14 Falken. Kathrin Schobel

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14 Falken - Kathrin Schobel

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senke weise den Blick und starre einen Moment auf Simons Chucks. »Der sexy Streber hat noch alle geschafft«, sage ich selbstsicher, obwohl es nicht stimmt. »Ich verrate euch was. Ich gehe mir mein Zeug zurückholen.«

      Ich sage das, als sei das nicht sowieso mein Plan gewesen. Als sei das nicht unvermeidlich. Ich muss sie wiedersehen. Es ist ein Muss, das mir unerklärt und unverteidigt in der Kehle sitzt, und vor allem ein Muss, das ich nicht so schnell erwartet habe. Eine nette erste Nacht, drei Wochen Funkstille, dann ein zufälliges Wiedersehen. Aber nicht jetzt.

      »Und wie möchtest du das machen?«, fragt Simon, und wir sehen ihn an. »Klingeln und höflich fragen?«

      Ich schnaube übertrieben sarkastisch. »Mach dich nicht lächerlich.«

      Eine halbe Stunde später stehe ich vor Gwens Tür und will klingeln. Leider habe ich keinen blassen Schimmer mehr, wie sie mit Nachnamen heißt. Mein Gedächtnis funktioniert nur bei ständiger Wiederholung, und ein einziges Mal Ausweis filzen reicht da nicht.

      Mein Finger schwebt unschlüssig über ‚Biedermann‘, das klingt so nach ihr. Ich grinse. Gonzales, Lauch, Rivak, Lorenz, Brockmeier/Kasimir, Leiner und ein türkischer Name, den ich nicht aussprechen kann. Irgendeiner wird mich schon reinlassen und mir die tragische Nummer abkaufen, dass mich jemand über Ebay-Kleinanzeigen abgezogen hat und ich ihm jetzt die Leviten lesen gekommen bin oder so was. Ist nicht die authentischste Geschichte, aber die habe ich noch nie ausprobiert.

      Und werde das auch jetzt nicht, denn mir schlägt die Tür fast ins Gesicht und wischt meinen Finger von „Rivak“.

      »Oh, Entschuldigung«, sagt der Mann hastig und greift ins Leere bei dem Versuch, mich daran zu hindern, die zwei Stufen nach unten zu torkeln.

      »Alles gut«, sage ich und wittere meine Chance. »Darf ich rein? Dann kann ich mir das Klingeln sparen.«

      »Also eigentlich darf ich das nicht«, antwortet der Mann nachdenklich.

      Ich nehme ihn unter die Lupe. Arbeitshose, Fleecejacke und ein Blick bereuter Lebensentscheidungen. Also vermutlich der Hausmeister.

      »Ach, Gwen erwartet mich sowieso.« Ich setze alles auf eine Karte und habe Glück.

      »Frau Lorenz? Aber die ist gar nicht hier. Ist wieder unterwegs.« Er schlägt diesen Smalltalk-Ton an, den Menschen über 40 oft haben, wenn sie nicht mehr zu reden aufhören wollen. »Sie ist nicht oft da um diese Zeit. Gott weiß, was für Berufe die jungen Leute haben.«

      Ich runzle die Stirn, weil dieser Satz ihn so viel älter macht, als er es nötig hätte.

      »Oh wirklich?«, frage ich und lächele interessiert.

      »Soll ich ihr ausrichten, dass Sie hier waren?«, fragt der Mann.

      Ich überlege einen Moment. Dann schaue ich auf das Klingelschild und grinse.

      »Ja, bitte.«

      »Und wer sind Sie?«

      Ich schiebe meine Hände in die großen Jackentaschen und wende mich schon zum Gehen, damit er nicht auf die Idee kommt, noch etwas zu fragen.

      »Eine ihrer Affären. Sagen Sie ihr, ich bin die Geschäftsreise nach Osnabrück, sie weiß Bescheid.«

      Ich verschwinde.

      5

      Gwen bezahlt mürrisch 5,34€ für eine Brühe, eine Zeitschrift und eine Packung Kaugummi.

      Und wie sie da steht und darüber das Gesicht verzieht, hat sie das Bedürfnis, der Verkäuferin so etwas wie „damals hat das noch viel weniger gekostet“ zu sagen, aber sie ist zu jung für irgendein »damals«, das die blonde Mitt-Dreißigerin nicht kennt. Unzufrieden knobelt sie an den Kordeln ihrer Jacke. Sie ist khaki-farben und sieht ganz ordentlich aus, ist aber nicht ihre Lederjacke. Der Falke hat ihr binnen einer Nacht alles genommen, was ihr heilig ist. Ihre Jacke, ihre gute Laune, ihr Bargeld, das milde Wetter und ihr gutes Verhältnis zu ihrem Hausmeister, der aus irgendwelchen Gründen nur noch fassungslos den Kopf schüttelt, wenn er sie sieht.

      Der Pappbecher ist heiß, aber Gwens Finger sind kalt und sie spürt die Hitze erst langsam gegen die Gliederstarre gewinnen. Sie schließt die Augen. Prickelnder, brennender Schmerz kämpft sich durch die Haut ihrer Fingerkuppen. Und greift plötzlich beißend heiß den Rest ihrer Hand an, besonders die empfindliche Stelle zwischen Zeigefinger und Daumen, als jemand Gwen von der Seite anrempelt und einfach weiterhastet.

      Gwen zieht scharf die Luft ein, stellt ihren Becher zurück auf den Tresen und schüttelt sich das schon kalte Getränk von der Hand, bevor sie die Stelle ablutscht. Die Verkäuferin bietet ihr eine Serviette an, aber Gwen lehnt ab und sieht dem Wichser mit der Kapuze nach, der um eine Hausecke verschwindet und sich einen Scheiß für die Sauerei interessiert. Die Zeitschrift leistet ungebetene Beihilfe beim Putzen und saugt das braune Getränk in die hauchdünnen Seiten, die sie eigentlich noch lesen wollte. Zum zweiten Mal weist sie die Serviette ab und schnappt sich die Packung Kaugummi und das durchnässte Klatschblatt. Auf dem gewellten Cover lächelt ihr eine gefleckte, verzerrte blonde Z-Promischönheit entgegen. Vielleicht sollte sie noch Zigaretten kaufen, um ihre neue Jacke einzuweihen, aber sie müsste noch drei haben. Und die würden ihre Nerven alleine beruhigen müssen. Sie schiebt sich durch eine Gruppe Männer mit Arbeitshosen, die hinter ihr Schlange stehen und nippt im Gehen an ihrer Brühe. Das Zeug schmeckt, wie sich Gwen vorstellt, dass das Wasser schmeckt, das manchmal zurückbleibt, wenn sie den Restmüllbeutel aus dem Eimer nimmt. Sie entsorgt das widerliche Gebräu im nächsten Abfall. Nach kurzem Nachdenken wirft sie die Blondine hinterher. Ist besser so, Gwen wollte sowieso schon lange mit dem Promiklatsch aufhören, in ihrem Leben ist nur Platz für eine Sucht.

      Sie schluckt den Restgeschmack der Brühe herunter und spürt ihre Laune kippen, von der sie nicht erwartet hätte, dass sie noch schlechter werden kann. Scheinbar hat ihr Unterbewusstsein mehr von dieser Suppe erwartet, als Gwen klar war. Kraftspende, guter Geruch, das warm-wohlige Gefühl von Krank-sein-bei-Oma oder wenigstens ein brauchbarer Geschmack. Gwen schiebt ihre Hände in die Hosentaschen.

      Sie kommt vom Land. Eines der ersten Dinge, die sie sich in der Großstadt angewöhnt hat, ist der unbarmherzige Scheuklappenblick, der den anderen Passierenden unmissverständlich klar macht, dass “Ausweichen” nicht zu Gwens Wortschatz gehört. Man macht ihr bereitwillig Platz. Sie hasst diese Tage, an denen es wirkt, als würden ihr alle entgegenkommen, aber niemand in ihre Richtung gehen.

      »Hast du mal Feuer?«

      Gwen erschreckt sich und flucht leise. Der Berufsreflex zieht ihre Muskeln zusammen und sie erwartet, dass ihr Betrunkene ins Gesicht springen oder Jugendliche versuchen würden, Gwen um ihr Bargeld zu erleichtern, damit sie ihnen dann höflich erklären kann, dass schon jemand schneller war, bevor sie ihnen ihren Dienstausweis zeigt. Es ist tatsächlich eine junge Person, aber sie ist allein. Die Kapuze über den braunen Haarschopf gezogen und langbeinig an die Mauer gelehnt wie ein verdammtes Grunge-Model. Und in der Hand hält sie eine zerknitterte Packung Marlboro Gold, aus der drei Zigaretten ragen. Gwen zuckt zu ihren Hosentaschen und klopft sie ab, obwohl sie weiß, dass sie nichts finden wird.

      »Du kleine Ratte«, flucht sie, greift nach den Zigaretten, aber fasst ins Leere.

      Sofort

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