Dolmetschen in der Psychotherapie. Mascha Dabić

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Dolmetschen in der Psychotherapie - Mascha Dabić Translationswissenschaft

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großer Bedeutung für das weitere Schicksal der KlientInnen gehe. Hale zieht daraus die Schlussfolgerung:

      This suggests that the onus on the community interpreter to perform a high quality job is much greater than a conference interpreter because of what is at stake. Yet community interpreters, with much greater demands than conference interpreters, recieve much lower pay and have little status as professionals. (Hale 2007: 33)

      Dieser Aussage ist grundsätzlich zuzustimmen – die Arbeit der DolmetscherInnen im Kommunalbereich sollte auf jeden Fall besser entlohnt werden – und dennoch gibt es auch einen gewichtigen Einwand gegen die von Hale vorgebrachte Schlussfolgerung: Wie unter 3.3.2.3 festgestellt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass ein qualifizierter Konferenzdolmetscher die sprachlichen Herausforderungen im Bereich des Community Interpreting gut bewältigen kann. Der Umkehrschluss gilt jedoch nicht: die sprachlichen, kognitiven, terminologischen und arbeitstechnischen Anforderungen in der Dolmetschkabine können sehr hoch sein, auch dann, wenn die Dolmetschung bloß Teil einer „Inszenierung“ ist: Es ist die Aufgabe des Dolmetschers in diesem Moment, diese „Inszenierung“ aufrecht zu erhalten, und dazu benötigt er nun einmal das nötige Wissen und Können, sowie auch die nötige Erfahrung – das sind Faktoren, die man bei Community Interpreters nicht voraussetzen kann.

      Eine Zusammenschau relevanter Faktoren des Community Interpreting ist bei Ahamer zu finden (2013: 53-140): Darin setzt sie sich kritisch mit der Problematik des Terminus „Community Interpreting“ in Theorie und Praxis auseinander und geht der Frage nach, wo „laienhaftes“ Dolmetschen aufhört und „professionelles“ beginnt. Ein Ausdruck der mangelnden Professionalisierung im Kommunaldolmetschen ist jedenfalls der Umstand, dass mitunter auch Kinder2 und Jugendliche zum Dolmetschen herangezogen werden – der Hauptgegenstand von Ahamers Untersuchung: Ahamer hat untersucht, wie jugendliche Migranten diese Aufgabe bewältigen, und kommt unter anderem zu folgenden Erkenntnissen: mehrsprachige Kommunikation in öffentlichen Institutionen wird in einem hohen Ausmaß von Kindern bestritten, und das Dolmetschen birgt für die betroffenen Kinder, ihre Eltern und die Institutionen Risiken in sich; zugleich kann das Dolmetschen eine Ressource für die Kinder und Jugendlichen sein, im Sinne der Sprachförderung und als ein positiver Impuls für die Persönlichkeitsentwicklung (2013: 368ff.). Bei psychotherapeutischen Gesprächen kommt es sehr selten vor, dass Familienangehörige als DolmetscherInnen eingesetzt werden, allerdings sind solche Einzelfälle nicht auszuschließen. Beispielsweise kommt es vor, dass in tschetschenischen Familien nicht alle Familienmitglieder der russischen Sprache in einem ausreichenden Maße mächtig sind, um sich über alle für sie relevanten Themen unterhalten zu können. Die Sprechfähigkeit kann auch durch körperliche Verletzungen oder angeborene Sprechschwierigkeiten beeinträchtigt sein – in solchen seltenen Fällen kann es vorkommen, dass eine Person nicht alleine die psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt, sondern mit Hilfe eines nahestehenden Familienmitglieds, unter Umständen eines Jugendlichen. Die Präsenz von quasi zwei DolmetscherInnen im Raum erfordert viel Feingefühl seitens der PsychotherapeutIn aber auch seitens der DolmetscherIn, zum einen um sicherzustellen, dass die Wortmeldungen tatsächlich von derjenigen Person stammen, an welche die Fragen gerichtet wurden (und nicht etwa von dem ad-hoc als DolmetscherIn eingesetzten Familienmitglied), und zum anderen um eine Situation herzustellen, in der alle Beteiligten das Gefühl haben, sich im ausreichenden Maße Gehör verschaffen zu können.

      Auch bei Kadrić et al (2005) ist eine Auseinandersetzung mit der Unterscheidung zwischen professioneller und unprofessioneller Translation zu finden (S. 21ff.). Es wird auf „eine schleichende und systematische Abwertung des Berufs“ (S. 21) hingewiesen, die unter anderem damit zu tun hat, dass zahlreiche Übersetzungen und Verdolmetschungen von Laien angefertigt werden, wodurch sich eine zunehmende Kluft zwischen dem Qualitätsanspruch professioneller TranslatorInnen und der Realität am Markt bildet. Die zunehmende Präsenz von Laien am Markt ist auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen nehmen viele Auftraggeber an, eine Person, die eine Fremdsprache spricht, wäre automatisch imstande zu übersetzen oder zu dolmetschen.3 Zum anderen sind die Honorare im Asyl- und Sozialbereich für professionell ausgebildete DolmetscherInnen nicht attraktiv, da diese in anderen Kontexten wesentlich besser entlohnt werden. Dieses Dilemma ist schwer lösbar, da der Umstand, dass soziale und „helfende“ Berufe tendenziell schlecht entlohnt sind, dazu führt, dass ganze gesellschaftliche Segmente davon betroffen sind, sodass die DolmetscherInnen keine Ausnahme bilden.

      Aus der Tatsache, dass der Dolmetscherberuf nicht geschützt ist und somit professionell ausgebildete DolmetscherInnen neben Laien am Markt vertreten sind und viele AuftraggeberInnen sich dieser Unterscheidung gar nicht bewusst sind, erwachsen Anforderungen an den Berufsstand:

      Der Berufsstand spricht für sich und über sich, er stellt sich selbst dar, indem er seine Werte und Standards, seine Stärken und Kompetenzen, seine Überzeugungen und andere besondere Merkmale, die für den Berufsstand als Ganzes und Besonderes stehen, entwickelt und definiert. Durch die Möglichkeiten, sich als eigenständige und professionell agierende Berufsgruppe in der Gesellschaft zu positionieren und sich damit nicht zuletzt von den Laien klar zu distanzieren und zu unterscheiden, wird auch ein Beitrag zur öffentlichen Bewusstseinsbildung über den Beruf der Translatorin geleistet. (ebda., S. 25)

      „Sich von den Laien klar zu distanzieren und zu unterscheiden“ ist eine nachvollziehbare und notwendige Forderung an einen professionellen Berufsstand, jedoch gilt es zu bedenken, dass in der Praxis – beispielsweise in den von mir untersuchten Traumabehandlungszentren – Laien und Profis Seite an Seite, als gleichberechtigte Mitglieder eines Teams arbeiten. In solchen Zentren ist es im Alltag nicht nur nicht möglich, „sich von den Laien klar zu distanzieren und zu unterscheiden“, es wäre auch nicht wünschenswert, da das Arbeitsklima massiv darunter leiden würde. Berechtigterweise kann man die Frage stellen: Ist es denn nicht ungerecht, dass ausgebildete DolmetscherInnen, die viel Zeit und Mühe in ihre Ausbildung investiert haben, gleich viel verdienen wie Laien? In der Praxis, also direkt vor Ort in den betreffenden Einrichtungen, würde eine solche Frage zahlreiche andere Fragen (nach der Qualitätskontrolle etc.) nach sich ziehen und für Sprengstoff sorgen. Eine Diskussion um eine unterschiedliche, ausbildungsbezogene Entlohnung innerhalb einer Einrichtung, in der die DolmetscherInnen in der Regel gegenseitig für einander einspringen, um Fehlstunden zu vermeiden, was im Grunde bedeutet, dass sie „die gleiche Arbeit“ leisten, bzw. dass ihnen die gleichen Aufgaben „zugemutet“ werden, oder, anders gesagt, dass ihre Arbeitsleistung den KlientInnen und den PsychotherapeutInnen gleichermaßen „zugemutet“ wird, müsste mit sehr viel Taktgefühl geführt werden, um die Entstehung einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ und einer daraus resultierenden „Neiddebatte“ unter den DolmetscherInnen innerhalb einer einzelnen Einrichtung zu verhindern.

      4.1.2 Anforderungen an die DolmetscherInnen im Bereich Community Interpreting

      Welche Anforderungen werden an die DolmetscherInnen im Kommunalbereich gestellt? – Diesem Thema widmet sich Pöchhacker ausführlich (2007: 237ff.), ausgehend von einer breit angelegten Studie in Wiener Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Die Anforderungen an die KommunaldolmetscherInnen unterscheiden sich nicht wesentlich von denen an die KonferenzdolmetscherInnen. Allerdings wird von KommunaldolmetscherInnen erwartet, dass sie gegebenenfalls eine aktivere Rolle einnehmen und, wenn nötig, ihren Beitrag zur Klärung von eventuell auftretenden Missverständnissen leisten. Ein Stichwort in diesem Kontext ist advocacy (Fürsprecherrolle), ein Begriff, der für Kontroversen sorgt (2007: 242).

      Es stellte sich heraus, dass die wichtigste Anforderung seitens der NutzerInnen an die DolmetscherInnen „Diskretion und Verschwiegenheit“ ist, gefolgt von einem „absolut neutralen Verhalten“ (S. 248f.). Es ergibt sich insgesamt das Bild eines komplexen Aufgabenprofils, im Rahmen dessen die DolmetscherInnen nicht „nur“ dolmetschen sollen, sondern auch erklärend zusammenfassen, die Ausdrucksweise des medizinischen Personals vereinfachen und Fachbegriffe erklären sollen. Damit wird den DolmetscherInnen gewissermaßen die Verantwortung auferlegt, sicherzustellen, dass die KlientInnen (PatientInnen) auch tatsächlich alles verstehen.

      Anderson

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