Der sonnenhelle Pfad. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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In jedem Fall bist du dazu nicht mächtig genug. Wie kannst du erwarten, einem anderen Beistand leisten zu können, wenn du nicht über ein höheres Bewusstsein verfügst als er? Es ist eine solch kindische Idee! Nur Kinder sagen: „Ich werde ein Wohnheim aufmachen, einen Kinderhort bauen, Armen Suppe austeilen, dieses Wissen verkünden, jene Religion verbreiten...“. Das geschieht nur, weil du dich selbst für besser hältst als andere, glaubst, du weißt besser, was sie sein oder tun sollten. Das ist es, was Der-Menschheit-dienen bedeutet. Du möchtest das alles fortsetzen? Es hat die Dinge nicht viel verändert. Der Menschheit helfen heißt nicht, ein Krankenhaus oder eine Schule zu eröffnen....
Du kannst Millionen Krankenhäuser einrichten, das wird die Leute nicht davor bewahren, krank zu werden. Im Gegenteil, dazu werden sie dann jede Gelegenheit und jede Ermunterung haben. Wir sind durchdrungen von Vorstellungen dieser Art. Das beruhigt unser Gewissen: „Ich bin auf diese Welt gekommen, ich muss anderen helfen.“ Man sagt zu sich selbst: „Wie selbstlos ich bin! Ich werde der Menschheit helfen.“ Aber das ist nichts als Egoismus.
Tatsächlich ist das erste menschliche Wesen, das dich angeht, du selbst. Du möchtest das Leiden vermindern, aber wenn du nicht die Eigenschaft zu leiden in ein von Gewissheit getragenes Glücklichsein verwandeln kannst, wird sich die Welt nicht ändern. Sie wird immer dieselbe bleiben, wir drehen uns im Kreis – eine Zivilisation folgt der anderen, eine Katastrophe der anderen. Aber die Sache wird nicht anders, denn es fehlt etwas, etwas ist nicht da, das ist das Bewusstsein. Das ist alles.
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Religion
Religion gehört der höheren Ebene des menschlichen Mentals an. Es ist die Bestrebung des höheren menschlichen Mentals, sich so weit, wie es in seiner Macht liegt, auf etwas jenseits seiner selbst zuzubewegen, etwas, das die Menschheit Gott oder Spirit oder Wahrheit oder Glaube oder Wissen oder das Unendliche nennt, eine Art Absolutes, welches das menschliche Mental nicht erfassen kann und dennoch zu erfassen sucht. Religion mag in ihrem allerletzten Ursprung göttlich sein; in ihrer gegenwärtigen Natur ist sie nicht göttlich, sondern menschlich. Wir sollten wahrlich eher von Religionen sprechen als von Religion; denn es gibt viele von Menschen erschaffene Religionen....
Der erste Hauptglaubenssatz dieser bestehenden herkömmlichen Religionen lautet: „Mein ist die höchste, die einzige Wahrheit, alle anderen befinden sich in Unwahrheit oder sind minderwertig.“ Denn ohne dieses grundlegende Dogma könnten etablierte Religionsbekenntnisse nicht existieren. Wenn du nicht daran glaubst und nicht erklärst, dass du allein im Besitze der höchsten Wahrheit bist, wirst du nicht imstande sein, Leute zu beeindrucken und dazu zu veranlassen, dir zuzuströmen.
Diese Einstellung ist für die Religiosität natürlich. Eben dies lässt aber die Religion einem spirituellen Leben im Wege stehen. Die Glaubens- und Lehrsätze einer Religion sind mental erzeugte Dinge, und wenn du an ihnen klebst und dich in einen für dich aufgestellten Lebenskodex einschließt, dann kennst du nicht und kannst auch nicht die Wahrheit des Spirits kennen, der über alle Regelsysteme und Dogmen hinausreicht, weit und gewaltig und frei. Wenn du bei einer religiösen Überzeugung halt machst und dich dort bindest, indem du sie für die einzige Wahrheit der Welt hältst, dann bereitest du dem Fortkommen und dem Weitwerden deiner Seele ein Ende. Wenn du jedoch die Religion aus einem anderen Gesichtswinkel betrachtest, braucht sie nicht immer und für alle Menschen ein Hindernis zu sein. Wenn du sie als eine der höheren Aktivitäten der Menschheit erachtest und du in ihr das Streben des Menschen erkennen kannst, ohne die Unvollkommenheiten alles Menschenerschaffenen zu übersehen, dann vermag sie wohl eine Art Hilfe für dich auf dem Weg zu einem spirituellen Leben zu sein. Indem du dich in ernsthafter und aufrichtiger Haltung mit ihr befasst, kannst du versuchen herauszufinden, welche Wahrheit sie enthält, welche Sehnsucht in ihr verborgen liegt, welche göttliche Inspiration hier durch den menschlichen Geist und eine menschliches System Umformung und Verformung erfahren hat. Mit geeigneter mentaler Einstellung kannst du die Religion selbst so, wie sie ist, dahin bringen, etwas Licht auf deinen Weg zu werfen und dir etwas Unterstützung bei deiner spirituellen Bemühung zu gewähren.
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Yoga und Religion
Liebe Mutter, was ist der Unterschied zwischen Yoga und Religion?
Ah! Mein Kind... das ist, als fragtest du mich nach dem Unterschied zwischen Hund und Katze!
(Langes Schweigen)
Stell` dir jemanden vor, der irgendwie von etwas wie dem Göttlichen gehört oder ein eigenes Gefühl hat, dass etwas dieser Art existiert und der fängt an, sich auf alle mögliche Weise zu bemühen: Bemühungen des Willens, der Disziplin, der Konzentration, alles mögliche, um das Göttliche zu finden, um zu entdecken, was Er ist, mit Ihm vertraut zu werden und sich mit Ihm zu vereinen. Dann macht dieser Mensch Yoga.
Nun, wenn dieser Mensch alle Verfahren, derer er sich bedient hat, aufgeschrieben hat und ein starres System konstruiert und alles, was er erkannt hat, zu absoluten Gesetzen erklärt – z.B. sagt er: Das Göttliche ist so und so, um das Göttliche zu finden, musst du jenes tun, führe diese besondere Geste aus, übernimm diese innere Haltung, vollziehe diese Zeremonie und du musst gelten lassen, dass dieses die Wahrheit ist, du musst sagen: „Ich erkenne an, dass dies die Wahrheit ist und ich werde mich voll und ganz daran halten; und deine Methode ist die einzig richtige, die einzig bestehende“ – wenn all das niedergeschrieben, gestaltet und nach festen Gesetzen und Zeremonien geordnet ist, dann wird es eine Religion.
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Sri Aurobindos Lehre und Religion
Viele Leute sagen, die Lehre Sri Aurobindos sei eine neue Religion. Würdest du sagen, sie ist eine neue Religion?
Leute, die das sagen, sind Dummköpfe, die nicht einmal wissen, worüber sie reden. Man braucht nur all das zu lesen, was Sri Aurobindo geschrieben hat, um zu begreifen, dass es unmöglich ist, auf seinem Werk eine Religion zu begründen, denn er selbst stellt jedes Problem, jede Frage in all deren Aspekten dar, indem er die in jedweder Sicht der Dinge verborgene Wahrheit aufzeigt; und er erklärt, man muss, um die Wahrheit zu erfahren, eine Synthese verwirklichen, die jeglichen mentalen Begriff überschreitet und in einer Transzendenz jenseits des Denkens aufgeht....
Ich wiederhole, wenn wir von Sri Aurobindo sprechen, dann kann keine Rede von Lehre, noch nicht einmal von Offenbarung sein, sondern von einer Tat des Höchsten; darauf kann keine Religion gegründet werden.
Aber die Menschen sind so dumm, dass sie imstande sind, alles mögliche in eine Religion zu verwandeln, so groß ist ihr Bedürfnis nach einem festen Rahmen