Maria - Fräulein der Friesen. Andreas Scheepker

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Maria - Fräulein der Friesen - Andreas Scheepker

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verständigen uns darauf, dass es ein Unfall war«, stellte der Drost fest.

      »Das ist sicher am besten«, stimmte Rimberti zu. »Vorerst.«

      »Vorerst«, bestätigte Boing.

      8

      Den Rest der Nacht lag Rimberti wach. Hatte der Mord an dem Sekretär etwas mit dem Verschwinden von Rentmeister Scriver zu tun? Oder hütete er ein anderes dunkles Geheimnis, das er mit ins Grab nehmen sollte? Erst gegen Morgen fiel Rimberti in einen unruhigen Schlaf, aus dem er mit lautem Klopfen geweckt wurde.

      Noch ehe er sich aufrichten konnte, stand Fockena mit einer Waschschüssel vor ihm. »Macht Euch fertig«, ordnete er an. »Ihr werdet gleich Besuch bekommen.«

      In Windeseile wusch Rimberti sich und kleidete sich an, als es schon zaghaft an die Tür klopfte.

      »Ich setze unseren Gast in Eure Schreibstube, beeilt Euch«, wies Fockena ihn an.

      Als Rimberti und Fockena kurze Zeit später in seine kleine Schreibstube traten, saß Fräulein Maria auf seinem Stuhl, während Junker Boing auf dem Stuhl von Rimbertis Schreiber Platz genommen hatte.

      Maria sah ihn einen Moment konzentriert an und richtete dann das Wort an Rimberti: »Ich glaube, dass ich Euch vertrauen kann.«

      Rimberti nickte. »Das könnt Ihr. Uns beiden.« Er deutete auf Fockena, der sich im Hintergrund hielt.

      »Wir möchten nicht, dass die Grafen etwas von unserem Gespräch erfahren. Und ich weiß nicht, wer von meinen Bediensteten für sie arbeitet. Darum treffen wir uns hier«, erläuterte der Drost und nickte Maria zu.

      Maria begann zaghaft: »Der Drost berichtete mir von den Ereignissen in der Nacht. Ihr wollt, dass die Sache als Unfall behandelt wird. Aber Ihr vermutet etwas anderes.«

      »Junker Boing und ich wissen, dass noch jemand in der Nacht im Haus war. Er hat das Haus nach dem Sturz des Sekretärs verlassen. Er ist mit dem Schuh in das Blut des Sekretärs getreten und hat mehrere Abdrücke hinterlassen. Das waren nicht die Schuhe der Hausbesitzer.«

      »Was vermutet Ihr?«

      »Entweder hat jemand etwas in der Kammer des Sekretärs gesucht und ist dabei von ihm gestört worden, oder man wollte ihn zum Schweigen bringen.«

      »Ich glaube, das Letztere trifft zu.« Fräulein Maria sah ihn unglücklich an. »Und ich glaube, dass wir beide, Ihr, lieber Doktor Rimberti, und ich mitschuldig sind am Tod dieses unglücklichen Mannes. Wir haben gestern über den Vertrag gesprochen, und viele Ohren haben zugehört. Aimo Herkens war damals der Schreiber, der das Bündnis zwischen Jever und Ostfriesland verfasst hat. Und das Eheversprechen. Er hat beide Schreiben aufgesetzt. Meine Schwestern und ich waren dabei.«

      Sie bemerkte Rimbertis fragenden Blick. »Meine Schwester Dorothea ist vor einigen Jahren verstorben. Nun leben von uns Vieren nur noch Anna und ich. Die Umstände von Christophs Tod habt Ihr sicher schon erfahren. Wenn er noch lebte, wären wir nicht hier. Ich würde dann vermutlich auf einer Burg residieren, hübsche Blumenmuster sticken und Süßigkeiten essen, genauso wie meine Schwester Anna.«

      »Habe ich schlafende Hunde geweckt?«, fragte Rimberti.

      »Ich weiß nicht«, erwiderte Fräulein Maria kleinlaut. »Ihr habt so deutlich von diesem Vertrag gesprochen, den uns der Graf damals weggenommen hat, damit wir nichts in der Hand haben. Wenn Königin Maria hier Nachforschungen anstellen lässt, könnten die Zeugen von damals auf einmal sehr wichtig sein.«

      Rimberti hatte das Fräulein bei den bisherigen Begegnungen nie so viel reden gehört. Er nickte. »Besonders derjenige, der den genauen Wortlaut vielleicht noch in Erinnerung hat.«

      »Mag sein«, knurrte Fockena. »Aber dann seid dennoch nicht Ihr am Tod des unglücklichen Mannes schuld, sondern der, der ihn von der Treppe gestoßen hat. Niemand anders.«

      Maria schwieg. Dann begann sie mit bedachtsam gewählten Worten zu erzählen: »Meine beiden Schwestern und ich haben die meiste Zeit unseres Lebens wie Kinder gelebt. Wie Kinder, die sich schlecht behandelt fühlen. Immer haben andere für uns gedacht und entschieden.«

      Sie warf Boing einen unschlüssigen Blick zu. Der nickte.

      Maria fuhr fort: »Unsere Kindheit war eine unruhige Zeit. Fehden und Kriege. Unser Vater hat trotzdem gut für uns gesorgt. Aber er starb, als wir noch sehr jung waren. Die Regenten haben die Zeit nach Vaters Tod gut für ihre eigenen Interessen genutzt. Aber sie hatten nichts Schlechtes mit uns im Sinn und sorgten dafür, dass wir hier sorglos leben konnten. Graf Edzard war für uns wie ein Onkel. Nach dem Tod unseres Bruders Christoph besuchte er uns. Er wollte, dass die Cirksenas und die Wiemkens eine Familie mit einem Land werden. Meine Schwestern und ich waren naiv genug, das zu glauben.«

      Sie schluckte. Das viele Sprechen schien sie anzustrengen. »Als die Grafen vor vier Jahren unsere Burg besetzten, wachten wir aus unserem Traum auf. Die Grafen haben uns hier in unserem eigenen Zuhause festgesetzt. Unsere Bediensteten und die Regenten mussten ihnen Treue schwören. Oben feierten sie das mit ihren Männern und den Regenten. Anna und ich mussten unten bleiben. Ihr Grölen und Trampeln höre ich heute noch. In dieser Nacht sind wir aufgewacht, zumindest ich. Aber da war es zu spät.«

      »Es ist nicht zu spät, Fräulein Maria«, sagte Junker Boing.

      »Doch. Es ist zu spät. Meine Schwester Anna lebt wieder in ihren Träumen. Nur zwischendurch wacht sie auf wie ein Kind aus einem unruhigen Schlaf. Dann trösten wir sie, und sie träumt weiter.«

      »Jetzt ist es Zeit aufzustehen!« Auf einmal trat Fockena vor. »Verzeiht, ich bin nicht so ein gelehrter Mann wie Doktor Rimberti. Aber ich habe das Buch gelesen, das er mir geschickt hat. Doktor Luther hat es über Eure Namensmutter, die gelobte Jungfrau Maria, und ihren Lobgesang geschrieben. Die Gewaltigen stößt der Herr von ihren Thronen, auch wenn das mitunter lange dauert. Vier Jahre habt ihr nun gewartet, nun ist es Zeit. Aufgewacht seid Ihr schon vor vier Jahren. Jetzt müsst Ihr aufstehen.«

      Verblüfft sah Maria ihn an. »Es ist zu spät. Ich bin allein. Ich muss es so annehmen, wie Gott es gibt.«

      »Ja«, herrschte Fockena sie an und schlug mit der flachen Faust auf den Schreibtisch. »Gott gibt Euch das Amt, Regentin über dieses kleine Land zu sein. Dieses Amt müsst Ihr annehmen. Das ist Eure Bestimmung. Steht auf, und gewiss wird Hilfe nicht fern sein.«

      Fockena atmete schwer aus.

      Maria sah ihn jetzt wieder an wie ein großes Kind. »Ich habe Eure Worte gehört«, flüsterte sie. »Es … es ist zu viel für mich. Zu große Worte. Ich danke Euch für Eure Offenheit. Ich muss jetzt zu meiner Schwester …«

      Langsam erhob sie sich aus dem Stuhl und ging zur Tür. Boing sprang auf und wollte sie begleiten, doch sie machte ihm ein Handzeichen. »Bitte lasst mich einen Moment allein und besprecht, was zu tun ist.«

      »Es ist Eure Schuld«, schimpfte Fockena. »Ich habe keine Universität besucht wie Ihr. Aber was Luther schreibt, da ist Saft und Kraft darin, auch für ein schlichtes Gemüt wie mich.«

      »In Euren Zornesausbrüchen steht Ihr Luther nur wenig nach«, antwortete Rimberti. »Er hätte wahrscheinlich nicht nur auf den Tisch geschlagen, sondern Fräulein Maria gepackt und durchgeschüttelt.«

      »Den Mann muss ich kennenlernen«,

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