Big Ideas. Das Feminismus-Buch. Ann Kramer
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Sexuellen Missbrauch anprangern
VORWORT
Frisch von der Universität bewarb ich mich für eine Stelle. Während des Vorstellungsgesprächs blickte der Ältere meiner beiden Gesprächspartner auf meinen Lebenslauf und fragte, als er sah, dass ich für die Studentenzeitung über Frauenfragen geschrieben hatte: »Sind Sie Feministin?« Offensichtlich dachte er an Frauen in Latzhosen, die mit Plakaten auf den Straßen protestierten – aber ich wollte einen Job, also antwortete ich vorsichtig: »Nun, ich entspreche meiner Vorstellung von einer Feministin. Vermutlich nicht Ihrer.« Angesichts meiner Diplomatie nickte er anerkennend, griff das Thema aber ständig wieder auf – obwohl sein jüngerer Kollege versuchte einzugreifen. Bis ich, außer mir, rief: »Mein Gott! Ich habe mir für dieses Gespräch die Beine rasiert, wenn Sie das beruhigt!« Der junge Kollege erstarrte, der ältere aber lachte. Ich bekam die Stelle.
Damit möchte ich sagen: Feminismus ist eine komplizierte Sache. Unwissenheit gibt es zuhauf, ebenso Stereotype, Feindseligkeit und einfach Verwirrung. Die einzig mögliche Reaktion darauf ist zu informieren, um die Leere, in der sich Ängste, Zweifel und Vorurteile breit machen, mit Fakten zu füllen. Alles, vom Mastodon bis zu globalen gesellschaftspolitischen Bewegungen, ist viel weniger beunruhigend, wenn es aus dem Dunkel heraustritt und man sieht, womit man es zu tun hat. Dieses Buch beleuchtet den Feminismus von allen Seiten und beseitigt die Unwissenheit Stück für Stück.
Und es erfüllt noch eine zweite wichtige Funktion: Es soll insbesondere Frauen ein Gefühl für ihren Platz in der Geschichte geben, die bekanntlich von den Siegern geschrieben wird. Weibliche Aktivistinnen und ihre Errungenschaften wurden schon immer zu wenig zelebriert, verbreitet und anerkannt. Das macht es schwieriger, auf dem Vorhergehenden aufzubauen. Das Rad muss neu erfunden werden, was auch dann anstrengend ist, wenn man nicht gleichzeitig die nächste Generation zur Welt bringen und aufziehen muss.
Kaum jemand lernt in der Schule etwas über den Feminismus. Ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern fällt meist an kleinen Dingen auf. Bei mir waren es oft kleine Erkenntnisse, die mich empörten und sich wie Kletten in mein Gehirn hakten. So erfuhr ich mit zehn Jahren, dass der jüngere Bruder meiner Freundin mehr Taschengeld bekam als sie. Warum? Weil er ein Junge war. Diese Ungerechtigkeit spürte ich fast als körperlichen Schmerz. Einige Jahre später las ich im Magazin Just Seventeen, dass Claudia Schiffer, das erfolgreichste Supermodel der 1980er-Jahre, unter ihrem »ungleichmäßigen Haaransatz« litt. Irgendwo tief in mir erkannte ich, dass einer Welt, in der sich eine junge Frau so fühlte, wenig am Wohlbefinden der Frauen liegen konnte. Mit den Jahren kommen große und kleine Erkenntnisse hinzu, bis die Begünstigung der Männer so offensichtlich ist, dass sie sich nicht mehr ignorieren lässt. Dann fangen wir an, nach Antworten zu suchen. Was bedeutet: entweder Elektrolyse oder Feminismus.
Was aber ist Feminismus? Kann man gleich sein und verschieden? Das Patriarchat ablehnen und Männer mögen? Soll man gegen jede Kleinigkeit kämpfen oder sich auf die großen Dinge konzentrieren? Und habe ich mich mit meinen rasierten Beinen für die Schwesternschaft für immer disqualifiziert?
Weiß man, welche Formen der Feminismus im Laufe der Zeit ausgeprägt hat, wie er sich entwickelt hat, welche Stärken und blinde Flecken er hat, welche Kämpfe bereits siegreich ausgefochten wurden und welche erneut gekämpft werden müssen, kann man auf eine historische Reservearmee blicken, die Truppen der Argumente aufstellen und mit dem Wissen in die Schlacht ziehen, dass man nicht allein ist und es nie war.
Hier findet man die Mystikerinnen, Schriftstellerinnen, Wissenschaftlerinnen, Politikerinnen, Künstlerinnen und viele mehr, die neue Gedanken in die Welt gesetzt haben, neue Einstellungen, neue Definitionen, neue Regeln, neue Prioritäten, neue Einsichten, damals und heute. Was ist Feminismus? Dieses Buch erklärt es.
Lucy Mangan
EINLEITUNG
Seit Jahrhunderten begehren Frauen gegen die Ungerechtigkeiten auf, die sie aufgrund ihres Geschlechts erleiden. Als Konzept wurde »Feminismus« jedoch erst 1837 geboren, als der Franzose Charles Fourier den Begriff féminisme erstmals verwendete. In den folgenden Jahrzehnten stand er in Großbritannien und den USA für eine Bewegung, die die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Gleichstellung der Geschlechter anstrebte und die Unterdrückung der Frau durch den Mann beenden wollte.
Infolge unterschiedlicher Ziele und Grade der weltweiten Geschlechterungleichheit entstanden verschiedene feministische Strömungen. Da der Feminismus mit seinen sich stetig weiterentwickelnden Vorstellungen und Zielen Gesellschaften seit seinen Anfängen formt, zählt er zu den wichtigsten Strömungen unserer Zeit – inspirierend, einflussreich und sogar große Bevölkerungsgruppen betreffend, je mehr er sich weiterentwickelt.
Den Weg ebnen
Die männliche Dominanz hat ihre Wurzeln im Patriarchat, das seit Jahrhunderten das Fundament der meisten Gesellschaften ist. Aus welchen Gründen das Patriarchat auch entstand – die Gesellschaften wurden komplexer, mussten stärker reguliert werden, und die Männer schufen Institutionen, die ihre Macht festigten und die Frauen unterdrückten. Die Herrschaft des Mannes wurde in jedem Bereich der Gesellschaft durchgesetzt: Regierung, Gesetz, Religion, Ehe und Heim. Der männlichen Herrschaft untergeordnet und machtlos, galten Frauen intellektuell, sozial und kulturell als minderwertig.
Nachweise von Frauen, die die patriarchalen Grenzen herausforderten, sind rar, auch weil Männer die Geschichte schrieben. Mit Beginn der Aufklärung um 1800 und der wachsenden Bedeutung der individuellen Freiheit machten Vorkämpferinnen auf die Ungerechtigkeiten, denen sie ausgesetzt waren, aufmerksam. Im Zuge der Revolutionen in den USA (1775–1783) und in Frankreich (1789–1799) forderten viele Frauen auch für ihr Geschlecht neue Freiheiten. Damals waren sie nicht erfolgreich, doch dauerte es nicht lange, bis immer mehr Frauen den Kampf aufnahmen.
»Ich habe mich nie minderwertig gefühlt … Dennoch, ›eine Frau zu sein‹ verweist jede Frau auf den zweiten Rang.«