Ich bin, was ich werden könnte. Mathias Wais
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Die Lebensmittekrise hat also ihren Sinn darin, auf die Entschlüsse zu antworten, mit denen wir einst auf die Erde gekommen sind. Sie hat nicht den Sinn, jetzt das Irdisch-Materielle zu verachten. Im Gegenteil, sie soll der Ausgangspunkt dafür sein, dass wir dem Irdisch-Materiellen Sinn geben können, dass wir es vervollständigen, dass wir es zu sich selbst führen, indem wir über das hinausgehen, was wir von uns gewohnt sind.
Nun gibt es aber Ausnahmen: Es gibt Menschen, die schon in sehr jungen Jahren konkret an der Verwirklichung ihrer Ideale arbeiten, offenbar aus einer mitgebrachten Selbstlosigkeit heraus. Und es gibt ältere Menschen, die nach überhaupt nichts streben, die keine Lust haben, sich um irgend etwas Übergeordnetes zu bemühen. – Wir können annehmen, dass wir beide Male Menschen vor uns haben, die ein besonderes Opfer bringen. Letztere führen den Materialismus und die Selbstbezogenheit auf die Spitze und führen ihren Mitmenschen damit vor, welche Trostlosigkeit in einem nicht-strebenden Leben entsteht. Und sie können möglicherweise eben dadurch wirken: Sie können Ansporn und Anlass sein für die anderen, sich selbst zu befragen, was Materialismus und Selbstbezogenheit betrifft. Es ist insofern nicht richtig, Menschen zu verurteilen, die über die Lebensmitte hinaus eine materialistische Gesinnung leben, die also nicht aufgreifen, worauf in diesem Kapitel hingewiesen wurde. Sie erfüllen vielleicht auch, indem sie so leben, eine große Aufgabe. Aber es hängt von uns ab, ob wir das so aufgreifen, als Ansporn, als Anlass. Erst dann haben diese Menschen ihre Aufgabe erfüllt, auch ohne dass sie sich dessen bewusst sind.
Und die jungen Menschen, die schon lange vor der Lebensmitte Anschluss an eine geistige Dimension haben und überpersönlich wirken können, opfern vielleicht ihre vollständige Individualisierung – möglicherweise auch, um Ansporn zu sein, aber jetzt aus der anderen Richtung. Sie leben etwas dar, was mitreißen soll. Und sie verzichten möglicherweise darauf, ganz – mit Haut und Haar – auf die Erde zu kommen, wie es der ersten Lebenshälfte gemäß wäre. Sie arbeiten sich nicht so umfassend in die irdischen Verhältnisse ein, bleiben insofern unvollständig, leben in einer gewissen Einseitigkeit, können aber gerade dadurch eine jugendliche Kraft für ihre Ideale zur Verfügung stellen, die der mittelalterliche Mensch nicht mehr hat. Und häufig ist es dann so, dass diese schon jung tätigen und wirkenden Menschen früh sterben oder schwer krank werden. Besonders wenn es sich um Künstler handelt, kann man den Eindruck haben: Sie wollten die Erde nur kurz berühren, die Menschen aufblicken lassen zu den Idealen – und dann gehen sie wieder.
So stehen also auch Ausnahmen noch in dem Sinnzusammenhang der Lebensmittekrise.
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Die Bedeutung der Jahrsiebte
Man kann die Lebensmittekrise auch als eine Konsequenz aus der Wirkung der Jahrsiebte erachten. Bei dem Rhythmus der Jahrsiebte handelt es sich um eine aus der Ebene der Lebenskräfte, des Biologischen stammenden Gliederung der biographischen Entwicklung. Er ist ein Entwicklungsrhythmus, der von innen kommt – im Gegensatz zum Beispiel zum Mondknotenrhythmus, der von außen, aus kosmischen Abläufen auf den Lebensgang einwirkt. Er konstelliert nicht die zeitliche Gliederung äußerer Ereignisse wie der Mondknoten oder wie die bereits erwähnten Zeitstrukturen. Vielmehr ist die Sieben eine ursprünglich aus der Entwicklung des Organismus selbst hervortretende Zahl. Sie bewirkt von innen her, sowohl beim Kind wie beim Erwachsenen, im Verlauf von jeweils etwa sieben Jahren einen Bewusstseinswandel. Diesen Bewusstseinswandel kann man auffassen als eine stufenweise Annäherung des aus der geistigen Welt kommenden Ich an die irdischen Verhältnisse bis zur Lebensmitte und ein wiederum stufenweises Zurücktreten des Ich von den äußerlichen Verhältnissen ab der Lebensmitte. So sind die Jahrsiebte Inkarnationsstufen bis zur Lebensmitte, hingegen Exkarnationsstufen nach der Lebensmitte.
Es hat also keinen Sinn, die Wirksamkeit der Jahrsiebte in äußeren Ereignisabfolgen zu suchen. Die Jahrsiebte gliedern die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins von innen her. Die Rhythmen dagegen, die in Kapitel 3 besprochen wurden, sind kosmische Rhythmen, keine biologischen. Sie bilden Kräfteverhältnisse der geistigen Welt im Irdischen ab, indem sie sich in der zeitlichen Struktur der äußeren Ereignisabfolgen vergegenwärtigen. Die Aussage: »Alle sieben Jahre hatte ich einen Unfall«, mag genauer Beobachtung entsprechen, hat aber nichts mit diesem Jahrsiebte-Rhythmus zu tun. Ebenso tritt der jeweilige Bewusstseinswandel auch nicht abrupt, als umschriebenes Ereignis ein, sondern er kommt allmählich, findet in der Mitte eines Jahrsiebts einen Höhepunkt, und bereits im dritten Drittel eines Jahrsiebts kündigt sich dann schon das Bewusstseinsthema des nächsten an.
Die Siebenjahres-Zeiträume selbst, die Themen der jeweiligen Bewusstseinshaltung können auch als unterschiedliche und folgerichtige Interesse- oder Fragerichtungen aufgefasst werden. In jedem Jahrsiebt stehen andere Erlebnisqualitäten im Vordergrund. Es gibt hierfür bereits eine Reihe von Beschreibungen11, so dass hier die Jahrsiebte nicht noch einmal im einzelnen charakterisiert werden müssen. In vier Stufen gliedern die Jahrsiebte in der ersten Lebenshälfte das Einleben des Ich in die irdischen Verhältnisse. Im ersten Jahrsiebt geht es um den Aufbau, um die Ordnung des Leibes, die das Ich sich nach und nach zu eigen macht, damit sie ihm als Instrument dienen kann. Im zweiten steht die Ordnung des Gewohnheitslebens im Vordergrund: Klare und wissbare Verhältnisse geben dem Ich die Sicherheit, in der sozialen Welt Fuß zu fassen. Im täglichen Lebensvollzug verbindet sich das Ich mit der Erde. Im dritten Jahrsiebt wird die Ordnung der Seele als eigene erlebbare Ordnung gesucht. Diese Phase beginnt bekanntlich mit einem heftigen Protest gegen die bis dahin von den Eltern und Lehrern übernommene Ordnung. Der Jugendliche will jetzt eigene Wege gehen, die ihm selbst angemessene seelische Haltung zur Welt finden. Und im vierten Jahrsiebt geht es um die Ordnung des Handelns. Der junge Erwachsene versucht nun, ausgehend von seinem Verstand, berufliche und soziale Handlungskompetenz zu entwickeln.
Im gleichen Zuge, wie das Ich sich in diesen vier Stufen mit der Erde verbindet, löst es sich zunehmend von seiner geistigen Herkunft, so dass mit achtundzwanzig Jahren ein gewisser Endpunkt erreicht ist. Das Ich ist dann vollständig auf der Erde angekommen. Die sich von innen ergebende und wie selbstverständlich einstellende Entwicklung ist nun zu Ende. Das zeigt sich, subjektiv freilich gar nicht bemerkt, daran, dass der körperliche Abbau bereits zu diesem Zeitpunkt, mit achtundzwanzig Jahren also, einsetzt – und zwar ironischerweise zuerst im Gehirn, dem Organ, dessen Tätigkeit im vierten Jahrsiebt im Vordergrund stand, wo es um die intellektuelle Durchdringung und »Behandlung« der Welt ging.
Der Bewusstseinswandel im fünften Jahrsiebt, an dessen Ende die Lebensmittekrise eintritt, besteht nun darin, dass dieses Ende des Inkarnationsvorgangs und die damit verbundene Ferne von der geistigen Welt ganz allmählich ins Bewusstsein treten – subjektiv als der sich einschleichende Zweifel erlebt, wie oben beschrieben. So kann die Lebensmittekrise als eine Schwelle an der Stelle der Entwicklung aufgefasst werden, an der die Bewusstseinswandlung in eine andere Richtung umschlagen sollte. Die nun folgenden Jahrsiebte bringen, wenn der Lebensmittekrise nicht ausgewichen wird, eine zunehmende Bewusstseinserweiterung in Richtung übergeordneter, überpersönlicher, vielleicht auch spiritueller oder religiöser Gesichtspunkte und Erfahrungen.
Im Unterschied zur ersten Lebenshälfte handelt es sich in der zweiten um Entwicklungs-Möglichkeiten. Die Lebensmittekrise kann auch umgangen, »verdrängt«, gleichsam überschrien werden durch herbeigeführte dramatische äußere Ereignisse – spontane zweite Heirat, Wechsel der beruflichen Existenz et cetera. Dann können die anschließenden Jahrsiebte ihre bewusstseinswandelnde Kraft