Big Ideas. Das Feminismus-Buch. Ann Kramer
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Mehrere Wellen
Soziologen unterscheiden drei große »Wellen« des Feminismus. Manche Feministinnen sprechen von einer vierten Welle in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts. Jede Welle wurde durch bestimmte Katalysatoren ausgelöst, wenngleich der Feminismus eine sich beständig fortentwickelnde Bewegung mit einem breiten Spektrum an Zielen ist.
Die erste Welle begann Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA und in Europa. Den Zielen dieser Welle lagen dieselben freiheitlichen Prinzipien zugrunde wie dem Kampf zur Abschaffung der Sklaverei. Frühe Feministinnen (vor allem gebildete Frauen der weißen Mittelschicht) forderten das Wahlrecht, gleichen Zugang zu Bildung und gleiche Rechte in der Ehe. Die erste Welle endete um 1920. Die Frauen in den meisten westlichen Ländern hatten nun das Wahlrecht erhalten. Während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) waren die Energien gebunden. Erst um 1960 nahm die zweite Welle Fahrt auf, beeinflusst durch Schriften, die im Krieg entstanden waren. Der Slogan »Das Persönliche ist politisch« brachte diese neue Welle auf den Punkt. Die Frauen mussten feststellen, dass die in der ersten Phase gewonnenen Rechte ihren Alltag kaum verbessert hatten, und richteten ihre Aufmerksamkeit nicht auf Ungleichheiten am Arbeitsplatz und in der Familie, sondern diskutierten nun sexuelle »Normen«.
Die zweite Welle, angeheizt durch das revolutionäre Klima der 1960er-Jahre, ist als furchtlose Frauenbefreiungsbewegung in die Geschichte eingegangen, die die Unterdrückung der Frau genauer analysierte und beenden wollte. Während neue Kurse in feministischer Theorie an Universitäten die Wurzeln der Unterdrückung untersuchten und die Vorstellungen vom Geschlecht analysierten, nahmen Basisorganisationen die Ungerechtigkeiten in Angriff. Die Frauen holten sich die Kontrolle über die Geburten vom männlich dominierten Berufsstand der Gynäkologen zurück, kämpften für das Recht auf Abtreibung und wehrten sich gegen Tätlichkeiten.
Um 1980 ebbte die zweite Welle ab, geschwächt durch interne Querelen und ein zunehmend konservatives politisches Klima. Doch nun erstarkten der schwarze Feminismus und die Idee der Intersektionalität – die Erkenntnis der Mehrfachbenachteiligung dunkelhäutiger Frauen –, die der Feminismus der weißen Frauen der Mittelschicht nicht adressierte. Dieses Konzept, erstmals 1989 von Kimberlé Crenshaw vertreten, fand außer in den USA und in Großbritannien auch in den ehemaligen Kolonien weltweit Anklang.
Neue Sorgen
Die US-Feministin Rebecca Walker formulierte um 1990 angesichts des Freispruchs eines mutmaßlichen Vergewaltigers die Notwendigkeit einer dritten Welle, da Frauen weiterhin Befreiung bräuchten und nicht nur Gleichheit, die Postfeministinnen für erreicht hielten. Die dritte Welle umfasste verschiedene, oft gegensätzliche Strömungen, die sich u. a. mit sexueller Freiheit, Transfrauen und der Frage, ob feministische Ziele im Kapitalismus erreicht werden können, beschäftigten. Dieser reiche Ideenaustausch setzte sich bis ins neue Jahrtausend fort, gestützt durch Blogs und soziale Medien. Heutige Themen sind sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und die geschlechterspezifische Lohnlücke. Damit ist der Feminismus noch ebenso relevant wie in der Vergangenheit.
»Eine Frau darf nicht akzeptieren. Sie muss herausfordern.«
Margaret Sanger
Dieses Buch
Das Panoptikum der vorgestellten Persönlichkeiten, die für einen besseren Platz der Frau in der Gesellschaft gekämpft haben, ist keinesfalls erschöpfend. Dieses Buch stellt einige der bedeutendsten Ideen vom 18. Jahrhundert bis heute zu diesem Thema vor. Jeder Eintrag konzentriert sich auf einen Zeitabschnitt und ein bedeutendes Zitat einer Frau aus dieser Zeit. Dieses Buch reflektiert, wie fundamental der Feminismus für das Verständnis unserer heutigen Welt ist, und wie viel noch zu tun ist.
GEBURT DES FEMINISMUS
18. — FRÜHES 19. JAHRHUNDERT
1700
In ihrem Buch Some Reflections on Marriage vertritt die Engländerin Mary Astell die Ansicht, dass Gott Männer und Frauen mit Seelen von gleicher Intelligenz geschaffen hat
1734
Das Bürgerliche Gesetzbuch in Schweden gewährt Frauen bestimmte Rechte, insbesondere verbietet es dem Mann, den Besitz seiner Frau ohne ihr Einverständnis zu verkaufen.
1750er
In England wird die Blaustrumpf-gesellschaft ins Leben gerufen – eine informelle Gruppe für gebildete Frauen und eingeladene Männer, die sich zu Diskussionen traf.
1765
Die Daughters of Liberty schließen sich in den USA zusammen, um gegen Einfuhrzölle zu protestieren und die Unabhängigkeit Amerikas von Großbritannien zu unterstützen.
1790
Die amerikanische Frauenrechtlerin Judith Sargent Murray behauptet in ihrem Aufsatz »On the Equality of the Sexes«, dass Frauen ebenso intelligent sind wie Männer.
1791
In ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin fordert die französische politische Aktivistin Olympe de Gouges für Frauen dieselben Bürgerrechte, wie sie für Männer gelten.
1792
Die englische Schriftstellerin Mary Wollstonecraft fordert in Die Verteidigung der Frauenrechte das Recht der Frauen auf Bildung.
1830
Im heutigen Norden von Nigeria bildet Nana Asma’u eine Gruppe Frauen, Jajis genannt, dazu aus, durch das Kalifat Sokoto zu reisen und andere Frauen zu unterrichten.
1832
In Frankreich wird Suzanne Voilquin Herausgeberin der ersten bekannten feministischen Zeitschrift für Arbeiterinnen, Tribune des femmes.
Das Wort »Feminismus« wurde erst um 1890 geläufig, doch schon lange vorher vertraten einzelne Frauen feministische Ansichten. Anfang des 18. Jahrhunderts begannen Frauen in verschiedenen Teilen der Welt zu hinterfragen, ob ihr benachteiligter Status natürlich und unvermeidlich war. In Schriften und Diskussionen formulierten sie einzeln und in Gruppen ihren Widerstand gegen ihre untergeordnete Rolle und forderten mehr Rechte und Ebenbürtigkeit mit den Männern.
Von Schwäche zu Stärke
Anfang des 18. Jahrhunderts galten Frauen als von Natur aus den Männern unterlegen–intellektuell, sozial und kulturell. Dies war ein tiefer, seit Langem gefestigter Glaube, untermauert durch die christliche Lehre, die Frauen als das »schwächere Gefäß« ansah. Frauen waren der Kontrolle ihres Vaters und später ihres Ehemanns unterworfen.
Mit Fortschreiten des Jahrhunderts wirkten sich soziale und technische Veränderungen tief greifend