Kinder- und Jugendbuchverlage. Ulrich Störiko-Blume

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Kinder- und Jugendbuchverlage - Ulrich Störiko-Blume BRAMANNBasics

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Bücher von literarischen Autoren gekauft, versetzen sich lesende Kinder in das Leben von Gleichaltrigen auf der Flucht aus ihrem vom Krieg erschütterten Heimatland, werden Augen und Sinne geöffnet für die Schönheit und Verletzlichkeit unseres Planeten, wird gelacht und geweint. Verlage sind nicht zum Verhindern von Publikationen da – so wird das ja oft von abgelehnten Manuskripteinsendern dargestellt. Verlage wählen aus, in der Regel aus guten Gründen. Und die Buchhandlungen wiederum stellen aus deren Programmen ihr – ebenfalls ausgewähltes – Sortiment zusammen.

      Ein Markt lässt sich verstehen als ein Ort, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. »Der Markt liest nicht« hat der frühere Hanser-Verleger Michael Krüger einmal zutreffend formuliert. Hans-Joachim Gelberg, Gründer und langjähriger Leiter von Beltz & Gelberg, hat sinngemäß gesagt: Bücher werden nicht geschrieben, weil es einen Markt gibt, sondern weil Autoren etwas mitzuteilen haben.

      Markt ist, wo das Angebot der Schreibwilligen auf die Nachfrage der Lesewilligen trifft. Jeder kann schreiben, was er will. Jeder kann drucken lassen, was er will. Jeder kann heute als Self-Publisher (siehe Kap. 2.4) ins Netz stellen, was er will. Zum Glück haben wir diese für ein demokratisches Gemeinwesen konstitutive Freiheit (sofern dabei die Gesetze respektiert werden). Aber nur, weil das Verbreiten von Büchern so einfach geworden ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man die Veröffentlichung jeder beliebigen Schrift durch jeden beliebigen Autor begrüßt.

      Redaktionen, Verlage und Lektorate haben eine Filterfunktion; sie prüfen und wählen Autoren und Beiträge aus, […] und entscheiden nach kognitiv überprüfbaren Geltungsansprüchen über die Veröffentlichung. (Habermas 2020, 106)

      Früher wie heute verlegen Verlage Bücher nicht einfach deshalb, weil ein Verfasser das so will oder gar dafür bezahlt. Niemand jenseits seines persönlichen Umfelds wird solche nur privat motivierten Schriften lesen wollen; das ändert sich auch nicht deshalb, weil sie im Internet im Prinzip jedermann leicht zugänglich zu machen sind. Eine Aufgabe von Verlagen ist es, den geprüften und lektorierten Büchern ihre Chance zu verschaffen – und die Leserschaft (und den Buchhandel) vor chancenlosen, schlecht geschriebenen, abseitigen und überflüssigen Büchern zu bewahren.

      Es gibt keine universalen Rezepte, keine verbindlichen Regeln oder gar Vorschriften, wie ein Verlag zu führen ist. Der Stil eines Verlages lässt sich daran erkennen, wie er mit dem ewigen Widerspruch von Kunst und Kommerz umgeht. Es droht ein Übergewicht des kommerziellen Denkens, wenn Lektorate immer mehr zum Produktmanagement mutieren; wenn Verkaufszahlen das eigene Urteil ersetzen; wenn gefordert wird, #Kalkulationen statt Buchkonzepte zu optimieren. Und man wird auf Dauer nicht bestehen, wenn man durch zu aufwändige interne Prozesse seine Kosten nicht in den Griff bekommt oder aufgrund von Marktferne Bücher anbietet, die sich nicht in ausreichenden Stückzahlen verkaufen.

      Wenn ein Verlag sich für eine Buchidee entschieden hat, übernimmt er die Kosten, diese in Form zu bringen und zu vervielfältigen. Dafür geht er ein – häufig erhebliches – Risiko ein. Oft genug geht es schief. Man riskiert nur aus wenigen Gründen etwas: aus Ahnungslosigkeit, aus Übermut, aus Leidenschaft oder aus Kalkül. Gute Verlage werden in einer Kombination von Leidenschaft und Kalkül betrieben.

      Auch KJBV haben einen Doppelcharakter als Wirtschaftsunternehmen und als Kulturträger. Unter Verwendung dieser einfachen Bipolarität kann man die unterschiedlichen Verlage mal eher auf der kulturellen, mal eher auf der kommerziellen Seite angesiedelt sehen. Was es allerdings nicht gibt, sind einbeinige Extreme. Professionell verlegen heißt also genauer: ausgewählten Büchern Chancen verschaffen.

      1.2

      Kinder brauchen Bücher

      Diese These, die sich auch als Forderung verstehen lässt, ist der Titel einer berühmten Studie von Bruno Bettelheim. Sie trägt den Untertitel Lesen lernen durch Faszination und drückt die gleiche Grundüberzeugung aus, in der auch das vorliegende Buch geschrieben wurde. Bettelheims Werk wurde nach jahrelangen Studien des Psychologen und seiner Mitarbeiter in US-amerikanischen Schulen geschrieben. Zur Zeit dieser Untersuchungen war die einzige Form, Bücher anzuschauen oder zu lesen, das auf Papier gedruckte Buch. Um Geschichten zu lesen, musste man Bücher lesen. Deshalb konzentrieren sich Bettelheims Überlegungen darauf:

      Erlebt es [das Kind, Erg. d. Verfassers] das Lesen als etwas Interessantes, Wertvolles und Erfreuliches, so wird ihm die Mühe, die das Lesen lernen kostet, im Vergleich zu den Vorteilen, die es einbringt, kein zu hoher Preis sein. Es ist ziemlich einfach, dem Kind diesen Eindruck zu vermitteln, falls man dabei von seinem Elternhaus unterstützt wird. (Bettelheim 1982, 14)

      Die Bedeutung des Lesen-Könnens

      Was ist Lesen? Man tut gut daran, sich die einmalige und unersetzliche Bedeutung des Lesens immer wieder klarzumachen. Durch das Entziffern der abstrakten Codes, die wir Buchstaben nennen, entstehen beim Leser Vorstellungen, sinnhafte Bilder, Gedanken, Zusammenhänge, Abläufe, Emotionen. Ein komponiertes, gestaltetes Ganzes solcher Codes erzeugt Eindrücke in unserem Innern, die sich z.B. zu einer Geschichte zusammensetzen.

      Im Gegensatz zu seinen Komponenten, wie Sehen und Sprechen, die genetisch organisiert sind, existiert für das Lesen kein unmittelbares genetisches Programm, das es an zukünftige Generationen weitergibt. […] Dies ist ein Grund, warum sich das Lesen – wie jede kulturelle Erfindung – von anderen Prozessen unterscheidet und warum es unseren Kindern nicht ganz von selbst in den Schoß fällt. (Wolf 2009, 13)

      Bücher kann man nicht passiv in sich aufnehmen – Lesen ist ein aktiver Prozess, der die gesamte Aufmerksamkeit des Lesenden erfordert. Wenn man das einmal in seinem Gehirn zu synthetisieren gelernt hat, steht einem eine Welt offen. So wie ein Radfahrer entscheiden kann, wohin und wie schnell er fahren möchte, kann der Leser entscheiden, was und in welchen Portionen er lesen will. Die ganze Welt (soweit sie aufgeschrieben und publiziert wurde), wird lesbar; Gedanken, Erfahrungen, Gefühle und eben Geschichten werden auf eine ganz persönliche Rezeptionsweise verfügbar.

      »Das Verb lesen duldet keinen Imperativ. Eine Abneigung, die es mit ein paar anderen teilt: dem Verb lieben, dem Verb träumen

      Daniel Pennac, Wie ein Roman

      Lesen-Können ermöglicht Kindern den Zugang zu erheblichen Teilen der Welt, die vor dem Erwerb dieser Fähigkeit den Erwachsenen vorbehalten waren. Lesen ist ein Universalschlüssel zum Entziffern von allem, das schriftlich vorliegt, nicht nur von Büchern. Wenn dieses Tor einmal aufgeschlossen ist, eröffnen sich grenzenlose Räume des Lesbaren.

      Der Prozess dahin ist allerdings mühsam, es ist wie alles wirkliche Lernen mit Anstrengung verbunden – aber auf die Mühe folgt auch die Belohnung.

      Haben die Kinder erst einmal alle Buchstaben und Entzifferungsregeln gelernt, das verborgene Leben der Wörter erfasst und die verschiedenen Verständnisprozesse ins Rollen gebracht, kann die Erfahrung, dass das Lesen Gefühle hervorrufen kann, in ihnen eine lebenslange, leidenschaftliche Liebe zum Lesen wecken und sie zu kompetenten, verstehenden Lesern machen. (Wolf 2009, 158)

      Somit kommt die Entwicklungspsychologin und Literaturwissenschaftlerin Maryanne Wolf zum gleichen Befund wie Bruno Bettelheim ein halbes Jahrhundert zuvor.

      Die allermeisten Kinder erlernen in unserer Gesellschaft die Technik des Lesens. Wenn sie endlich lesen können, erfüllt es die Kinder in der Regel mit einem ähnlichen Glücksgefühl, wie wenn sie endlich Fahrrad fahren oder schwimmen können. Wenn es jedoch versäumt wird, bei einem Kind diese Leistung mit Glücks-Empfindungen, auch ›Flow‹ genannt, zu verbinden,

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