oder wahlweise Bill Gates. Für Groys Versuche, die komplizierte Wirklichkeit mit bizarren Mythen und Wahn-Erzählungen zu erklären.

      Halten wir fest: Der Zorn kommt in vielfältiger Gestalt daher und ist beileibe nicht immer produktiv und zukunftsorientiert. Er kann Ausdruck sowohl einer kritisch-produktiven Geistes- und Emotionshaltung sein, die sich mit der Welt und ihren Zumutungen so nicht abfinden und befrieden will, aber auch Ausdruck einer Haltung, die oft den Nebenschauplatz, etwa einer verloren geglaubten Kultur, zum Hauptkampfplatz macht. Wut und Hass haben keine gesellschaftliche Verortung, sie sind politisch heimatlos. Aber sie sind immer fanatisch, egomanisch, destruktiv – und dumm. Auch der Zorn steht immer in Gefahr, nicht klug zu agieren. Es geht also darum, die produktiven Seiten des Zorns sichtbar zu machen und den Zorn vom Makel des Destruktiven zu befreien. Kurzum, es ist höchste Zeit, den guten Ruf des Zorns wieder herzustellen und zu verteidigen – gegen selbsternannte Heimatschützer und irrlichternde Verschwörungs-Erzähler.

      Zorniger Geist verachtet Dummheit und Wahn. Er setzt nicht auf blinde Gewalt, nicht auf coole Randale, nicht auf eruptive Militanz – sondern andauernden Disput, auf konstante Auseinandersetzung. Zorn, heißt es bei de Tocqueville, »kann man nicht einsperren, teilen oder exportieren«. Zorn sucht den konstruktiven, oft auch zähen Diskurs. Deshalb ist er für unsere Demokratie so unerlässlich.

VOLK UND WIDERSTAND

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