Der sonnenhelle Pfad. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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Kapitel 3
MORAL, RELIGION, YOGA
Spiritualität und Moral
Es besteht ein großer Unterschied zwischen Spiritualität und Moral, zwei Dingen, die ständig miteinander verwechselt werden. Das spirituelle Leben, das Leben im Sinne des Yoga, hat zu seinem Ziel, in das göttliche Bewusstsein hineinzuwachsen und als sein Ergebnis, das zu läutern, verstärken und erstrahlen zu lassen und zu vervollkommnen, was in dir ist. Es macht dich zu einer Kraft, die das Göttliche offenbart. Es hebt die Natur jeder Persönlichkeit zu ihrer vollen Bedeutung empor und verhilft ihr zu ihrem höchsten Ausdruck; denn dies ist Teil des göttlichen Plans. Moral folgt einem mentalen Verfahren und errichtet mit einigen wenigen Vorstellungen davon, was gut ist oder nicht, ein Idealmodell, in welches sich alle hineinzwingen müssen. Diese Idealvorstellung unterscheidet sich zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten in ihren Einzelheiten und in ihrer Gesamtheit. Und dennoch erklärt sie sich selbst zum einzigartigen Vorbild, einem kategorischen Absoluten. Sie erkennt außerhalb ihrer selbst nichts an; sie lässt nicht einmal eine Abweichung innerhalb ihrer selbst gelten. Alle sollen ihrem alleinigen Idealbild entsprechend geformt werden, alle sollen einheitlich und untadelig dieselben sein. Wegen ihrer starren, wirklichkeitsfremden Natur ist die Moral in Prinzip und Wirkensweise das Gegenteil von Spiritualität. Im spirituellen Leben enthüllt sich die eine Wesenheit in allem, aber auch ihre unbegrenzte Mannigfaltigkeit. Sie arbeitet für die Vielfalt im Einssein und für Vollkommenheit in dieser Vielfalt. Moral errichtet einen künstlichen Maßstab, der zur Verschiedenartigkeit des Lebens und der Freiheit des Geistes im Widerspruch steht. Sie erschafft etwas Mentales, Festgesetztes, Beschränktes und verlangt von allen, sich dem anzupassen. Alle müssen sich abmühen, dieselben Eigenschaften und denselben vorbildlichen Charakter zu erwerben. Moral ist nicht göttlich oder vom Göttlichen. Sie ist vom Menschen und menschlich. Ihre Grundlage ist die unveränderliche Spaltung in Gut und Böse. Aber das ist eine willkürliche Setzung. Sie nimmt relative Dinge und versucht, sie als absolute einzuführen; denn dieses Gute und jenes Böse unterscheiden sich in unterschiedlichen Klimagebieten und Zeiten, Epochen und Ländern. Die Moralauffassung geht so weit zu behaupten, es gäbe gute und schlechte Begierden und verlangt von dir, die eine anzunehmen und die andere zurückzuweisen. Aber das spirituelle Leben fordert von dir, überhaupt alles Begehren zurückzuweisen. Gemäß seines Gesetzes musst du alle Bestrebungen, die dich vom Göttlichen entfernen, verwerfen. Du musst sie abwehren, nicht weil sie in sich selbst schlecht wären – denn sie mögen für einen anderen Menschen in einer anderen Umgebung gut sein – sondern weil sie zu jenen Antrieben und Kräften gehören, die, unerleuchtet und unwissend, dir auf deinem Weg zum Göttlichen im Wege stehen. Alles Begehren, ob gut oder schlecht, fällt in diese Darstellung: denn das Begehren selbst entspringt einem unerleuchteten, vitalen Wesen und seiner Unwissenheit. Andererseits musst du alle Regungen annehmen, die dich in Kontakt mit dem Göttlichen bringen. Aber du stimmst ihnen zu, nicht weil sie in sich selbst gut wären, sondern weil sie dich zum Göttlichen leiten. Akzeptiere also alles, was dich zum Göttlichen führt. Weise alles zurück, was dich von ihm fortbringt, aber sage nicht, dies ist gut oder jenes ist schlecht oder versuche nicht, anderen deine Auffassung aufzunötigen; denn das, was du als schlecht bezeichnest, mag für deinen Nachbarn, der nicht versucht, das göttliche Leben zu verwirklichen, genau das Richtige sein.
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Hat uns die Moral nicht geholfen?
Liebe Mutter, hat uns die Moral nicht geholfen, unser Bewusstsein zu erweitern?
Das hängt von den Leuten ab. Es gibt Leute, denen sie dienlich und andere, für die sie das überhaupt nicht war. Moral ist etwas ganz und gar Künstliches und Willkürliches und in den meisten Fällen, selbst bei den Besten, hemmt sie echte spirituelle Bemühung durch eine Art moralischer Zufriedenheit, man sei auf dem rechten Weg und ein wahrer Gentleman, man erfülle seine Pflicht und komme allen moralischen Erfordernissen des Lebens nach. Dann ist man so selbstzufrieden, dass man sich nicht mehr von der Stelle rührt oder irgendeinen Fortschritt macht.
Es ist für einen tugendhaften Mann sehr schwierig, den Pfad Gottes zu betreten. Das ist schon oft gesagt worden, aber es ist vollkommen richtig, denn er ist in höchstem Maße selbstzufrieden, er glaubt, er hat verwirklicht, was er verwirklicht haben sollte. Ihm fehlt entweder die Sehnsucht oder sogar jene einfache Demut, die uns nach Fortschritt verlangen lässt. Weißt du, einer, den wir hier als einen Weisen betrachten, hat es sich gewöhnlich in seiner Tugendhaftigkeit sehr bequem eingerichtet und denkt niemals daran, da herauszukommen. Das entfernt dich meilenweit von göttlicher Realisation.
Bis man das innere Licht gefunden hat, hilft es aber wirklich, für sich selbst eine bestimmte Anzahl Regeln aufzustellen, die natürlich nicht zu starr und unveränderlich sein sollten, jedoch genau genug, uns davor zu bewahren, vollständig vom rechten Pfad abzuweichen oder nicht wiedergutzumachende Fehler zu begehen – Fehler, unter deren Folgen wir unser ganzes Leben leiden.
Dazu ist es gut, in sich selbst einige Prinzipien zu errichten, die jedoch jeweils im Einklang mit der eigenen Natur stehen sollten. Wenn man sich eine soziale, kollektive Regel zu eigen macht, wird man sofort zu einem Sklaven dieser Vorschrift, und das hindert uns fast vollständig daran, irgendeine Anstrengung zu unserer Umwandlung zu machen.
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Der Menschheit dienen
Warum möchtest du der Menschheit dienen, welche Vorstellung steckt dahinter? Es ist Ehrgeiz, damit du ein großartiger Mensch unter den Menschen wirst. Das ist schwer zu begreifen?... Das kann ich verstehen!
Das Göttliche ist überall. Deshalb, wenn man der Menschheit dient, dient man dem Göttlichen, ist das nicht so?
Das ist phantastisch! In dieser Angelegenheit ist es das Einleuchtendste zu sagen: „Das Göttliche ist in mir. Wenn ich mir selbst diene, diene ich ebenso dem Göttlichen!“ (Gelächter) Tatsächlich ist das Göttliche überall. Das Göttliche wird sein Werk sehr gut ohne dich tun. Ich sehe ganz gut, dass du mich nicht verstehst. Aber wirklich, wenn du begreifst, dass das Göttliche da ist, in allen Dingen, worin mischst du dich ein, indem du der Menschheit dienst? Um das zu tun, musst du besser wissen als das Göttliche, was für sie getan werden muss. Weißt du besser als das Göttliche, wie man ihr dient?
Das Göttliche ist überall. Ja. Dinge scheinen nicht göttlich zu sein.... Was mich betrifft, so sehe ich nur eine Lösung: Wenn du der Menschheit helfen möchtest, gibt es nur eines zu tun, d.h. nimm dich so vollständig wie möglich und bringe dich dem Göttlichen dar. Das ist die Lösung. Denn auf diese Weise wird wenigstens die physische Realität, die du verkörperst, fähig, dem Göttlichen ein wenig ähnlicher zu werden.
Man sagt uns, das Göttliche ist in allen Dingen. Warum ändern