Psychosoziale Beratung. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Psychosoziale Beratung - Группа авторов страница 20

Psychosoziale Beratung - Группа авторов

Скачать книгу

dieses ungleichen Beziehungsverhältnisses kann der Beraterin besonders in solchen Situationen hilfreich sein, in denen der Klient die Grenzen der Beraterin überschreitet und wegen vorhandener sozialer Defizite die Beratungsbeziehung in Richtung Freundschaft ausweiten möchte. Der Aufbau einer komplementären Beziehungsgestaltung wird in der Beratung und Psychotherapie als sine qua non gesehen. Komplementär wird dabei im Sinne von motivbefriedigend gesehen, indem der Berater das zentrale Motiv (Anerkennung, Wichtigkeit, Verlässlichkeit, Solidarität, Autonomie oder Grenzen) des Klienten befriedigt, das der Klient in den Beratungsprozess hereinträgt (vgl. Sachse 2016).

      Fallbeispiel: Axiom 5

      Ein Klient sagt zu seinem Berater: »Beim letzten Termin haben Sie gesagt, dass Sie es toll finden würden, dass ich wieder mit meinen Freunden zum Fußball unter die Leute gehe. Ich glaube, Sie sind auch ein Fan von der Borussia. Ich finde, wir sollten beim nächsten Spiel zusammen dort hingehen.« Berater: »Ja, in der Tat finde ich es klasse, dass Sie sich wieder unter die Leute trauen. Da haben Sie so einen richtigen Sprung nach vorne gemacht. Weiter so! Es geht Ihnen richtig gut damit und am liebsten möchten Sie, dass ich dabei bin. Ich freue mich, dass Sie sich hier in der Beratung so gut aufgehoben fühlen, ich denke, wir arbeiten hier sehr gut zusammen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Ihr Angebot nicht annehmen kann, denn ich verabrede mich nie privat mit Klienten.« Klient: »Ja, stimmt, das macht ja auch kein Arzt.«

      Schulz von Thun (2005a) baut auf den Axiomen von Watzlawick et al. (1980) auf und postuliert, dass jede Nachricht, die ein Sender bewusst oder unbewusst einem Empfänger zuteilwerden lassen möchte, zugleich vier Aspekte bzw. Seiten eines ›Nachrichtenquadrates‹ impliziert. Die ersten beiden knüpfen direkt an das 2. Axiom von Watzlawick et al. (1980) an und unterscheiden den Sachinhalt (das, worüber gesprochen wird) von dem Beziehungsaspekt (das, was man von seinem Gegenüber hält). Darüber hinaus macht der Sender auch noch eine Selbstoffenbarung (das, was er von sich selber preisgibt) und richtet einen möglichen Appell (das, wozu man sein Gegenüber veranlassen möchte) an den Empfänger. Der Empfänger wiederum hat ebenso vier Möglichkeiten, die Botschaft zu entschlüsseln. Schulz von Thun (2005a) symbolisiert diese durch ein ›Vier-Ohren-Modell‹, mit dem der Empfänger für sich vier Fragen zu klären sucht. Auf dem ›Sach-Ohr‹ geht es um die Frage, wie der Sachverhalt zu verstehen ist, während das ›Beziehungs-Ohr‹ die Botschaft danach abklopft, was der Sender von ihm hält bzw. wie er ihn behandelt. Demgegenüber konzentriert sich das ›Selbstoffenbarungs-Ohr‹ darauf, was die Nachricht über den Sender aussagt und schließlich klärt der Empfänger mit dem ›Appell-Ohr‹ für sich ab, wozu der Sender ihn auffordern möchte. Die Komplexität menschlicher Kommunikation wird besonders deutlich, wenn man das ›Nachrichtenquadrat‹ und das ›Vier-Ohren-Modell‹ in eine zweidimensionale Matrix überträgt (image Tab. 3.1). Lediglich bei vier der 16 möglichen Kombinationen gibt es eine Symmetrie zwischen dem Sender und dem Empfänger, die Ebene, die der Sender intendiert, wird auch vom Empfänger aufgegriffen. Wenn z. B. der Sender die Beziehungsebene anspricht, dann konzentriert sich der Empfänger ebenfalls auf die Beziehungsebene, unabhängig davon, dass immer auch auf den anderen Ebenen gesendet und empfangen wird.

Images

      Sender: ›Nachrichten-quadrat‹Empfänger: ›Vier-Ohren‹

      Eigene Darstellung

      Wie im Alltagsleben ergibt sich aus dieser Matrix auch für die Gestaltung einer professionellen Beziehung in der psychosozialen Beratung eine äußerst komplexe Kommunikationssituation, die erklärt, warum es zwischen Berater und Klientin zu unterschiedlichen Bewertungen des Beratungsprozesses kommen kann. Selbst wenn der Empfänger die Botschaft mit dem ›Ohr‹ empfängt, das der Sender auch erreichen möchte (z. B. Sachinhalt und ›Sach-Ohr‹), ist eine Filterung der Nachricht durch den Empfänger bis hin zu einem Missverständnis nicht ausgeschlossen. Ausgeprägte Kommunikationsprobleme sind jedoch wahrscheinlich, wenn der Empfänger immer nur auf einem ›Ohr‹ hört oder auf einem bestimmten ›Ohr‹ eine überzogene Sensibilität entwickelt hat. So kann z. B. der Berater den Wunsch haben, einer Klientin eine Information zu geben, während die Klientin diesen Sachinhalt ausschließlich auf der Beziehungsebene so deutet, dass der Berater sie belehren möchte. Die Gestaltung einer professionellen Beziehung hängt nun davon ab, wie gut der Berater in der Lage ist, klare Botschaften zu senden, zu antizipieren, ob die Klientin vielleicht eine gewisse Präferenz für ein bestimmtes ›Ohr‹ hat und Missverständnisse durch die Asymmetrie zwischen der Nachricht und dem ›Empfängerohr‹ klären kann.

      Fallbeispiel: Sender und Empfänger

      Die 16-jährige Marita wird gegen ihren Willen von ihren Eltern zur Erziehungsberatung gebracht. Im Beratungszimmer nimmt sie Platz, dreht aber der Beraterin den Rücken zu und sagt auch auf freundlich vorgebrachte Fragen nichts. Hier wird besonders deutlich, dass das Axiom »Man kann nicht nicht kommunizieren« zutrifft, denn: Die Beraterin empfängt den Appell »Lass mich bloß in Ruhe«, die Beziehungsaussage »Mit dir will ich nichts zu tun haben« und die Selbstoffenbarung »Ich lass’ mich doch von meinen Eltern nicht zwingen!« Hieraus kann die Beraterin ableiten, dass es wenig sinnvoll ist, Marita weiter zu drängen. Sie entschließt sich, auf die von ihr wahrgenommene Selbstoffenbarung zu reagieren und sagt »Na das kann ich mir vorstellen, dass du sauer auf deine Eltern bist, wenn die dich hier hin zwingen und dass du dir das nicht gefallen lassen willst. Da würde ich wahrscheinlich auch nichts sagen wollen.« Durch diese Äußerung der Beraterin fühlt sich Marita von ihr in ihrer Selbstaussage verstanden. Gleichzeitig merkt sie, dass auch ihr Appell ankommt (die Beraterin fragt sie nicht und drängt sie nicht) und dass die Beraterin die Beziehungsaussage akzeptiert und verstehen kann. Sie entspannt sich etwas und dreht sich um, sodass sie die Beraterin mal in Augenschein nehmen kann … »Die sieht gar nicht so blöd aus«, denkt sie. Und dann wagt sie einen Vorstoß, um zu schauen, wie die Beraterin reagiert. Sie sagt »Und glauben Sie mal ja nicht, dass das das erste Mal wäre, dass die Eltern einfach ignorieren, was ich will.«

Images

      Viele Beschwerden, die Klienten in die psychosoziale Beratung führen, sind interpersoneller Natur (Horowitz 1994, Horowitz et al. 1984) und können sich auch auf die Interaktion zwischen Beraterin und Klient auswirken. Für die Einschätzung des Verhaltens des Klienten dem Berater gegenüber hat sich das interpersonale Kreismodell von Leary (1957) bewährt, das durch zwei Dimensionen gebildet wird: ›Zuneigung‹ (Extreme: Zuneigung vs. Abneigung) und ›Dominanz‹ (Extreme: Dominanz vs. Unterwerfung). Die Bezeichnung der Achsen erfolgt der Tradition nach von A bis P beginnend bei zwölf Uhr mit PA, BC, DE usw. (image Abb. 3.1). Bei einem dominanten Klienten z. B. wird der Berater andere Schwerpunkte in der Gestaltung der professionellen Beziehung setzen als bei einem Klienten, der durch extrem unterwürfiges Verhalten auffällt. Darüber hinaus hilft das Kreismodell auch dem Berater, mögliche eigene Gegenreaktionen (Gegenübertragung) abzufedern, die ohne professionelle Reflexion in eine ›Beziehungsfalle‹ führen könnten. Noch deutlicher kann der Berater mögliche ›Beziehungsfallen‹ erkennen, wenn in das Kreismodell von Leary (1957) noch zusätzlich die acht Kommunikationsstile projiziert werden, die Schulz von Thun (2005b) idealtypisch vorgestellt hat. Man kann sich leicht vorstellen, dass der Kontakt zu einem ›aggressiv-entwertenden‹ Klienten andere Reaktionen beim Berater

Скачать книгу