Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis. Walter G. Pfaus
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Walter G. Pfaus страница 75
„Aber nur, wenn er Nachschub braucht“, stellte Milo klar.
Gary hob die Augenbrauen. „Ich habe vorhin im Radio gehört, dass dieser radikale Prediger, der die die Morde des Barbier als eine Art göttlicher Bestrafung für Sünderinnen ansieht, heute Abend in der Concert Hall des Hunter College eine Veranstaltung durchführt, die von ein paar ultrakonservativen Gruppen organisiert wird.“
„Sie glauben, Jakes geht dort hin?“, fragte ich.
„Es wäre zumindest möglich! Sehen Sie, der ‚Barbier’ bekommt durch diesen Prediger doch so etwas wie höhere Weihen! Eine Bestätigung dafür, dass die Art und Weise, in der er Sünderrinnen bestraft, gerechtfertigt ist. Unser Täter hat zweifellos ein Gewissen, Jesse! Er hat auch ein Gefühl für Gerechtigkeit und Moral, auch wenn es von unserem erheblich abweichen mag!“
„Insbesondere in der Wahl der Mittel!“, kommentierte Milo.
Gary nickte und fuhr fort: „Der ‚Barbier’ ist in einer verzweifelten Situation. Die Taten haben eigentlich die Funktion, ihn zu entlasten. Aber sie belasten sein Gewissen und er braucht früher oder später eine Rechtfertigung. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Täter dieses Typs sich einem Priester zur Beichte öffnet, vorausgesetzt er ist katholisch und hat einen Bezug dazu. Aber jemand wie Joshua Freed macht seiner Seele eigentlich ein viel attraktiveres Angebot.“
„Dann finde ich, wir sollten uns auf dieser Veranstaltung mal umsehen“, schlug ich vor. „Begleiten Sie uns, Gary?“
„Sicher.“
36
Zusammen mit Dr. Schmitt und den Special Agents Josy O'Leary und Fred LaRocca suchten wir die Concert Hall des Hunter College auf. Diese Schule lag in der Upper East Side.
„Wundert mich, dass man den Kerl hier reden lässt!“, bekannte Milo. „Schließlich ist das doch eine öffentliche Schule.“
„Wahrscheinlich sponsert eine der Organisationen, die hinter Freed stecken, dieser Schule in nächster Zeit einen frischen Anstrich!“, gab ich zu bedenken.
„Nötig wäre so ein Anstrich allerdings.“
Joshua Freed war eine beeindruckende Erscheinung. Er war fast zwei Meter hoch und breitschultrig, sodass die schätzungsweise zwanzig Kilo Übergewicht, die er mit sich herumtrug, gar nicht so sehr auffielen. Der Bart war grau durchwirkt und reichte bis zum Ende des Brustbeines. Das Haar begann am Ansatz etwas schütter zu werden. Es war zurückgekämmt. „Ja, es ist unbequem was ich sage! Es ist für alle die unbequem, die in ihrem Herzen keinen Platz für Gott lassen und sich vollkommen den irdischem Werten verschrieben haben! Es ist unbequem für alle diejenigen, die auf die grelle Schminke der Sünderinnen starren wie Lots Frau auf das brennende Sodom – und dann zur Salzsäule erstarren! Aber hat Gott jemals gesagt, dass er es den Menschen leicht machten will?“
Ungefähr 500 Personen lauschten der sehr charismatisch vorgetragenen Predigt Freeds. Ich sah mehrere Kamera-Teams. Für eine Veranstaltung dieser Größenordung war das öffentliche Interesse außergewöhnlich groß.
„Dieser Kerl scheint endlich gefunden zu haben, was er wohl schon seit längerem vergeblich gesucht hat – ein Publikum nämlich!“, raunte Gary Schmitt mir zu.
„Die Sünde ist überall!“, rief der Prediger. „Und es gibt immer wieder Menschen, die zum Werkzeug Gottes werden. Menschen, die die Sünde mit den Mitteln des Satans bekämpfen, aber dennoch auf der Seite des Guten stehen. Darum rufe ich all den Frauen zu, die sich wie Huren Babylons verkaufen: Hört auf, sodass euch der Todesengel nicht heimsucht! Alles, was euch zustößt, habt ihr euch selbst zuzuschreiben, wenn ihr weiter auf dem Weg der Finsternis wandelt...“
Wir gingen durch die Reihen der Zuschauer. Aber das Licht war sehr gedämpft, sodass man die einzelnen Gesichter nur schwer identifizieren konnte.
Ein Gospelchor begann zu singen und das Publikum stimmte in ein Lied ein.
Joshua Freed sang mit großer Inbrunst.
Die Veranstaltung dauerte gerade mal eine Dreiviertelstunde und ich fragte mich, ob manche aus dem Publikum vielleicht nur deswegen hier waren, weil irgendein Fernsehsender ihnen ein paar Dollars zugesteckt hatte.
Wir postierten uns rechtzeitig in der Nähe des Ausgangs, um die Zuschauer beim Hinausgehen beobachten zu können.
Mir fiel eine junge Frau auf, die ich sofort erkannte.
Donna McNolan!
Ich grüßte sie. Sie wandte den Kopf in meine Richtung und sah mich vollkommen verständnislos an.
Wenig später war sie in der Menge verschwunden.
„Sie scheint einen guten Riecher zu haben, diese Donna McNolan“, meinte Milo.
„Du glaubst, sie hatte denselben Gedanken wie wir?“
„Warum sollte sie sonst hier sein, Jesse?“
Ich sah sie kurze Zeit später noch einmal aus der Menge auftauchen. Sie blickte in meine Richtung und ging dann weiter.
Ich hatte keine Zeit mehr, mich gedanklich mit der Reporterin zu befassen, denn in diesem Augenblick stieß mir Milo in die Rippen.
„Da ist er, Jesse! Randall Jakes!“
|