Das Rauschen der Stille. Heidi Cullinan

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Das Rauschen der Stille - Heidi Cullinan

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hab gesehen, wie du auf der Veranda gesessen oder im Garten gearbeitet hast. Manchmal hast du traurig gewirkt.«

      Wahrscheinlich erschien ich ziemlich häufig traurig im Garten – es war der Ort, an den ich ging, wenn ich vor meinen Eltern flüchten musste. Der Gedanke, dass die Nachbarn mich beobachtet hatten, machte mich wahnsinnig und schon wieder schämte ich mich. »Es… es tut mir leid.«

      »Warum tut es dir leid, traurig zu sein?«

      Diese Unterhaltung musste aufhören. »Ich… weiß es nicht.«

      »Jetzt fühlst du dich wieder unwohl.«

      Ja, das tat ich. Außerdem fing ich an, zu schnell zu atmen und ich spürte, wie mein Herz so schnell schlug, als wollte es aus meinem Brustkorb springen. Ich schloss die Augen. Oh Gott, ich würde hier auf dem Picknick eine Panikattacke bekommen. Meine Mutter würde mir niemals verzeihen. »Ich… ich muss… gehen.« Ich sah mich um und stellte fest, wie viele Menschen gekommen waren und wie nah sie mir waren. Meine Atmung wurde flacher und flacher und ich wollte in Tränen ausbrechen. »Ich kann hier nicht weg. Ich bin gefangen. Sie werden so wütend sein.«

      »Erlaubst du, dass ich dir helfe?«

      Ich blinzelte Emmet an, da ich zuerst nicht verstand, was er gesagt hatte. Noch immer sah er mich nicht an, aber er hatte die Hand ausgestreckt und aufgehört, auf den Fersen zu wippen. Er wartete.

      Ich legte meine Hand in seine. Ich wusste nicht warum, aber ich ließ mich von ihm wegführen, weg vom Baum, weg vom Picknick. Er führte mich um einige Mülltonnen am Haus herum, platzierte mich auf einer Bank und setzte sich neben mich. Anschließend ließ er meine Hand los und genügend Platz zwischen uns. Er sagte nichts, sondern saß einfach nur bei mir, während ich tief durchatmete und mich wieder beruhigte.

      »Da-danke«, sagte ich, als ich wieder sprechen konnte.

      Er setzte sich aufrecht hin und richtete seinen Blick auf meine Knie. »Es tut mir leid, falls ich etwas Falsches gesagt habe. Ich hab geübt, aber es ist schwer, jemanden kennenzulernen.«

      »Du… hast geübt?«

      »Ja. Ich wollte dich schon sehr lange kennenlernen.«

      »Du… wolltest mich kennenlernen?« Schon sehr lange?

      »Ja.« Er wippte auf seinem Platz und sein Blick wanderte zu einem der Bäume. »Ich wollte einen guten ersten Eindruck machen, aber ich habe eine Panikattacke ausgelöst. Es tut mir leid.«

      Scham überfiel mich, heftig und unangenehm. »Das hast du nicht. Ich bin… ein Fiasko. Ich hab mich geschämt zuzugeben, dass ich nicht aufs College will.«

      »Es ist eine große Veränderung. Du solltest deinen Eltern sagen, dass du dich etwas langsamer bewegen musst.«

      Mein bitteres Lachen blieb mir beinahe im Halse stecken. »Meine Eltern sagen, dass ich darüber hinwegkommen muss.«

      »Es tut mir leid. So etwas zu sagen, ist gemein.«

      Ich weiß nicht, warum ich es tat. Selbst als sich die Worte auf meinen Lippen formten, versuchte ein Teil meines Gehirns, mir den Mund zu verbieten, aber Emmet vermischte all meine Erwartungen und Mutmaßungen und offensichtlich sorgte das für einen Kurzschluss in meinen Synapsen. Anstatt eine Entschuldigung für meine Eltern zu finden, anstatt zu murmeln Ja, wem sagst du das, oder irgendetwas in der Art, sagte ich: »Ich habe Depressionen.«

      »Oh. Meinst du SDS, eine schwere depressive Störung? Also eine klinische Depression?«

      Ich nickte zutiefst beschämt. »Ich… hatte in der Schule einen Zusammenbruch. Während der letzten zwei Wochen hab ich nicht mehr am Unterricht teilgenommen. Ich hab meinen Abschluss, aber da ich nicht bei der Abschlussfeier war, bin ich mir manchmal nicht sicher, ob es wirklich passiert ist. Ich stecke noch immer vor der ganzen Klasse fest und werde ohnmächtig, weil ich nicht genug Luft bekomme.« Die Erinnerung an diesen schrecklichen Tag lag wie Nebel auf mir. »Mein Arzt will, dass ich Tabletten nehme, aber meine Eltern erlauben es nicht.«

      »Moderne Antidepressiva erhöhen die Monoamine im synaptischen Spalt und es ist klinisch bewiesen, dass sie die Stimmung heben und depressive Symptome in vielen Fällen verringern. Manchmal dauert es eine Weile, bis das richtige Medikament gefunden ist, und bei manchen Menschen wirken sie überhaupt nicht, vor allem nicht ohne die zusätzliche Gesprächstherapie, aber bei einer großen Anzahl von Patienten sind sie sehr effektiv.«

      Genau dasselbe hatte der Arzt zu mir gesagt, dessen war ich mir sicher, aber ich verstand es jetzt genauso wenig wie im Mai. Für mich war es befremdlich, wie klug Emmet war – er wirkte wie jemand, bei dem ich kurze Sätze benutzen sollte, aber offensichtlich war das nicht der Fall. Ich wollte ihn so gern darüber ausfragen, aber alles, was mir einfiel, war: Was stimmt nicht mit dir? Und das war schrecklich.

      »Wieso weißt du so viel über Depressionen?«, fragte ich stattdessen.

      »Ich hab darüber gelesen. Als ich dreizehn war, hatte ich eine depressive Phase, also hab ich meinen Zustand recherchiert. Medikamente sind bei Teenagern nicht ratsam, es sei denn, die Umstände sind kritisch, also habe ich aufmerksam über Meditation nachgelesen und sie praktiziert. Außerdem hab ich angefangen, von zu Hause aus zu lernen, was geholfen hat. Manchmal hab ich jetzt auch Angstzustände, aber meistens kann ich mit bestimmten Maßnahmen stressige Situationen in meinem täglichen Leben vermeiden.«

      Wieso war es für ihn kein Problem, all diese Dinge herunterzurattern? Sowohl die fachlichen Mechanismen von Depressionen und wie es ihn aus der Schule herausgerissen hatte. »Maßnahmen?«

      »Ja. Ich habe viele Maßnahmen. Ich habe einen strikten Zeitplan und Zeichen, die ich nutze, um meiner Familie zu zeigen, dass ich verunsichert bin. In der Uni ist es schwieriger, aber meistens bleib ich für mich und spreche nicht mit anderen Leuten und sie lassen mich in Ruhe. Da ich ein Genie bin, mögen mich die Professoren und helfen mir, wenn die anderen Studenten gemein sind. Gleichaltrige beschimpfen mich manchmal, aber dann mach ich einfach meine Ohrstöpsel rein, damit ich sie nicht hören kann, und es ist in Ordnung.«

      »Warum… beschimpfen sie dich?«

      »Weil ich Autismus habe.«

      Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber das war es definitiv nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn anstarrte, wahrscheinlich sogar mit offenem Mund. »Du… bist Autist?« Das kann nicht sein, wollte ich hinzufügen, biss mir jedoch rechtzeitig auf die Zunge. Irgendetwas an ihm war merkwürdig, ja, aber… Autismus? Waren Autisten nicht unfähig, mit anderen Leuten zu sprechen und sie zu berühren?

      Emmet sah weiter den Baum an. »Ja. Ich habe eine Autismus-Spektrum-Störung. Mein Gehirn ist anders verkabelt als das anderer Menschen. Aber ist es nicht wie bei Depressionen, bei der sie denken, dass es an den Monoaminen liegt. Sie manifestiert sich als Sozialstörung und in der Art, wie mein Körper reagiert, meinem Verhalten. Ich bin intelligent, intelligenter als die meisten Menschen, aber es fällt mir schwer, mit anderen zu interagieren. Also tun die meisten Leute so, als würde mit mir etwas nicht stimmen, als wäre ich dumm.«

      Was im Grunde genau das ist, was ich getan hatte. Ich fühlte mich schrecklich. »Es tut mir leid.«

      »Es ist in Ordnung. Sie sind die, die etwas verpassen.« Er hielt erneut inne, aber dieses Mal war ich mir ziemlich sicher, dass er sich seine nächsten Worte zurechtlegte und nicht wartete, weil er glaubte, es tun zu müssen. »Ich hatte gehofft, dass du mein Freund sein möchtest.«

      Ich

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