Herzstücke in Oberbayern. Christine Metzger
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Gotzinger Trommel · Mi–So 11–24 Uhr · Gotzing 1 · 83629 Weyarn · Tel. 08020/17 28 www.gotzinger-trommel.de
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LUFTTÜRME STATT ALMHÜTTEN
Was sind Lufthütten? Luftschlösser für Arme? Nein, es sind Produkte der Reformbewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die den »zivilisationsgeschädigten« Menschen heilen wollte. Der Weg hieß »Zurück zur Natur«, und dabei sollte auch der Körper mit Licht und Luft in Berührung kommen.
Licht und Luft – beides fehlte den Menschen, die in den durch die Industrialisierung zunehmend verschmutzten Städten lebten. Beides galt als Heilmittel und wurde ab 1850 zu Therapiezwecken eingesetzt. Richtungsweisend war dabei der Schweizer Arnold Rikli: In seinem Sanatorium lebten die Menschen in einfachen, offenen Hütten, wo sie ihre unbekleideten Leiber Licht und Luft aussetzten. Dass der Körper über die Hautatmung Krankheitsstoffe ausschied, ist zu bezweifeln, aber für einen Zivilisationsgeschädigten war diese primitive Lebensform wohl adäquat, um ihn ohne Umwege zurück zur Natur zu schicken. Auch Burgi von Mengershausens Urgroßvater gehörte der Naturbewegung an. 1904 eröffneten der Arzt und seine Frau in einem Anwesen aus dem 16. Jahrhundert eine »physikalisch-diätetische Heilanstalt«, in der sie boten, was auch heute wieder angesagt ist: Naturheilkunde, Bewegung, Fasten- und Kneippkuren.
Almhütten hätten einige im Gemeinderat favorisiert, als es um den Umbau des Sanatoriums zum Hotel ging. Eine Mammutaufgabe, die Burgi von Mengershausen und ihr Partner meisterten: das Erbe des Urgroßvaters erhalten und in Einklang mit modernen An- und Zubauten bringen. Die Almhüttenidee hätte mehr Platz gebraucht und mehr Landschaft verbaut. So griff Architekt Florian Nagler die Idee der Lufthütten auf und platzierte 2012 vier dreistöckige Holztürme auf dem Hang. Grandiose, mit dem Architekturpreis ausgezeichnete Bauten, die hoch über dem Ort Akzente setzen und beweisen, dass diese Landschaft auch anderes verträgt als Almhütten.
Tannerhof – Naturhotel & Gesundheitsresort · Tannerhofstr. 32 · 83735 Bayrischzell Tel. 08023/810 · www.natur-hotel-tannerhof.de
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ROSENHEIM: VOM KORN ZUR BOHNE
Karl Baedeker, der in den 1840er-Jahren unterwegs war, bezeichnete Rosenheim als »hübsches Städtchen mit Salzsiedereien am Einfluss der Mangfall in den Inn. Die Soole wird von Reichenhall hierher geleitet.« Baedeker reiste mit dem »Eilwagen« von München an, die Fahrt dauerte fast zwölf Stunden.
1865 beschrieb sein Kollege Ludwig Gassner die Stadt: Die »Kunstmühle befindet sich in der nächsten Nähe des Wasserhofs und bietet namentlich auf der Bahnlinie von Kolbermoor her … wegen ihres hübschen Baus den Reisenden einen herrlichen Anblick.« Diese zwei Impressionen verdeutlichen den technischen Fortschritt im industriellen Zeitalter: Innerhalb von rund 20 Jahren hatte die Eisenbahn den Eilwagen ersetzt, die 1855 errichtete Kunstmühle schien Gassner so wichtig, dass er den Blick der Reisenden darauf lenkte. Auch wenn sich heute im Obergeschoss die Ausstellungsräume des Kunstvereins Rosenheim befinden, der Begriff »Kunstmühle« hat nichts mit den schönen Künsten zu tun, er rühmt vielmehr die Ingenieurskunst. Die Rosenheimer Getreidemühle, nach amerikanischem Vorbild errichtet, war nicht mehr auf Wasserkraft angewiesen, der Mühlstein hatte ausgedient und wurde durch stählerne, mit elektrischen Motoren angetriebene Walzen ersetzt. So ein technisches Wunderwerk und dann noch ein »hübscher Bau« – das verdiente schon eine Erwähnung im Reiseführer. 1972 wurde der Betrieb eingestellt, und der hübsche Bau vergammelte, es gab Überlegungen, ihn abzureißen. Ein Investor sanierte die Anlage in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz und schuf Raum für Wohnungen und Büros. Die Kaffeerösterei Dinzler zog ins Erdgeschoss ein. Wo früher Mehl gemahlen wurde, duftet es nach Kaffee, und Lebenskünstler wissen, wie sie den Tag beginnen: mit einem köstlichen Frühstück im Café in der Kunstmühle.
Kunstmühle · Dinzler Kaffeerösterei · Mo–Mi, Fr, Sa 8–18, Do 8–22, So 9–18 Uhr Kunstmühlstr. 12 ·83026 Rosenheim · Tel. 08031/408 25 31 · www.dinzler.de
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ASCHAU: WERKZEUG UND KUNSTOBJEKT
Das Messer ist eines der ältesten Werkzeuge von uns Menschen. Seit der Steinzeit ist es in seiner Erscheinungsform gleich geblieben: Klinge und ein Griff zum Halten. Das Material, aus dem beides hergestellt wird, hat sich im Lauf der Jahrtausende allerdings verändert.
Knochen, Geweih, Stein, Kupfer, Stahl – zu Messern wurde alles verarbeitet, was hart genug war, um Stechen, Aufspießen oder Schneiden zu ermöglichen. Der moderne Mensch stellt sogar Plastikmesser her – womit der Tiefpunkt in der Kulturgeschichte dieses Werkzeugs erreicht ist, dessen Funktionalität bis dato auch immer mit Ästhetik verbunden war. Um diese Kombination geht es den jungen Männern, die das Messer Werk betreiben. Ihn fasziniere »die Verbindung von Werkzeug und Kunstobjekt«, sagt Luca Distler, gelernter Kunstschmied. Mit Messern beschäftigte er sich am Anfang nur nebenbei in der Freizeit. Doch mit einer Begeisterung, die bald seinen Freund Florian Pichler ansteckte. Der brachte als Zahntechniker das Gespür für die Feinarbeit und die nötigen Kenntnisse der Schleiftechnik mit. Die Produkte der beiden fanden Liebhaber, 2004 gründeten die Freunde ihre eigene Firma, 2009 wagten sie den Sprung in die Selbstständigkeit und mieteten die alte Hufschmiede in Hohenaschau. Heute kommen Köche, Jäger, Fischer und Sammler aus nah und fern ins Messer Werk, lassen sich beraten – der Verwendungszweck bestimmt Form, Härte und Elastizität der Klingen –, wählen das Material für die Griffe. Und strahlen, wenn sie ihre Messer abholen – jedes ein Kunstwerk aus Damaszenerstahl. Der besteht aus verschieden Stählen, die erhitzt, durch Schmieden verschweißt, immer wieder gefaltet und erneut geschmiedet werden, bis eine Klinge entsteht, die aus mehreren Hundert Schichten bestehen kann. Diese Schichten geben der Schneide die changierende Maserung, individuell wie ein Fingerabdruck.
Messer Werk · keine Schauwerkstatt, aber Beratung ist jederzeit möglich · Kampenwandstr. 96a 83229 Aschau · Tel. 08052/957 12 34 ·