Das skurrile Leben der Myriam Sanders. Melanie Müller
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Oben auf der Empore, zu der ebenfalls eine Treppe führt, haben nur Paare Zutritt. Ein riesiges, rot-schwarzes Himmelbett mit großen Kissen und viele kleine Betten laden die Partygäste zu gemeinsamen Spielereien ein. Neben jedem Bett steht ein Nachttisch mit Kondomen und Taschentüchern bereit. Keine fünf Minuten nachdem die Galerie geöffnet wurde, sind bereits sechs Paare auf allen fünf Betten zu Gange. Von der Tanzfläche aus hat Myriam einen guten Blick auf das lange Geländer auf der Empore, an dem es den ganzen Abend über tatkräftig zur Sache geht. Sie fühlt sich zunächst etwas beschämt, kann aber auch irgendwie nicht wegsehen.
Myriam fällt auf, dass sie sich im Insomnia nach einiger Zeit wesentlich wohler fühlt, als im «Kitty». Die Gäste lassen ihnen ihren Freiraum, wodurch insgesamt eine angenehmere Atmosphäre entsteht. Die Wahl der Outfits fällt auch hier sehr freizügig aus. Jedoch wirken sie unaufdringlicher und stilvoller – viele Korsetts, Strapse, lange schwarze Kleider, dunkle Leder- und Latexanzüge sowie viele Ketten.
«Das Insomnia will verführen, provozieren, anregen und damit eine Lücke in der Hauptstadtszene schließen», erklärt Bea.
«Und woher weiß Frau Neunmalschlau das?»
«Oh, das habe ich im Internet gelesen. Ich habe mich schlau gemacht, nachdem ich deine Einladung bekommen habe.»
«So, so, du hast dich also schlau gemacht!», grinst Myriam.
Sie tanzen noch sehr viel an diesem Abend, trinken eine Menge und naschen an den Kleinigkeiten, die an der Bar feilgeboten werden. Sie küssen und lieben sich in einer Ecke, ohne sich an all den anderen Gästen zu stören. Sie beobachten belustigt, wie eine in einem schwarzen Lederkostüm gekleidete Frau eine halbnackte jüngere Frau an einer Kette und Halsband hinter sich herzieht. Myriam fragt sich, was das für ein Gefühl für die jüngere Frau sein muss, von einer Domina an der Kette geführt zu werden. Aber Bea ist nicht die Dominante, denkt Myriam. Sie ist eher die liebe, brave.
Es ist schon ziemlich spät, nein, eher sehr früh am Morgen, als Bea und Myriam den Heimweg antreten, beide ziemlich betrunken. Sie lachen und albern herum und suchen sich ein Taxi, um nach Hause zu fahren.
«Du warst echt Klasse, war echt geil mit dir!»
«Mit dir aber auch!» Bea grinst und schiebt Myriam ins Taxi.
Wiedersehen
Schlagzeile in einer Tageszeitung.
Hermann Berger verhaftet.
Der Aufsichtsratsvorsitzende mehrerer großer Gesellschaften Herr Hermann Berger und Vorstand der Haffner Guppe wurde gestern überraschend verhaftet. Ein Sondereinsatzkommando des LKA stürmte die Firmenzentrale und nahm ihn fest. Die Beamten beschlagnahmten Computer und Ordner. Ihm wird vorgeworfen, Insiderwissen zu seinem eigenen Vorteil genutzt zu haben, um Aktienkurse zu manipulieren. Außerdem ist bekannt geworden, dass er als Großmeister einer dubiosen Sekte angehörte und sexuelle Unzucht mit Minderjährigen vollzogen haben soll. Er sitzt zurzeit in U-Haft. Seine Frau hat sofort die Scheidung eingereicht. Sie ist die Millionenerbin des Unternehmens Haffner & Söhne, mit Investitionen in der Automobil-Zulieferindustrie und distanziert sich ausdrücklich von den Machenschaften ihres Mannes.
«Gut so!» Bettina Haffner-Berger lächelt und lässt die Tageszeitung sinken. «Niemand hat herausgefunden, dass ich hinter dieser Sache stecke und meine Detektivin echt gut war. Ich glaube, sie wird noch mehr Aufträge für mich erfüllen. Gute Leute muss ich mir warm halten. Und Myriam Sanders ist gut!»
Bettina nimmt noch einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse und räumt dann ihr Frühstücksgeschirr ab.
«Zeit, meine Firma und meinen Vater zu besuchen.»
«Guten Morgen, Vater. Hast du die Zeitung gelesen?»
«Ja, heute Morgen, ich wollte dich auch schon anrufen, aber das Telefon steht einfach nicht still. Presse, Fernsehen, besorgte Aufsichtsratsmitglieder ...»
«Mach dir keine Sorgen, wir regeln das und Hermann wird leer ausgehen. Er hat mich betrogen, oft und immer wieder in diesem merkwürdigen Kreis von Logenmitgliedern.»
«Wer hätte das gedacht, ich hielt ihn für einen Ehrenmann und niemals hätte ich geglaubt, dass er in so einem Sumpf steckt.»
«Lass uns den Vorstand versammeln und wir arbeiten eine Pressemitteilung aus, die alle Schuld auf Hermann beschränkt. Egal, was passiert, aus der Nummer kommt er nicht mehr raus.»
Einige Tage später geht Bettina an der Spree spazieren, sie hängt ihren Gedanken nach. Die Sonne scheint warm auf sie herab und die Vögel zwitschern so fröhlich. Sie schaut auf den Weg und achtet nicht auf ihre Umgebung. Ein Windstoß weht durch eine Trauerweide und die Blätter rascheln. Sie schaut auf und sieht Myriam Sanders ins Gesicht.
«Oh, ich habe Sie gar nicht gesehen!»
«Ich grüße Sie, Frau Haffner-Berger, jetzt habe ich durch die Presse doch noch Ihren Namen erfahren. Sie wollten doch die Informationen für sich behalten! Wer weiß, was uns jetzt blüht.»
«Machen Sie sich keine Sorgen. Ihr Name taucht nirgendwo auf. Gehen Sie öfter hier spazieren?»
«Ja, fast jeden Mittag und im «petit bijou» gehe ich dann eine Kleinigkeit essen.»
«Waren Sie schon?»
«Nein, ich wollte nach dem Spaziergang hin.»
«Darf ich Sie begleiten?»
«Gern.»
Die beiden Frauen schlendern noch eine Weile am Spreeufer entlang, um dann im «petit bijou» einzukehren.
Sie plaudern über dies und das, bis der Kellner kommt und ihre Bestellung aufnimmt.
«Frau Sanders, bitte bestellen Sie, Sie wissen, was hier gut schmeckt.»
«Gern! Dann bitte zweimal Sauerteigbrot mit Lachs und Bio-Ei, dazu einen bunten Salat, und eine Flasche Stilles Wasser mit zwei Gläsern.»
«Das war‘s?», fragt die Bedienung, «Möchten Sie vielleicht einen Aperitif?»
Bettina Haffner-Beger bestellt noch zwei Gläser Aperol Spritz. «Lassen Sie uns auf unser Wiedersehen anstoßen!»
«Okay, ich bin einverstanden.»
«Sie haben mir sicherlich nicht alles erzählt, was in dieser besagten Nacht passiert ist, oder?»
«Stimmt, ich wollte Sie nicht mit Belanglosigkeiten ermüden.»
Bettina lächelt: «Aber genau diese Kleinigkeiten interessieren mich!»
Myriam lächelt zurück: «Oh, das wusste ich nicht.»
Die Kellnerin bringt die Getränke und gießt Wasser in die beiden leeren Gläser.
Bettina und Myriam ergreifen ihren Aperitif, prosten sich zu und trinken einen Schluck.
«Wollen wir uns nicht duzen?»
«Ja, gern, ich bin Myriam.»
«Bettina!»
Wieder