Big Ideas. Das Feminismus-Buch. Ann Kramer
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Die Technisierung veränderte auch die Druckindustrie und brachte eine Flut von Zeitschriften, Pamphleten, Romanen und Dichtung hervor, die Informationen und neue Ideen verbreiteten. Diese wurden von privilegierten gebildeten Frauen aufgesogen. Einige von ihnen wandten sich, den gesellschaftlichen Einschränkungen zum Trotz, dem Schreiben zu und verbreiteten mit dem gedruckten Wort feministische Ansichten.
Einige der frühesten feministischen Schriften kamen Mitte des 18. Jahrhunderts aus Schweden. Eine relativ liberale Einstellung zu den Rechten der Frau bot Intellektuellen wie der Verlegerin und Journalistin Margareta Momma oder der Dichterin Hedvig Nordenflycht die Chance, feministische Themen in Druckwerken zu verbreiten.
In Großbritannien erschienen feministische Theorien ab Beginn des 18. Jahrhunderts, vor allem die Werke Mary Astells. Sie argumentierte, dass Gott Frauen ebenso viel Vernunft geschenkt hatte wie Männern, und behauptete mutig, die untergeordnete Rolle der Frau sei weder gottgegeben noch unvermeidlich.
Um 1750 trafen sich gebildete Frauen in Deutschland und anderen Ländern Europas in literarischen »Salons«, wo sie Literatur diskutierten und Ideen austauschten. Die Salons erschlossen weiblichen Erfahrungen einen Raum und förderten Schriftstellerinnen und Denkerinnen.
Neue Ideen und Revolution
Zwei intellektuelle, kulturelle und politische Entwicklungen in Europa und Amerika rüttelten im 18. Jahrhundert den Feminismus wach: die Aufklärung und die Revolutionen in Amerika und Frankreich. Philosophen der Aufklärung wie die Franzosen Jean-Jacques Rousseau und Denis Diderot stellten die gesellschaftliche Tyrannei durch die ererbten Privilegien von Königen, Adel und Kirchen infrage. Sie fochten für Freiheit, Gleichheit und die »Menschenrechte« – bei Rousseau schloss dies die Frauen jedoch aus.
In den Revolutionen, die Amerika 1783 seine Unabhängigkeit von Großbritannien verschafften und Frankreich von 1789 an erschütterten, spielten Frauen eine aktive Rolle. Inmitten der kollektiven Rufe nach Freiheit und Bürgerrechten begannen auch sie, Rechte zu fordern. In Amerika ermahnte die Frau des zweiten Präsidenten Abigail Adams die Gründungsväter, »die Damen nicht zu vergessen«, die die Revolution unterstützt hatten, und in Frankreich forderte die Theaterautorin und Aktivistin Olympe de Gouges in ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin gleiche Rechte für Frauen und Männer. Unter dem Eindruck der Französischen Revolution veröffentlichte die englische Schriftstellerin Mary Wollstonecraft Die Verteidigung der Frauenrechte, einen Meilenstein der feministischen Literatur, der die häusliche Tyrannei als größtes Hindernis zu weiblicher Unabhängigkeit benannte und den Zugang zu Bildung und Arbeit forderte.
Viele prominente Frauenrechtlerinnen entstammten den privilegierten Klassen. Ab 1800 wurden in Großbritannien und den USA auch Arbeiterinnen politisch aktiv, oft mit den neuen Arbeiterbewegungen. Auch in Teilen der islamischen Welt kamen feministische Ansichten auf. Diese Stimmen wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts noch lauter.
MÄNNER WERDEN FREI GEBOREN, FRAUEN ALS SKLAVEN
FRÜHER FEMINISMUS IN GROSSBRITANNIEN
IM KONTEXT
ZITAT IN DER ÜBERSCHRIFT
Mary Astell, 1706
SCHLÜSSELFIGUR
Mary Astell
FRÜHER
1405 In Das Buch von der Stadt der Frauen errichtet die Französin Christine de Pizan eine symbolische Stadt aus Heroinnen der Geschichte, die die Bedeutung der Frau zeigt.
1589 Die Engländerin Jane Anger verteidigt Frauen und kritisiert Männer in ihrem Pamphlet Jane Anger: her Protection for Women.
SPÄTER
1792 Mary Wollstonecrafts Die Verteidigung der Frauenrechte ruft die Frauen auf, von Männern unabhängig zu werden.
1843 Die schottische Feministin Marion Reid kritisiert in A Plea for Women, dass die Verhaltensnormen der Frau ihre Möglichkeiten einschränken.
Fast 200 Jahre, bevor »Feminismus« ein Konzept wurde, begannen einzelne Frauen die geltende Ansicht, das weibliche Geschlecht sei minderwertig, herauszufordern. Eine der bedeutendsten Stimmen in England war die von Mary Astell. In ihren Schriften äußerte sie, dass Frauen klarer und kritischer Gedanken genauso fähig seien wie Männer. Ihre scheinbare Unterlegenheit sei Folge der männlichen Kontrolle und des begrenzten Zugangs zu Bildung.
Das schwächere Gefäß?
Das 17. Jahrhundert war politisch eine unruhige Zeit, doch der englische Bürgerkrieg (1642–1651) und die Restauration der Monarchie änderten für Frauen wenig. Sie galten als »schwächeres Gefäß« – eine Behauptung, die von christlicher Kirche und Bibel gestützt wurde, der zufolge Eva aus einer Rippe Adams erschaffen war. Die Natur hatte die Frau eben nur zur Ehefrau und Mutter bestimmt.
Doch für nonkonformistische oder andersdenkende Sekten wie die Anabaptisten und Quäker waren Frauen und Männer vor Gott gleich. Frauen durften an den Treffen teilnehmen und sogar predigen. Sie spielten auch bei den Levellers, einer egalitären Bewegung aus dem Bürgerkrieg, eine Rolle, doch deren Forderung nach Ausweitung des Wahlrechts galt nicht für Frauen.
Margaret Cavendish erklärte, sie schreibe, da Frauen im öffentlichen Leben so viel versagt war. In 20 Jahren publizierte sie 23 Werke: Erzählliteratur, Essays, Dramen, Dichtung und Briefe.
Proto-Feministinnen
Allen Schranken zum Trotz wandten sich einige Frauen dem Schreiben zu, um die Minderwertigkeit der Frau zu widerlegen, etwa Bathsua Makin, Autorin von An Essay To Revive the Antient Education of Gentlewomen (1673), und Margaret Cavendish, Duchess of Newcastle, die den Platz der Frau in der Gesellschaft stark kritisierte. In ihren Philosophical and Physical Opinions (1655) klagte sie, dass Frauen »wie Vögel in Käfigen gehalten« wurden, ausgeschlossen von aller Macht und von arroganten Männern verachtet. Dies brachte ihr heftige männliche Kritik ein.
Aphra Behn, 1640 in einfachen Verhältnissen geboren, Reisende, Spionin und Schriftstellerin, lebte als erste Engländerin vom Schreiben. Ihre Dramen verspotteten die männlich dominierte Welt der Literatur und männliches Verhalten. Kritiker fanden sie unsittlich und beschuldigten sie des Plagiats, aber ihr Publikum war begeistert.
»Denn da Gott Frauen wie Männern verständige Seelen gegeben hat, warum sollte es ihnen verboten sein, diese zu bilden?«