Die Macht der virtuellen Distanz. Karen Sobel Lojeski
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Bei der Analyse wurde offenkundig, dass jeder dieser Bereiche eine Form der Distanz repräsentierte. Die standortbasierten Herausforderungen bezogen sich eindeutig auf feststehende Distanzen – Unterschiede zwischen Zeit, Ort und Organisationszugehörigkeit im Vergleich zu anderen Teammitgliedern. Wir fassten sie unter dem Begriff physische Distanz zusammen.
Die täglichen Irrungen und Wirrungen, die ständig für Frustration sorgten, beispielsweise zu viele E‐Mails beantworten zu müssen oder das Fehlen eines geteilten Kontexts, erzeugten regelmäßig und wiederholt psychologische Distanz. Wir fassten sie unter dem Begriff operative Distanz zusammen, weil sich die Form, die sie annahm, von einem Tag zum anderen verändern konnte.
Die Beziehungsprobleme entwickelten sich aus einem tief verwurzelten intuitiven Gefühl der Isolation, verursacht durch Risse im kulturellen Wertesystem und in anderen Sozialdynamiken, die verhinderten, dass ein Gefühl der Nähe entstand. Wir fassten sie unter dem Begriff Affinitätsdistanz zusammen.
Wir stellten außerdem fest, dass sich eine Problemkategorie auf viele andere auswirkte und in verschiedenen Kombinationen zutage trat, die je nach Unternehmen und Situation variierten. Deshalb galt es, die Falle zu vermeiden, sie auseinander zu reißen und einzeln zu betrachten, um Dinge wie wachsendes Misstrauen und mangelnde Ziel‐ und Aufgaben‐ oder Rollenklarheit zu erklären. Auf der Grundlage unserer ersten Feldstudien wurde deutlich, dass die Probleme eng miteinander verknüpft waren und in Kombination ein neues Phänomen erzeugten: die virtuelle Distanz. Abbildung 1.3 veranschaulicht das Modell der virtuellen Distanz im Überblick.
Doch die Identifizierung der Probleme sagte noch nichts über die Beschaffenheit oder das Ausmaß der virtuellen Distanz auf die Unternehmensergebnisse, beispielsweise Innovation und Finanzen, aus. Wir zielten darauf ab, eine Methode zu entwickeln, die uns unmittelbar den Weg zu umsetzbaren Lösungen wies. Das führte zur Entwicklung des Index der virtuellen Distanz (Virtual Distance Index, VDI), ein exakt überprüftes und validiertes Verfahren zur Messung der virtuellen Distanz, das einen quantitativen Leistungsvergleich ermöglichte, um herauszufinden, ob die virtuelle Distanz Auswirkungen besaß und wenn ja, welche.
Abb. 1.3: Modell der virtuellen Distanz, Übersicht
Wir stützen uns bei unserer Betrachtung auf einen umfangreichen im Lauf der Zeit entstandenen Datensatz: Er umfasst 1400 Studien, 55 Länder, mehr als drei Dutzend Branchen und Repräsentanten aller Organisationsebenen.
Unser Ergebnis: Unkontrollierte virtuelle Distanz hat negative Auswirkungen auf zentrale Führungsaspekte, den finanziellen Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.
Wie aus Abbildung 1.4 ersichtlich, ist die virtuelle Distanz Ursache direkter und indirekter Veränderungen bei den beiden Unternehmenszielen finanzieller Erfolg und Innovation. Wie wir im vierten Kapitel sehen werden, lassen sich leistungsbeeinflussende Schlüsselfaktoren, beispielsweise Vertrauen, OCB (Organizational Citizenship Behavior), altruistisches Verhalten in der Arbeitsumgebung), Mitarbeiterengagement, Arbeitszufriedenheit, Lernen, Aufgaben‐, Rollen‐ und Zielklarheit, strategische Wirkung und Führungseffektivität erheblich verbessern, wenn die virtuelle Distanz verringert wird. Sie hat die stärksten Auswirkungen auf Vertrauen und OCB der Mitarbeiter, was wiederum zahlreichen weiteren Problemen Vorschub leistet.2
Abb. 1.4: Der Weg der virtuellen Distanz
In unserer ersten Ausgabe präsentierten wir die Formel der virtuellen Distanz. Doch nach vielen zusätzlichen Jahren der Datensammlung haben wir eine Ratio der virtuellen Distanz mit stabilem, exponentiellem Wachstum entdeckt (siehe Abbildung 1.5).
Abb. 1.5: Ratio der virtuellen Distanz
Wie man sieht, sind alle Einflussfaktoren der virtuellen Distanz durch ein mathematisches Größenverhältnis miteinander verbunden. Wir können jetzt nicht nur die Auswirkungen der virtuellen Distanz auf die Unternehmensergebnisse prognostizieren, sondern auch die einzelnen Faktoren berechnen, wenn einer der anderen Faktoren bekannt ist.
Diese mathematischen Exponentialreihen stellen ein noch stärkeres quantitatives Fundament für die zuvor erwähnte Macht der virtuellen Distanz dar.
Doch das ist noch nicht alles.
Die Analyse der virtuellen Distanz ermöglicht prädiktive Lösungen.
Als diese Lösungen in spezifischen Sequenzen angewendet wurden, entsprechend den individuellen Mustern der virtuellen Distanz mit bestimmten Prioritäten versehen, konnten wir nachweisen, dass unsere Empfehlungen rasch wirksame, messbare Verbesserungen erzielten, unter anderem eine erhebliche Optimierung der Bilanzstrukturen, bedeutungsvollere Beziehungen zwischen standortverteilten Teammitgliedern und eine stärkere Motivation, gemeinsam auf geteilte Ziele hinzuarbeiten.
Anmerkungen
1 1 https://www.prnewswire.com/news-releases/labor-day-survey-51‐of‐us‐employees‐overall‐satisfied‐with‐their‐job‐300704255.html
2 2 Wir haben eine sogenannte Pfadanalyse verwendet, um das Modell in Abbildung 1.3 abzuleiten.
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