Trugbilder. Ella Danz
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Читать онлайн книгу Trugbilder - Ella Danz страница 4
»Meine Tochter wollte am Wochenende verreisen, nach Dänemark. Montagmittag wollte sie zurück sein. Aber bis jetzt ist sie immer noch nicht da.«
Die Art, wie sie alle S stimmlos aussprach, und dieser ganz leichte Singsang, das spricht für eine dänische Herkunft, dachte Angermüller.
»Stimmt, ich habe sie Freitagmorgen mit ihrem Koffer getroffen. Na ja, heute ist ja erst Dienstag«, meinte Angermüller beschwichtigend. »Hat sie sich denn gar nicht bei Ihnen gemeldet?«
Die Frau schaute ihn einen Moment zweifelnd an, dann zuckte sie mit den Schultern und ließ ein fröhliches Lachen hören, das so gar nicht zu ihrer besorgten Miene passen wollte.
»Na ja, immerhin hat sie Sonntagabend eine Nachricht geschickt, dass sie eine super Location aufgetan haben, und sie erst Montag zurückkommt. Tonya ist viel auf Reisen, und wenn sie beruflich unterwegs ist, meldet sie sich nicht so oft. Und ich soll sie auch nicht anrufen. Sie sagt, ich störe dann immer nur, wenn sie gerade Aufnahmen machen und so. Die jungen Leute halt …«
Wieder lachte sie.
»Ist Ihre Tochter Fotografin?«
»Nein, nein, sie ist keine Fotografin. Tonya hat sogar ihre eigenen Fotografen, die sie in den Kollektionen bekannter Modefirmen fotografieren. Meine Tochter ist eine ziemlich bekannte Influencerin, wissen Sie, macht Werbung im Internet, Youtube, Instagram und so. Tonya hat schon 500.000 Follower«, erklärte sie mit offenkundigem Stolz.
»Tut mir leid«, bedauerte Angermüller, »mit diesen Sachen kenne ich mich überhaupt nicht aus.«
»Ich mich eigentlich auch nicht«, lachte sie, »erst seit meine Tochter das macht, gucke ich mir das an. Na ja, was tut man nicht alles für die Kinder!«
»Ja, das stimmt«, bestätigte Angermüller und wollte sich wieder seiner Wohnungstür zuwenden, um zu signalisieren, dass er die Unterhaltung beenden wollte. Da streckte die Frau plötzlich ihre Hand aus.
»Wir sind uns ja schon öfters begegnet. Mein Name ist übrigens Mia Frederiksen.«
»Freut mich, Frau Frederiksen. Ich heiße Angermüller«, stellte sich Georg notgedrungen ebenfalls vor und schüttelte die dargebotene Hand. Sie nickte.
»Ja, ich weiß, hab ich schon auf Ihrem Namenschild gelesen.«
»Na dann, bis zum nächsten Mal, Frau Frederiksen. Ich drücke die Daumen, dass Ihre Tochter bald was von sich hören lässt.«
»Ja, ich hoffe«, seufzte Frau Frederiksen und bückte sich nach dem großen Korb, den sie neben sich abgestellt hatte.
»Hab die Blumen gegossen und den Goldfisch gefüttert. Dann geh ich jetzt nach Hause und meine Kanelsnegle nehme ich wieder mit. Hab ich extra für Tonya gebacken. Die mag sie doch so gern, jedenfalls, wenn sie mal nicht auf Diät ist«, erzählte Frau Frederiksen, schnitt eine Grimasse und zupfte sorgfältig das blau-weiß karierte Geschirrtuch über dem Inhalt des Korbes glatt.
»Wie heißt das Gebäck?«, fragte Angermüller nach, dem schon die ganze Zeit so ein angenehmer Duft in die Nase gestiegen war, und deutete auf ihren Korb.
»Kanelsnegle, nichts Besonderes, einfach nur Zimtschnecken. Die essen wir in Dänemark zum Frühstück, zum Nachmittagskaffee, ach, eigentlich immer. Möchten Sie mal kosten?«
Erwischt. Neuen kulinarischen Köstlichkeiten gegenüber war Angermüller ja immer aufgeschlossen.
»Äh, also ja, gerne.«
Frau Frederiksen schlug das Geschirrtuch zurück und griff in den Korb.
»Am besten holen Sie mal was, wo ich die Zimtschnecken drauflegen kann.«
Sie sprach das Sch wie S in Zimtschnecken, und wieder lachte sie.
»Die sind nämlich ein bisschen süß und klebrig.«
Gleich darauf hatte Angermüller drei von den köstlich duftenden Hefeteilchen auf seinem Teller.
»Mmh, die sehen ja verlockend aus.«
»Und die schmecken, sag ich Ihnen! Ja, ich muss dann mal wieder. Tonyas Schwester kommt heute zu uns zum Abendessen. Tschüs, Herr Angermüller.«
»Ja, tschüs und vielen Dank, Frau Frederiksen.«
»Gerne. Bis zum nächsten Mal!«
Kapitel II
Lustlos stocherte Vicky in ihrem Blumenkohlgratin. Es schmeckte gar nicht schlecht. Doch der intensive Schweinebratengeruch, der über dem Esstisch hing, verdarb ihr den Appetit, genau wie das andauernde Gejammer ihrer Mutter.
»Heute Nachmittag hab ich auch ihren Nachbarn nach Tonya gefragt. Ein netter Mann. Aber der wusste natürlich auch nichts.«
Etwas zu geräuschvoll legte Vicky ihre Gabel auf das Porzellan.
»Mann, Mia, ich versteh nicht, warum du jedes Mal so einen Bohei machst. Gibt doch gar keinen Grund. Sie hat dir am Sonntag diese Nachricht geschickt, dass alles gut ist, sie nur noch etwas länger braucht.«
Bei dem Gedanken an Karolines Nachrichtentext spürte Vicky gleich wieder ihre Wut im Bauch: »Super Location hier! Bin Montag spät zurück. Bitte Goldie füttern, Wasser mal wechseln, Blumen gießen. NICHT MEHR ANRUFEN!!! Hab zu tun.« Und Mia nahm das einfach so hin, tat, was Karoline ihr auftrug, und sorgte sich ohne Ende.
»Außerdem ist sie doch erst einen Tag im Verzug. Ist doch schon öfter vorgekommen, dass Karoline länger wegbleibt als angekündigt, viel länger. Denk nur an die Story mit Mallorca damals! Da ist sie fast zwei Wochen geblieben, ohne sich nur einmal zu melden.«
»Du hast ja recht. Eine Mutter macht sich halt Sorgen«, kam kleinlaut die Antwort.
»Klaro, wird ja auch erst 23, dein Baby.«
»Sie hat schon seit Sonntag nichts mehr gepostet. Dabei wollte sie Aufnahmen machen. Deshalb ist sie doch weggefahren.«
»Wahrscheinlich ist unser Supermodel nicht schön genug auf den Fotos und muss die Bilder erst noch aufpimpen, damit sie ordentlich viele Likes kriegt«, meinte Vicky spöttisch, »wenn Karoline dich für irgendwas braucht, meldet die sich sowieso. Wetten?«
»Ach, Vicky, warum redest du immer so schlecht über deine Schwester? Und warum nennst du sie eigentlich immer Karoline? Du weißt doch, dass sie den Namen nicht mag.«
Genau deswegen, dachte Vicky trotzig und schüttelte unwillig das weißblonde Haar, das sich in einem wilden Gewirr kleinster Löckchen um ihren Kopf bauschte.
»Für mich ist und bleibt sie Karoline. Sie ist meine Schwester. Warum sollte ich sie bei ihrem Künstlernamen nennen?«
Früher war sie für alle Karoline und hatte auch kein Problem damit. Aber als sie begann, sich im Internet auszustellen, fand sie den Namen auf einmal altmodisch und unpassend, und außerdem hatte sie gelesen, es wäre ein Name, den Bauern gern ihren Kühen geben. Und ihr zweiter Name Bertonia klang ihr viel zu sehr