Das Rauschen der Stille. Heidi Cullinan

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Das Rauschen der Stille - Heidi Cullinan

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und gab mich so normal, wie ich nur konnte. Natürlich war es nicht genug. Meine Eltern würden mir niemals zuhören. Ich konnte die Zukunft schon vor mir sehen und es war beängstigend und dunkel und lähmend, mir vorzustellen, in einem fremden Studentenwohnheim in einer unbekannten Stadt zu sein, wo mich alle nur auslachen oder unbehaglich das Gesicht verziehen würden, wenn sie mich fragten, was mein Problem sei. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob es nicht für alle das Beste wäre, wenn ich nicht mehr da war.

      Ich versuchte gerade, mich zu beruhigen, indem ich mir einen Plan zurechtlegte, wie ich dafür sorgen konnte, dass alles aufhörte, als der Junge zu mir kam.

      Ich hatte gesehen, wie er mit seinen Eltern gekommen war, aber ich hatte ihm gerade genug Aufmerksamkeit geschenkt, um festzustellen, dass er mich weder hänseln noch für Unbehagen sorgen würde, ehe ich ihn schon wieder abgeschrieben hatte. Mir war undeutlich bewusst, dass er anders war, dass irgendetwas an ihm nicht stimmte, aber sonst hatte ich nicht viele Gedanken an ihn verschwendet, sondern ihn in den Nebel meiner Wahrnehmung mit allen anderen Gästen geschoben. Außer dass er plötzlich auf mich zukam, mit der deutlichen Absicht, eine Unterhaltung anzuregen.

      Das Seltsame war, dass er mich nicht ansah. Er sah in meine Nähe, aber er sah mich nicht an und lächelte. Er blieb vor mir stehen und drückte seine Füße fest auf den Boden. Während er sich leicht zur Seite neigte, ballte er die Hände in einem seltsamen Winkel vor sich zur Faust, starrte die Luft neben mir an und begann zu sprechen.

      »Hallo. Ich möchte mich gern vorstellen. Mein Name ist Emmet Washington. Wie geht es dir?«

      Ich blinzelte ihn an und verstand nicht wirklich. Ich meine, ich verstand schon, was er sagte, aber die Art, wie er es gesagt hatte, war so seltsam. Er klang leicht roboterhaft, die Worte ohne Punkt und Komma und seine Betonungen lagen immer auf der falschen Stelle. Selbst die Frage war komisch – er hob am Ende die Stimme, als wäre ihm bewusst, dass er das bei einer Frage tun musste, aber irgendwie war es die falsche Art von Hebung.

      Irgendetwas stimmt nicht mit ihm, flüsterte die panische Stimme in meinem Kopf. Ich zog mich zurück, hob die Schultern und sackte in mich zusammen.

      Emmet sprach weiter und ich begann mich zu fragen, ob neben mir ein Teleprompter stand, von dem er ablas, denn seine Worte klangen wie auswendig gelernt. »Es ist ein wunderschöner Tag für ein Picknick, nicht wahr? Nicht zu heiß und nicht zu windig.«

      Ich musste etwas sagen. Es war offensichtlich, dass ich nun an der Reihe war, aber ich war so verwirrt. Warum redete er mit mir? Was sollte ich sagen?

      Er ist einfach nur höflich. Vielleicht hat ihn seine Mom auch gezwungen, zum Picknick zu gehen und ihm gesagt, dass er sich unter die Leute mischen soll. Der Gedanke ließ mich ein wenig entspannen. Offensichtlich hatte Emmet eine Behinderung. Würde es mir schaden, nett zu ihm zu sein?

      »H-hi.« Ich errötete, beschämt über meine eigene Ungeschicklichkeit. Wer ist jetzt behindert, Idiot?

      Falls Emmet mich für einen Trottel halten sollte, ließ er sich nichts anmerken. Er wartete geduldig, wippte sanft auf seinen Fersen und starrte auf die Stelle neben meinem Kopf. Seine Haltung war so merkwürdig. Seine Schultern waren zu hoch und seine Hände waren vor seinem Körper verdreht. Manchmal bewegte er sie, aber nur ganz kurz, dann erstarrten sie wieder.

      Er war süß. Seine Haare waren hellbraun und etwas zu lang, sodass sie sein Gesicht umspielten, als wäre er in einer Boyband. Seine Augen waren blassblau mit unzähligen, feinen Linien darin, als hätte man einen zerbrochenen Kristall wieder zusammengesetzt.

      »Du musst dich jetzt auch vorstellen«, sagte Emmet schließlich.

      »'tsch-'tschuldigung.« Ich wollte meine Hand ausstrecken, zog sie aber zurück, weil ich nicht mutig genug war. Stattdessen schob ich die Hände unter meine Arme. »Ich… ich bin Jeremey.«

      »Es ist eine Freude, dich kennenzulernen, Jeremey.« Er wartete einen Herzschlag lang und ich fragte mich, ob er die Sekunden zählte, als wüsste er, dass er innehalten muss. »Ich bin Student im zweiten Studienjahr an der Iowa State University. Ich studiere angewandte Physik und Informatik. Was ich gerne mache, sind Puzzles, Spiele und Spaziergänge.« Eine weitere Pause folgte, die ebenso wohlüberlegt war wie die erste. »Was ist mit dir?«

      Ich war durcheinander, hin- und hergerissen zwischen Unbehagen angesichts seines Unwillens, einfach zu gehen, und Erstaunen darüber, was er mir gerade erzählt hatte. »Du… du gehst aufs College?« Und er studierte angewandte Physik?

      Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob ich mit meiner Vermutung, dass er eine Behinderung hatte, richtiglag. Wodurch ich mich schuldig und beschämt fühlte und die Panik am Rande meines Bewusstseins immer näher kroch.

      Emmet fuhr fort, als würde ich innerlich nicht gerade den Verstand verlieren. »Ich gehe aufs College. Wir sind letzten Herbst hierhergezogen, damit ich zur Schule gehen kann. Für mich ist es keine gute Idee, in einem Studentenwohnheim oder allein zu wohnen, und Mom sagt, dass es sowieso Zeit für eine Veränderung war. Mein Dad arbeitet als Forschungsspezialist bei ConAgra. Meine Mom ist Allgemeinärztin und arbeitet Teilzeit in der Ames Medical Clinic. Meine Tante Althea arbeitet im West Street Deli und ist Aktivistin. Ich möchte entweder Programmierer oder Physiker werden. Ich hab mich noch nicht entschieden.« Pause. »Was machst du, Jeremey? Gehst du aufs College?«

      Physiker. Ich schluckte schwer und war verwirrt und verloren und fühlte mich unzulänglich. »N-nein. Ich… hab im Mai meinen Abschluss gemacht. H-highschool.«

      »Planst du, aufs College zu gehen?«

      Es war nett, dass er nicht davon ausging, ich würde aufs College gehen, aber die Beschämung über ein Nein, dass ich vor einem College so weit wie möglich davonlaufen würde, war noch immer zu viel. »Ich… will nicht. Aber meine Eltern…« Ich sah mich kurz um, um sicherzugehen, dass Mom und Dad nicht zuhörten. »Sie zwingen mich, auf die University of Iowa zu gehen.«

      Emmet runzelte die Stirn und sein Wippen wurde stärker. »Das ist schade. Sie sollten dich auf die Iowa State gehen lassen. Das ist eine gute Schule und sie ist genau hier in Ames.«

      Es war lustig – ich hatte mich sofort in einer Abwärtsspirale aus Schuld befunden, weil ich schlecht über meine Eltern gesprochen hatte, aber Emmet hatte einfach darüber hinweggesehen. Es regte mich an, noch mehr zuzugeben. »Ich möchte überhaupt nicht aufs College gehen.«

      Sein Blick wandte sie nie von der Stelle neben meinem Ohr ab. »Was möchtest du tun?«

      »Ich weiß es nicht.« Es war zu viel, ihn weiter anzusehen – es überforderte mich –, also starrte ich auf den Boden vor mich. »Ich möchte mich ausruhen. Das letzte Jahr war schwierig, vor allem der letzte Monat. Aber ich schätze, das richtige Leben funktioniert so nicht.«

      »Was war schwierig?«

      Für eine kurze Weile war es in Ordnung gewesen, mit Emmet zu reden, fast schon angenehm, aber jetzt wollte ich aufhören. Ich suchte nach einem Weg, aus dieser Unterhaltung verschwinden zu können.

      Emmet hörte auf zu wippen. »Es tut mir leid. Ich glaube, meinetwegen fühlst du dich unwohl. War das eine schlechte Frage?«

      Überrascht sah ich zu ihm auf. Jetzt wippte er offenkundig. Er war bestürzt. Ich musste dafür sorgen, dass er sich nicht schlecht fühlte. »Es war keine schlechte Frage. Ich bin… ein ziemliches Fiasko.«

      »Du hast in letzter Zeit traurig gewirkt, wenn ich dich in deinem Garten gesehen habe.«

      Whoa.

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