14 Falken. Kathrin Schobel

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14 Falken - Kathrin Schobel

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und kommt zu dem falschen Schluss, denn sie grinst anzüglich.

      »Nah, wenn du eine Kippe willst, musst du schon höflich fragen, Gwendolin Lorenz.«

      Gwen erstickt ihre letzten Worte fast, als sie sie am Kragen packt.

      »Du-« Sie unterbricht sich. »Dann lass mich mal höflich nach der Kohle fragen, die du mir geklaut hast. Und woher kennst du meinen Namen?«

      Der Falke macht ein paar müde Versuche, sich aus Gwens Griff zu winden. »Kohle? Glaub mir, ich bin eine ehrliche Haut, ich war nicht an deinem Portemonnaie!« Sie hebt verteidigend die Hände. »Und deinen Namen habe ich auf deinem Perso gelesen. Kein sehr einprägsamer Nachname übrigens, du solltest den umschreiben lassen. Was hältst du von Biedermann?«

      Das Gesicht der Kleinen ist auf einmal noch viel, viel reizvoller als am ersten Abend. Findet jedenfalls Gwens Faust. Das Gesicht faselt etwas von Dienstausweis und Gwen hätte ihr gerne gesagt, dass sie das nicht aufhält. Im Gegenteil, mit so einem Wisch in der Tasche glauben die auf dem Revier einem viel, und anscheinend rechnet die Diebin nicht damit, dass Gwen diese Macht missbrauchen würde. Obwohl Gwen sehr versucht ist, ihr auf der Stelle das Gegenteil zu beweisen, verzichtet sie auf das unnötige Risiko, packt den Arm des Ungeziefers und treibt es weiter in die Seitengasse, vorbei an drei schmalen Türen zwischen zugepissten Wänden und Mülltonnen. An einer besonders stinkenden Stelle drückt sie den protestierenden Falken an die Wand.

      »Jetzt pass mal auf, du Kakerlake. Ich rede von meinem Bargeld, 250€ in Scheinen, frisch aus meinem Geldbeutel. Klingelt‘s?«

      Zu Gwens Überraschung hellt sich die Miene des Käfers auf, als sie den neuen Spitznamen hört. Gwen gefällt das auch viel besser als „Falke“. Falken sind stolz und frei und teuer, ganze Verbände kämpfen für ihren Erhalt und sie werden von Ölscheichs in den arabischen Emiraten als noble Haustiere gehalten. Kakerlaken gibt es überall und sie sterben nicht, wenn man nicht beherzt genug drauftritt.

      »Ach, die Kohle. Richtig, da war was.« Ihr schelmisches Lächeln gefällt Gwen nicht. »Sieht aus, als ob wir beide etwas hätten, was die andere möchte.«

      »Ist das so?«, fragt Gwen, obwohl sie die Antwort darauf schon kennt. Was sie von ihr hat, verziert den Mülleimer im Badezimmer von Innen mit einer hübschen Schicht Feinstaub.

      Die schmale Adelsnase kräuselt sich.

      »Es ist – schwer, sich zu unterhalten, wenn man gewürgt wird.«

      Gwen spürt die Wut in ihrem Bauch kochen. Sie ruft ihre magmatischen Ausläufer zurück, die durch ihre Knöchel zucken, drückt das Stück fleischgewordene Dreistheit noch einmal so hart gegen die Wand, dass ihr ihre Kapuze vom Kopf rutscht und ihre Brille schief liegt und lässt sie dann los. Das Fleisch hustet und reibt sich theatralisch die Schlüsselbeine unter dem T-Shirt. Dünner Stoff schiebt sich über ihre Knochen, über ihre Haut und die Schatten von älteren Spuren, die noch von Gwen stammen.

      »Besser«, keucht sie dann und hält Gwen die Marlboro Gold hin. »Zigarette zum Runterkommen?«

      Gwen fehlen die Worte. Sie manifestiert das in einen bösen Blick und ertappt sich, wie sie sich einen Stängel schnappt, anstatt der Gossenprinzessin zu zeigen, wo ihr Platz ist. Mürrisch kramt sie nach ihrem Feuerzeug, findet es schnell in den viel zu schmalen Taschen und zündet ihre Zigarette an, bevor sie ihrem Gegenüber fragend zunickt. Der Falken-Kakerlaken-Wolpertinger hebt ablehnend die Hand.

      »Oh, nein danke, ich rauche nicht.«

      Gwen prustet und möchte darüber höhnisch schmunzelnd den Kopf schütteln, aber es wird ein Lächeln daraus, schmal und irgendwie warm. Gwen schiebt es dieses Mal dankbar auf ihren Sexualtrieb, um sich nicht weiter vor sich selbst rechtfertigen zu müssen.

      »Also, was du noch von mir hast...«

      Der Falke geht einen Schritt auf Gwen zu.

      Gwen spannt sich schon an, aber sie schiebt nur die Zigarettenpackung mit flinken Taschendiebfingern zurück in Gwens Jacke, bevor sie sich wieder an die Wand lehnt. »Lustige Geschichte. Nachdem wir deine Nachbarn belästigt haben, bin ich nach Hause gegangen, meinen Kumpel Kit treffen. Wir wollten Brownies backen. Aber schau einer an, da hat mir mein Spezialbackpulver gefehlt. Kit hat sich wirklich geärgert.«

      »Schade für Kit«, antwortet Gwen trocken, aber kann den herausfordernden Blick nicht halten. Sie starrt auf die Restmülltonne neben sich und hat das plötzliche Bedürfnis, den Großkotz kopfüber reinzustecken.

      »Ich mache dir einen Vorschlag«, fährt der unbeirrt fort, »du kriegst zurück, was von deinen Mücken noch übrig ist und ich kriege zurück, was von meinem Zeug noch übrig ist. Klingt fair, oder?«

      Gwen muss unmittelbar schnauben und starrt dem Parasiten auf den Mund. »Ich habe eine bessere Idee. Du gibst mir meine kompletten 250 und meine Jacke zurück und ich zeige dich nicht wegen Diebstahls und Drogenbesitzes an. Klingt fair, oder?«

      »Wir können das sicher so kombinieren, dass wir beide glücklich sind«, versucht die Diebin es noch mal. Erfolglos.

      Gwen seufzt bassig und zieht an ihrer Zigarette. Sie beschließt, ihre beste Karte zu spielen. Das tut sie ungern, weil sie nicht will, dass andere Leute denken, sie sei über Vitamin B an ihren Job gekommen, aber manchmal tut es Not, und dann gehen ihr die Worte immer mit einer gewissen Befriedigung über die Lippen.

      »Mein Vater ist Bezirkschef bei der Polizei.«

      Sie pustet genussvoll den Rauch in die plötzliche Stille, die sich in der Gasse ausbreitet. Gern würde Gwen das nutzen, um einen Blick die Hauswände hoch zu werfen, falls sie von geflügelten oder gepanzerten Freunden des Falken belauscht werden, aber sie weiß genau, dass die größere Gefahr direkt vor ihr steht. Ein wenig ist Gwen gespannt auf die Reaktion der Silberzunge. Und die lauert schon hinter den listigen rissigen Lippen.

      »Echt jetzt? Mein Beileid.«

      Gwen ist ehrlich perplex darüber, überhaupt eine andere Antwort als einen wirklich schlecht formulierten Bestechungsversuch zu erhalten.

      Die Prinzessin stößt sich von der Wand ab. »Dann hab‘ ich ja schon verloren, der hat dir bei der Geburt bestimmt eine Wanze in den Arsch geschoben.«

      »Wäre ihm zuzutrauen. Und jetzt nenn‘ mir einen guten Grund, warum ich dich nicht sofort festnehmen sollte«, murmelt Gwen misstrauisch und sieht dem fleckigen Jackenrücken hinterher.

      Der Falke rennt nicht. Im Gegenteil.

      Sie bleibt stehen, noch gute drei Meter vor Ende der Sackgasse, zieht die Kapuzenjacke aus und wirft sie achtlos in eine der Mülltonnen. Gwen sieht, wie sich sofort Gänsehaut auf ihren nackten Armen ausbreitet.

      »Weil du mich interessant findest.«

      »Bitte? Ich hab‘ mich wohl verhört.«

      Irgendetwas hat sich verändert. Es liegt in der Luft, und obwohl es sich wie ein Band aus Seide zwischen dem Falken und ihr zusammenwebt, tut es leider nichts gegen den Gestank. Die Seide wird zum Draht. Der Draht wird zum Stromleiter. Der Strom zu Worten.

      »Es ist doch so, lieber Watson«, beginnt der Gnom und dreht sich gönnerhaft gestikulierend auf der Ferse zu Gwen. »Die simple Deduktion erleichtert uns das sachdienliche Lesen von Menschen. So lassen sich bezüglich unserer Person X deutliche Indizien finden, die da seien,

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