14 Falken. Kathrin Schobel

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14 Falken - Kathrin Schobel

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war, dass sie die Stadien der Bezeichnung als stille Streunerin über eine Drogenfahnderin bis hin zu einem Stammgast alle schon durchlaufen hat. Ironisch nicht, weil die Leute damit Unrecht haben, sondern weil sie genau weiß, dass ihr Dienstausweis nur einen Handgriff entfernt ist. Gwen fragt sich, ob es die Sache zu doppelter Ironie macht, dass sie tatsächlich nicht wegen der halbstarken Dealenden oder den Illegalen kommt, sondern für den Whiskey.

      »Blended Malt.«

      »Kommt.«

      Eine Kneipe, findet Gwen, ist wie ein Kino. Bestimmte Filme spielen zu bestimmten Zeiten, es finden sich Zuschauende für alle Genres und es gibt einen kleinen Kreis von immer gleichen Kinofans, die eigentlich nur da sind, weil sie sonst zu Hause einsam wären. Jetzt, so gegen 12, wechseln die Studierenden wie auf Handschlag nach und nach die Stammtischrunden und Kegelgruppen aus. An den kleinen Ecktischen sitzen die ewig stoischen Einzeltrinkenden, die, wie Gwen vermutet, erst bemerken, wie ihr Milieu sich verändert, wenn die Musik von Radiopop auf Oldierock umschwingt. Gwens Fußspitze tippt den Takt von White Winged Dove. Wenn die Bar wirklich wie ein Kino ist, ist Gwen der Film Noir. Sie hätte die Lederjacke anlassen sollen, denkt sie und grinst gegen den Glasrand. Für die Hauptrolle würde ihr zum Whiskey nur noch die verführerische Schönheit fehlen, die am Ende ihr Verderben sein würde.

      »Noch einen... absolute Scheiße ist das ...«

      Gwen schielt möglichst unbeeindruckt nach rechts, wo eine junge Frau zwei Plätze weiter sitzt und mit ihrem vollen Glas spricht – auf dem einzigen Barhocker, dessen rotes Polster noch nicht völlig rissig ist, als habe sie das mit Absicht gemacht. Gwen friert in der Bewegung ein und trinkt so langsam, dass die Eiswürfel an ihrer Oberlippe brennen. Der Barkeeper scheint es schon aufgegeben zu haben, mit der Frau zu sprechen. Was Gwen an ihrem Anblick stört, kann sie erst sagen, als sie sie genauer mustert. Die Kleine hat zu wache Augen für Selbstgespräche, eine zu gepflegte Erscheinung für ein nächtliches Saufgelage und, wie Gwen findet, ein viel zu hübsches Gesicht für diese Altvaterreue. Die Show ist also entweder schlecht inszeniert oder absolut ehrlich. Gwen hofft auf die erste Variante, weil sie niemanden mit nach Hause nimmt, der nicht bei sich ist. Außerdem verlieren so hübsche Begriffe wie “Würde” und “Selbstkontrolle” in der dunklen Sphäre des Überganges von Trinken zu Betrinken rapide an Wert.

      Irgendwann in den 80ern waren Kneipen mal ein Auffangbecken für solche Leute, die innerlich irgendwie kaputt sind, hat Gwen sich sagen lassen. Aber das hat sich gelegt, seit die Polizei das auch geschnallt hat und verdeckte Ermittelnde schickt. Kneipen haben Alkohol und Alkohol hat immer Saufende, die die Kontrolle über ihren Schluckreflex verloren haben, aber die richtigen Deals, die wahren filmreifen kriminellen Machenschaften, die gibt es hier nicht mehr. Der Mythos der verstärkten Schutzpolitik hat sie irgendwie outgesourced, findet Gwen, raus in die dunklen Straßen der Großstadt, in Garagen, Hinterhöfe und 2-Zimmer-Wohnungen, Küche, Bad, Frau und drei Kinder. Vielleicht ein Hund. Jedenfalls kann Gwen an einer Hand abzählen, wie viele Einsätze sie in Kneipen gehabt hat, an denen mehr dran war als eine Prügelei. Die Zeiten sind vorbei. Und ohne die Drugs bleiben nur der Rock ‚n Roll und der Sex.

      Gwen ist versucht, der Dramatikerin ein Bier zu spendieren. Ein Bier, weil es wenig Alkohol hat und spendieren, weil Gwen dann eine Ausrede hätte, sich neben sie zu setzen und rauszufinden, woran sie ist. Scheiß auf die Polizeimarke, die kann ihr beim Flirten auch nicht helfen.

      Als könne sie Gedanken lesen, schiebt sich die Frau schwerfällig vom Hocker, wischt sich über das Gesicht und geht in Richtung Bad.

      Fünf Sekunden.

      Ein Nick zum Barkeeper, dann auf die Jacke. Noch mal fünf Sekunden Pause an der Jukebox. Das einzige Teil in dem Laden, das wirklich Vintage aussieht und nicht einfach nur alt. Gäste mit inbegriffen. Dann durch die Tür. Im Flur stinkt es scharf nach durch den Darmtrakt gejagtem hochprozentigem. Könnte Gwen jeden Stehpinkler strafrechtlich verfolgen, würde sie's tun. Zum Glück haben die Nutzenden des Damenklos meistens die falschen Genitalien für so eine Sauerei, aber Gwen findet trotzdem, dass es mutig ist, anzunehmen, dass die Kabinen sauberer seien. Die Kleine von der Bar hat eine davon belegt. Schnell blockiert Gwen das Klo zwei Türen weiter, spült und wäscht sich unnötig lang die Hände. Ihr Zielsubjekt benutzt das Becken neben ihr und sieht aus, als sei es aus den Wänden gewachsen. Ein verblasster Graffitimauerfall aus abblätternder Farbe und Putz, gleichgültige Neonröhrenkälte auf Klosprüchen und Namen von Liebenden, Betrunkenen oder Gangs und wer weiß schon, was davon noch Bedeutung hat.

      »Man, was für ein beschissener Tag, hm?«

      »Hm.«

      Gwen fragt sich, wie viel länger sie sich realistisch die Hände waschen kann. Sie sollte irgendwann vor der Fremden damit aufhören, wenn sie nicht wirken will, als hätte sie gerade Kokain von ihrer Hand geschnupft. Doch zu ihrem Glück lässt ihr die junge Frau keine Wahl.

      »‚Ich trenne mich‘, hat er gesagt. ‚Schatz, es ist nicht wie es aussieht‘, hab‘ ich gesagt. ‚Ich hasse dich‘, hat er geschrien. ‚Leg das Messer weg‘, hab‘ ich gewimmert. Er hat mich rausgeworfen. Hat den Fernseher behalten, meine Konsole, den Hund...«

      Was für ein gequirltes Melodrama. Gwen verdreht die Augen. »Das muss hart für dich sein.«

      »Ist es!« Sie wäscht sich jetzt auch schon ziemlich lang die Hände. »Ich hatte den Hund, seit ich ein Kind war... Kindergärtner sind herzlos.«

      »Du warst mit einem Kindergärtner verheiratet?«

      »Wir waren nicht verheiratet.«

      »Dann darf er den Hund auch nicht behalten.«

      Die junge Frau räuspert sich ertappt. »Dürfte er das, wenn wir’s wären? Dann erzähle ich nochmal von vorne.«

      Gwen hebt die Schultern. »Weiß ich nicht, kann sein.«

      »Dann reden wir mal lieber beide nicht von was, von dem wir keine Ahnung haben. Ich bin sowieso nicht hier, um zu jammern.«

      »Und warum dann?«

      »Ich hatte auf Ablenkung gehofft.«

      Dieser Tonfall.

      Genug subtile Veränderung, dass Gwen aufmerksam wird. Und den Fehler macht, der Fremden endlich ins Gesicht zu sehen.

      Ein spitzes Kinn unter scharfen Zügen um den lächelnden Mund unter einer schmalen Nase unter aufmerksamen Falkenaugen hinter dünnen Brillengläsern mit dunklen Brauen unter wildem Literaturstudentenhaar, wie Gwen das nennt. Sie hat südländische Haut und sieht jung aus. Gwen ist dankbar, dass sie größer ist als die Fremde, denn so kann sie sie in Gedanken Kleine nennen, ohne das Gefühl zu haben, sie irgendwie herabzusetzen. Sie ringt sich ein Lächeln ab.

      Die Frau mit den Falkenaugen lacht auf. »Das ganze Drama nur, weil ich seine Cousine gevögelt habe. Stellt sich aber auch an, oder?«

      Das war‘s.

      Noch nie hat Gwen einen so schlecht platzierten Hinweis erlebt. Brillen lassen manche Menschen eben doch nur solange klug aussehen, bis sie den Mund aufmachen. Sie lacht künstlich zurück und schüttelt sich das Wasser von den Händen auf die Schuhe. Die Kleine ist zurecht perplex, vergisst das durchsiffte Papiertuch in ihrer Hand und grinst unsicher.

      »Ich hab‘ wohl nicht allein hinter‘n Durst gekippt.«

      »Du hast was vergessen«, raunt Gwen amüsiert.

      »Hab‘

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