Kubinke im Spinnennetz: Kriminalroman. Alfred Bekker
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Zweieinhalb Stunden dauerte die Fahrt von Rostock nach Berlin. Zumindest, wenn man nach den Angaben des Navigationssystems ging. Tatsächlich saßen die BKA-Kommissare Daniel Grams und Rita Belling bereits seit über sechs Stunden in dem Mercedes-Transporter aus den Beständen der BKA-Fahrbereitschaft. Grams und Belling gehörten zum BKA in Berlin und aus den Beständen der dortigen Fahrbereitschaft stammte auch der Transporter. Damit waren Sie am Vortag nach Rostock gefahren, um eine Ladung beschlagnahmter Jade-Buddhas in Empfang zu nehmen. Mutmaßlich handelte es sich um illegal eingeführte Kunstgegenstände. Aber um das genau beurteilen zu können, war die Expertise eines Sachverständigen notwendig. Und einer der wenigen Fachleute, die sich mit burmesischen Jade-Buddhas auskannte, wohnte im Berliner Speckgürtel.
Da es bei der Rostocker Polizei kein Fahrzeug gegeben hatte, das für diesen Transport geeignet gewesen wäre, hatte das BKA in Berlin aushelfen müssen.
Grams und Belling hatten sich am Steuer abgewechselt. Heute saß die dunkelhaarige Rita Belling hinter dem Steuerrad, während Daniel Grams ziemlich angestrengt auf sein Smartphone blickte.
„Du machst dich nur verrückt, Sören”, sagte Rita Belling.
„Soll ich vielleicht die Hände in den Schoß legen?”
„Nein...“
„Eben!“
„Du kannst sowieso nichts machen, Sören!”
Grams atmete tief durch. „Ich weiß”, gab er zu.
Unterwegs hatten sie von den Ereignissen in Rostock erfahren. Jemand hatte offenbar erfolgreich versucht, das dortige Polizeigebäude in die Luft zu sprengen. Kurz bevor Grams und Belling die Grenze zum Bundesland Brandenburg passiert hatten, hatten sie dann im Radio gehört, dass es ähnliche Anschläge auch in Neubrandenburg und Lübeck gegeben hatte. Seitdem warteten sie beide ungeduldig auf Neuigkeiten.
Natürlich waren sie inzwischen auch offiziell vom BKA in Berlin über die Lage unterrichtet worden, soweit man darüber schon etwas sagen konnte.
„Weißt du, worüber ich schon die ganze Zeit nachdenken muss?”, fragte Grams seine Kollegin, ohne darauf im Ernst eine Antwort zu erwarten. „Wenn wir nicht bereits gestern von Berlin aus nach Rostock gefahren wären, sondern erst heute früh, dann hätten wir ungefähr zu der Zeit, als es dort geknallt hat, bei den Kollegen im Büro eine Tasse Kaffee getrunken und wären mit in die Luft gegangen.”
„Gegen Terroranschläge ist man letztlich machtlos”, meinte Rita Belling. „Es kann jeden treffen. Überall und zu jedem Zeitpunkt.”
„Wenn es ein Terroranschlag war.”
Sie erreichten das Gebäude die Polizei von Potsdam.
„Ziel erreicht”, meinte Rita Belling, nachdem sie einen Parkplatz am Straßenrand gefunden hatten.
Sie stiegen aus.
Wenige Augenblicke später standen sie in der Türnische des Haupteingangs. Belling hatte die Sprechanlage betätigt. Aber anstatt der Stimme eines Kollegen hörten sie von der Straße her den Knall einer ohrenbetäubenden Detonation. Der Transporter, mit dem sie gefahren waren, wurde von der Gewalt der Explosion regelrecht zerrissen und verwandelte sich in einen Feuerball. Überall zerbarsten Fensterscheiben unter der Druckwelle.
Es war die Hölle.
5
„Guten Morgen, Dorothea”, begrüßte ich die Sekretärin unseres Chefs. Rudi und ich waren eigentlich ein paar Minuten zu früh, was allerdings nicht unser Verdienst war. Ich hatte Rudi, wie jeden Morgen an der bekannten Ecke abgeholt. Auf dem Weg bis zum Hauptpräsidium in Berlin gab es eigentlich immer irgendwelche verkehrsbedingten Überraschungen und so tat man gut daran, einen gewissen Zeitpuffer mit einzuplanen. Aber an diesem Morgen war ausnahmsweise mal wirklich alles glattgelaufen. Keine Baustellen, kein Stau und kein Unfall. Diesen Tag musste man sich wohl rot im Kalender anstreichen und vor allem gut in Erinnerung behalten. Denn sehr oft kam das nicht vor.
„Schön, dass Sie etwas eher da sind”, sagte Dorothea Schneidermann. „Sie können gleich weiter ins Büro von Kriminaldirektor Hoch gehen.”
„Da hatte ich mich schon so auf einen kleinen Plausch mit Ihnen gefreut - und Sie schicken mich gleich weiter”, meinte ich gut gelaunt.
Dorothea Schneidermann lächelte verhalten.
„Sie kennen den Chef doch - selbst wenn Sie zu früh sind, ist das für ihn gerade pünktlich.”
„Vielleicht verraten Sie uns schon mal, wo es hingeht”, meinte Rudi. „Nur für den Fall, dass Sie schon Hotels gebucht haben sollten.”
„Rostock, Ostsee”, sagte Dorothea.
Und damit war auch schon klar, um welchen Fall es ging.
Die Anschläge auf die Polizeidienststellen im Norden hatten natürlich in den Medien großes Aufsehen erregt. Spekulationen über einen terroristischen Hintergrund kursierten und angebliche Experten äußerten sich reihenweise in den Medien. Es war anzunehmen, dass keiner dieser Experten mehr wusste, als die Ermittlungsbehörden bisher herausbekommen hatten. Aber das hinderte sie keineswegs daran, so zu tun, als verfügten sie über einen höheren Wissensstand.
Wenige Augenblicke später traten wir in das Büro von Kriminaldirektor Hoch, unserem Chef beim BKA in Berlin.
„Guten Morgen. Schön, dass Sie da sind”, sagte Kriminaldirektor Hoch, während bereits ein Telefon klingelte. Kriminaldirektor Hoch bedeutete uns mit einer Geste uns zu setzen. Dann nahm er den Hörer ab. „Jetzt nicht”, sagte er nur. „Rufen Sie in einer halben Stunde wieder an! Danach habe ich Zeit für Sie.” Kriminaldirektor Hoch legte auf und wandte sich uns zu. „Sie haben sicher schon mitbekommen, dass es im Moment an mehreren Stellen zugleich brennt”, erklärte unser Chef mit ernstem Gesicht, während er sich seine Hemdsärmel hochkrempelte und die Hände anschließend in den tiefen Taschen seiner weiten Flanellhose verschwinden