Inklusion und Qualifikation. Группа авторов

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ihrer sozialen Umwelt zuwenden. Das Verlangen nach Mitwirkung und Kooperation zeigt sich von Anfang an. Sowohl einseitige auf Fürsorge und Schutz ausgerichtete Bedingungen in den Einrichtungen als auch romantische Erziehungsvorstellungen – die in Kindern die kompetenten Akteurinnen und Akteure sehen, welche sich von selbst bilden (vgl. Baader 2004) – vernachlässigen die Bedeutung von Bildungsteilhabe und Partizipation. Denn erst diese führen dazu, dass Kinder nicht mehr nur an eine bestimmte soziale Gruppe (Familie u. a.) gebunden sind, sondern die Grenzen der sozialen Herkunft überschreiten können (vgl. Oelkers 2009). Dewey hat bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts danach gefragt, welche Bedingungen die Erziehung in einer pluralen Gesellschaft erfüllen muss (vgl. ebd.). Wesentlich dafür schien ihm in einer demokratischen Gesellschaft die Offenheit für den sozialen Wandel. Nicht festgelegte Konzeptionen, sondern Erfahrungen und Impulse, die über Bestehendes hinausgehen, sieht er als wesentliche Triebfedern für Entwicklung. Bildung und Demokratie hängen für ihn daher zusammen. In Bildungsinstitutionen muss die Grundidee der Demokratie erfahrbar sein. Sie ist für ihn in erster Linie eine Lebensform, die auf Beziehung und Interaktion basiert, um unterschiedliche Interessen, aber auch gemeinsame Ziele auszuhandeln (vgl. ebd.). Als genuiner Ort dafür gilt das Spiel mit den Peers (vgl. Heimlich 2015, 2017). Die Offenheit für die frühen Kommunikationsangebote der jungen Kinder sind grundlegende Erfahrungsräume für Resonanz und Einflussnahme auf die soziale Welt und damit für Bildungsteilhabe und Partizipation (vgl. König 2020b). Diese Handlungsmöglichkeiten junger Kinder vor dem Hintergrund einer Pädagogik der Vielfalt zu reflektieren, ist Voraussetzung für die Umsetzung von inklusiven Bildungsangeboten in Kindertageseinrichtungen.

      1.2 Qualifizierung für Inklusion

      Die Qualifikation des pädagogischen Personals hat eine Schlüsselfunktion, um eine sensible und responsive Bildung und Erziehung umzusetzen, denn Bildung ist gekoppelt an die Bedingtheit der sozialen Beziehungen. Den Interaktionen mit Fachkräften und Peers in den Einrichtungen kommt daher eine große Bedeutung zu. Diese Erkenntnis wird heute durch die Gewissheiten der empirischen Bildungsforschung unterstützt (vgl. Anders 2019; Honneth 2012; Siraj et al. 2016) und löst Bildungsansätze ab, die in der Frühpädagogik lange Zeit auf eine organische Entwicklung gesetzt haben – wie u. a. auch die Bildungsphilosophie von Fröbel (vgl. Oelkers 2009), aber auch die Sozialisationsvorstellung der 1970er Jahre (s. o.).

      Die Kernberufsgruppe in Kindertageseinrichtungen, die diese Ansprüche erfüllen sollen, sind staatlich anerkannte Erzieherinnen und Erzieher. Sieben von zehn pädagogischen Fachkräften können heute eine solche Ausbildung vorweisen (vgl. Autorengruppe Fachkräftebarometer 2019). Nur sechs Prozent der pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen verfügen über einen akademischen Abschluss (vgl. ebd.). Trotz der starken Expansion in den letzten Jahren weist das Qualifikationsgefüge in den Einrichtungen eine hohe Stabilität auf. Nur ca. zwei Prozent des Personals sind in der Kindertageseinrichtung ohne Ausbildung (vgl. ebd.) als zusätzliche Kräfte tätig.

      Im Folgenden wird auf die Ausbildung zum Erzieher bzw. zur Erzieherin näher eingegangen, da diese Berufsgruppe noch immer als Grundqualifikationsprofil in den Kindertageseinrichtungen anzusehen ist. Die Ausbildung wird an staatlichen Fachschulen für Sozialpädagogik vollzeitschulisch erworben. Sie unterliegt nicht dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Handwerksordnung (HwO), sondern untersteht der Länderhoheit und orientiert sich an Beschlüssen der Kultusministerkonferenz (KMK). Die Erzieher-bzw. Erzieherinnenausbildung ist eine generalistische Ausbildung, die auf der Fachschulebene verortet, eigentlich eine Weiterbildung, vergleichbar mit dem Meister oder Techniker in der technischen Berufsbildung. Sie qualifiziert für sozialpädagogische Arbeitsfelder: Kindertageseinrichtungen, Kinder- und Jugendarbeit, Hilfen zur Erziehung und für sozialpädagogische Tätigkeiten in der Schule. Darüber hinaus legt sie für die pädagogische Arbeit mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen den Grundstein. Leitend ist für die Ausrichtung der Ausbildung zum einen der allgemeine Beschluss der KMK vom 07.11.2002 i. d. F. vom 10.09.2020 zu den Fachschulen (soziale, pflegerische, technische und betriebswirtschaftliche Berufe); hier findet sich unter dem Schlagwort Inklusion aber kein Eintrag (siehe auch Heimlich 2013b). Dieser Befund ist erstaunlich und zeigt zugleich den Sonderstatus, den die Fachschulen gegenüber den allgemeinbildenden Schulen genießen (vgl. KMK 2011). Zum anderen orientieren sich die Länder inhaltlich an dem Kompetenzorientierten Qualifikationsprofil für die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern an Fachschulen und Fachakademien (Beschluss der KMK vom 01.12.2011 in der jeweils gültigen Fassung) (vgl. KMK 2020). Inklusion wird mit dem Qualifikationsprofil als Querschnittsaufgabe unabhängig von der Beschreibung von Handlungsfähigkeiten in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern ausgewiesen. Wie Heimlich bereits 2013 konstatiert, »wird eine detaillierte Kompetenzbeschreibung für diesen Bereich [noch] offengelassen« (Heimlich 2013b, S. 16). Eine Studie von Haude & Volk (2015) zur Analyse der Ausbildungsstrukturen frühpädagogischer Fachkräfte aus der Perspektive von Diversity Education legt anhand von Dokumenten- und Interviewanalysen offen, dass in den Ausbildungen eine Pfadabhängigkeit zur gesunden Normalentwicklung besteht (vgl. Haude & Volk 2015). Die Autorinnen lösen aus den Lehrplänen eine Differenzierung von normal vs. besonders heraus. Dabei heben sie auch hervor, dass »das zu erlernende (früh-)pädagogische Handeln in der Aneignung von Kompetenzen für die Beobachtung, für die Entwicklungs- und Unterstützungsdiagnostik und im Erlangen von Wissen über Fördermethoden sowie Präventionsarbeit und deren Anwendung« (ebd., S. 75) besteht. Inklusion gilt es zu fördern, zu unterstützen und als Querschnittsaufgabe zu bearbeiten. Inklusive Bildung und Erziehung ist aber keine Querschnittsaufgabe, sondern kann nur als Kern der Pädagogik Bedeutung erwirken (vgl. Heimlich 2013b).

      Seit der Einführung der UN-BRK hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mehrere Förderlinien ausgeschrieben, um die Aus- und Weiterbildung im Bereich Inklusion zu stärken. Im Schulbereich zählen dazu die umfangreichen Förderungen im Rahmen der Qualitätsoffensiven Lehrerbildung (QLB). Im Elementarbereich hat insbesondere das bundesweite Projekt Weiterbildungsinitiative frühpädagogischer Fachkräfte (WiFF) Akzente im Bereich der Aus- und Weiterbildung gesetzt. Das Projekt zeichnet sich durch empirische Forschungszugänge aus, agiert aber auch als Plattform (abrufbar unter: https://www.weiterbildungsinitiative.de/). Diese hat in den mehr als zehn Jahren ihres Bestehens ein bemerkenswertes Netzwerk im System der Kindertagesbetreuung aufgebaut (vgl. König 2020a). Die Plattform initiiert unterschiedliche Experten- und Expertinnengruppen für das Handlungsfeld Frühpädagogik, in denen Erkenntnisse und Entwicklungen aus unterschiedlichen Ebenen (Fachpraxis, Ausbildung, Wissenschaft, Administration und Fachpolitik) zu speziellen Themengebieten geteilt und diskutiert werden. In sogenannten Wegweisern für die Weiterbildung wird der Wissenstand aus Expertisen (u. a. Heimlich 2013a) und Experten- bzw. Expertinnengruppen zusammengetragen und kompetenzorientiert für die berufliche Weiterbildung aufbereitet. Der Zugriff auf die Materialien ist barrierefrei (kostenfrei) und hat so zu einer enormen Dissemination der Publikationen und Diskussionen beigetragen. Zum Schwerpunktbereich Inklusion wurden Wegweiser zu den Heterogenitätsdimensionen Behinderung, Kultur, Sprache, Armut sowie Teilhabe und Partizipation vorgelegt, insbesondere durch WiFF und das Deutsche Jugendinstitut (DJI) (abrufbar unter: https://www.dji.de/index.php?id=1226).

      Dass in der Frühpädagogik ein anderer Weg gewählt wurde als z. B. in der Schule – wo die QLB neue Impulse in der Hochschullandschaft gesetzt hat, könnte auch an der Systemdifferenz von Elementarbereich und Schule liegen. Bis heute gibt es eine Kluft zwischen Forschung und Wissenschaft und der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte. Die Einheit von Forschung und Lehre ist mit dem System der Fachschulen nicht gegeben und der Wissenstransfer aus Forschung und Wissenschaft gilt derzeit als größte Herausforderung in diesem Sektor. Denn hinsichtlich der enormen Veränderungsprozesse, mit denen dieser Bereich im Zuge des sozialen Wandels konfrontiert ist, fehlt es nach wie vor an Orientierungswissen in der Praxis. Dissemination wurde hier an die Weiterbildungsbereitschaft geknüpft, die als Kern des Selbstverständnisses frühpädagogischer Fachkräfte beschrieben wird (vgl. König & Buschle 2017). Der Weiterbildungsmarkt gilt zwar als relativ unübersichtlich, anhand der Analyse von 4000 Weiterbildungsangeboten

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