106. Ausgabe der allmende – Zeitschrift für Literatur. Группа авторов

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Da ist es doch durchaus möglich, einen Nachmittag zu verbringen.

      E: Es gibt immer noch einen ganz massiven Unterschied zwischen diesem online-Gezanke und dem persönlichen Kontakt. In dem Augenblick, wo du einem Menschen gegenüberstehst, würde ich sogar behaupten, dass man sich heute in den Diskussionen weniger den Schädel einschlägt, sondern lieber sagt: Dann gehen wir auf keinen Kaffee mehr.

      K: Wir werden aber in jedem Fall weiterhin miteinander auf einen Kaffee gehen. Danke, dass Ihr Euch Zeit genommen habt.

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      VEA KAISER, geboren 1988 in St. Pölten, studierte Klassische Philologie (Schwerpunkt Altgriechische Dichtung) und veröffentlichte bisher drei Romane, zuletzt: Rückwärtswalzer oder Die Manen der Familie Prischinger (2019).

       www.veakaiser.de

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      CLEMENS BERGER, geboren 1979 in Güssing, studierte Philosophie und Publizistik. Er veröffentlichte zahlreiche Erzählungsbände, Essays, Theaterstücke und sechs Romane, kürzlich erschien sein Roman Der Präsident (2020).

       www.clemensberger.at

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      MARS ELSBERG, geboren 1967 in Wien, zählt seit seinem 2012 erschienen Thriller Blackout. Morgen ist es zu spät zu den meist verkauften deutschsprachigen Autoren. Zuletzt erschien der Thriller Gier – Wie weit würdest du gehen? (2019).

       www.marcelsberg.com

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      URSULA POZNANSKI, geboren 1968 in Wien, schrieb zahlreiche Kinder- und Jugendbücher, die bei den Leser*innen euphorische Begeisterung auslösen. Zuletzt erschienen der Thriller Vanitas. Grau wie Asche und die Dystopie Cryptos (2020).

       www.ursula-poznanski.de

      JAN WAGNER

      de vita caroli quarti

       »Herr, steht auf, der jüngste Tag bricht an, denn die ganze Welt ist voller Heuschrecken!«

      wir ritten bis nach pulkau, um das ende

      der welt nicht zu verpassen, und schon mittags

      fiel nacht auf uns herab – als würde

      alles was ist in einen sack gesteckt,

      verschnürt. von fernher drang das fiepen

      der glocken aus den dörfern zu uns durch.

      ein lärm, der jedes selbstgespräch

      erstickte, jedes stoßgebet, ein tosen,

      ein schwarzer schneesturm, selbst als schon ein teil

      gelandet war (wenngleich der himmel

      nicht wiederkehrte) – wie das kratzen

      von tausenden von federn auf papier,

      ein rasendes skriptorium. die pferde,

      bis zu den knien in insekten, wiehernd,

      und diese selbst ein staunenswertes uhrwerk

      dem hunger, eine gierige mechanik.

      wir standen ratlos da,

      jeder von uns geplündert wie ein rom.

      ob da noch vögel waren? keine vögel,

      kaum licht. und jedes schwein und jeder köter,

      der sie zu fressen wagte, in sich aufnahm,

      krepierte binnen stunden.

      drei jahre wird es gehen.

      drei jahre mit dem krachenden harsch

      von flügeln unter den füßen und von panzern,

      die ganze schöpfung gegen uns gerüstet,

      ein lebendes kettenhemd auf jedem

      feld, herr. sie vermehren sich des nachts

      wie dunkle wünsche, unnatürliche

      gedanken; wir erheben uns am morgen,

      kahl wie die erde, wie geschändet, herr.

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      JAN WAGNER, geboren 1971 in Hamburg, studierte Anglistik in Hamburg, Dublin und Berlin. Sein erster Gedichtband erschien 2001. Im gleichen Jahr wurde er mit dem Hermann Hesse Förderpreis ausgezeichnet. Für seinen Gedichtband Regentonnenvariationen wurde er mit dem Preis der Leipziger Buch messe (2015) geehrt. Mit dem Büchner-Preis 2017 erhielt der Essayist, Herausgeber, Übersetzer und Lyriker Jan Wagner die angesehenste Auszeichnung der deutschsprachigen Literatur. 2018 erschien von ihm Die Live Butterfly Show. Zusammen mit Tristan Marquardt publizierte er die Minnesang-Anthologie Unmögliche Liebe (2017), zusammen mit Federico Italiano die Anthologie Grand Tour. Reisen durch die junge Lyrik Europas (2019). Seit 1995 lebt Jan Wagner in Berlin.

       www.jan-wagner-lyrik.de

      BERNHARD PÖRKSEN

      Zivilisationstest

      Die Corona-Krise liefert Antworten auf die Zukunftsfrage der Menschheit: Wie lernen Kulturen? Ein Essay*

      Was geschieht eigentlich gerade, jetzt, im Moment einer vor sich hin rasenden Gegenwart? Wie ist die Stimmung, das Lebensgefühl? Vor einigen Jahren schrieb die Journalistin Iris Radisch über den Schriftsteller Walter Kempowski einen bemerkenswerten Essay, der geeignet ist, die aktuelle Situation schlagartig zu erhellen. »Walter Kempowski saß 1948 hungrig und beschmutzt in einem Güterwaggon, der ihn, von einem sowjetischen Militärgericht zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, nach Bautzen bringen sollte«, so war hier zu lesen. »Bei einem Halt beobachtet er durch eine Ritze im Bretterverschlag ein spazierendes Ehepaar, sie im Blümchenkleid, er in Knickerbockern, sorglos im Sonnenschein. Das hat ihm den Schock von der Gleichzeitigkeit des Unvereinbaren versetzt. Wie viel Glück und Unglück, Harmloses und Tragisches, Lebensbedrohendes und Idyllisches stapeln sich in jeder Weltsekunde aufeinander!«

      Diesen Schock von der Gleichzeitigkeit des Unvereinbaren erleben wir heute. Alles ist gleichzeitig sichtbar, rivalisiert auf ein und demselben Kommunikations kanal. Die seriöse Information in Form der täglichen Drosten-Dosis. Die irrwitzige Verschwörungstheorie. Die bemühte Positiv-Meldung. Die Horrorgeschichte von den reichen Russen, die ihren Landsleuten prophylaktisch

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