Maria - Fräulein der Friesen. Andreas Scheepker
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Читать онлайн книгу Maria - Fräulein der Friesen - Andreas Scheepker страница 8
»Ich bin vorgestern Eurer Spur nachgeritten. Geht das nächste Mal getrennte Wege. Sonst macht Euch sogar ein Trottel wie Isko Onninga irgendwann ausfindig.«
»Habt Ihr nun endlich Euren Willen, Hedden?« Keno Middens’ schneidende Stimmte tönte zu ihnen herüber. Schnellen Schrittes kam er auf die drei Männer zu. Mit zornigem Blick starrte er auf Folkert Hedden. »Ist es das, was Ihr wollt? Die Männer, die gekommen sind, Euch zu schützen, jagt Ihr davon, und so ist alles den Plünderern preisgegeben. Dies ist allein Euer Werk, Folkert Hedden. Andere mussten mit ihrem Leben und ihrem Gut bezahlen, was Ihr angerichtet habt. Seid Ihr nun zufrieden?«
»Nur ruhig Blut!« Fockena sah ihn durchdringend an. »Isko Onninga wäre hier kein Schutz gewesen. Er kann nur wehrlose Dörfler überrumpeln und ausplündern. Ihr glaubt doch wohl nicht, dass Onninga den Mut gehabt hätte, gegen Owelacker und seine Männer zu kämpfen.«
Keno Middens war verunsichert. »Nun«, erwiderte er, »als Mann in Graf Ennos Diensten scheint Ihr ja keine hohe Meinung von seinen Offizieren zu haben. Ich werde das bei nächster Gelegenheit ansprechen, wenn ich mit Graf Enno zusammentreffe.«
»Das müsst Ihr nicht, das werde ich mit Vergnügen selber tun. Organisiert Ihr lieber Hilfe für die Unglücklichen hier vor Ort.«
»Zunächst werden wir die drei Männer von Owelacker hängen«, entschied Middens. »In dieser Sache werden wir uns ja wohl einig sein.«
»Ich kann dazu nichts sagen«, bemerkte Fockena. »Hedden und seine Leute haben die drei gefangen genommen. Er soll entscheiden, wie wir mit ihnen verfahren sollen.«
»Das steht ihm nicht zu«, stellte Middens gereizt fest.
»Euch steht es auch nicht zu«, erwiderte Hedden. »Wir bringen sie zur Burg nach Jever. Dort sollen sie eingesperrt werden, und der Drost soll gemeinsam mit den Fräulein entscheiden, was aus ihnen wird.«
»Gut.« Middens schien beruhigt zu sein. Er nickte und ging davon.
»Stimmt es, Hedden, dass Euer Haus und Hof verschont geblieben sind?«, erkundigte sich Fockena.
Hedden nickte. »So ist es. Dem Himmel sei Dank.«
»Dann spricht sicher nichts dagegen, dass Ihr meinen Freund Rimberti und mich zu einem anständigen Essen einladet.«
Es war schon Abend, als sie nach Jever zurückkehrten. Die Fräulein hatten sich bereits zurückgezogen, und der Drost war noch nicht wieder zurück. Fockena gab Anweisung, die Gefangenen gut zu bewachen. Rimberti suchte unterdessen die Kanzlei auf, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.
Der Burgschreiber war ein schmaler, übellauniger Mann, der Rimberti für einen Moment misstrauisch beäugte. Augen und Mund waren verkniffen und seine Schultern hochgezogen, als Rimberti sein Anliegen vorbrachte. Er antwortete mit einem kurzen Kopfnicken und führte seinen Besucher in die Kanzlei.
Vor den beiden bleiverglasten Fenstern stand ein großer Tisch mit einem wackeligen Stuhl davor. Die Tischplatte war leer. An der hinteren Wand waren zwei große Truhen aufgestellt, an den anderen beiden Wänden standen riesige Schränke aus schwerem dunklem Holz. Sonst befand sich nichts in diesem Raum.
Rimberti forderte den Burgschreiber auf, die Schränke aufzuschließen, aber der hob die Achseln noch höher und bemerkte kurz: »Das geht nicht.«
»Warum geht das nicht?«, fragte Rimberti nach und gab seiner Stimme einen ungeduldigen Ton.
»Der Rentmeister hat die Schlüssel«, antwortete der Burgschreiber kurz.
»Und? Wo ist der Rentmeister?«
Der Burgschreiber schien sich vor jeder Antwort zu sträuben. Er räusperte sich und sagte dann: »Rentmeister Scriver ist nach Hause gegangen. Wann er morgen wiederkommt, weiß ich nicht.«
Für einen Moment überlegte Rimberti, ob er den Gefangenen einen Besuch abstatten sollte. Aber er wollte nicht hinter dem Rücken des Drosten handeln.
Er hob ein Buch auf, das unter einem der Schränke lag und beschloss, es mit in sein Quartier zu nehmen.
In dem Moment, in dem er sich in sein Bett legte, schlief er auch schon und wurde erst wach, als es schon heller Morgen war.
5
»Unser lieber und verehrter Doktor Rimberti, der Rechtsgelehrte der kaiserlichen Statthalterin. Welche Ehre und Freude, Euch wiederzusehen!«
Lübbert Rimberti erstarrte, als er den Speiseraum der Burg betreten wollte. Er blieb im Türrahmen stehen. Zwischen Fräulein Anna und Fräulein Maria saß niemand anders als Graf Enno von Ostfriesland. Zwei Offiziere Ennos saßen mit ihnen an der Tafel. Neben Fräulein Maria saß ein griesgrämig blickender älterer Mann, den seine schlichte, aber teure Kleidung als Persönlichkeit von Rang auszeichnete. Trotz seines Alters wirkte er kraftvoll. Er warf einen kurzen misstrauischen Blick auf Rimberti und wandte sich dann wieder den Fräulein zu.
Rimberti verneigte sich und überbrachte seine Ehrerbietung und die Grüße von Königin Maria. Diese ritualisierte Begrüßung verschaffte ihm den Augenblick, den er benötigte, um klar zu denken.
Mit ausladender Geste forderte Enno ihn auf, Platz zu nehmen. Die Tafel war reich gedeckt mit frisch gebackenem Brot, Bratenfleisch, Schüsseln mit Grütze, Käselaiben, Kuchen und Obst. Dazu standen Kannen mit Wein und Bier auf dem Tisch.
»Ihr seht, lieber Rimberti, Ihr seid hier bei Freunden, und auch Ihr dürft Euch in dieser Runde als ein solcher fühlen«, sagte Graf Enno. »Auch wenn wir nicht immer eines Sinnes sind, so vergesse ich Euch nicht, dass Ihr mein Leben gerettet habt, als der Mörder mit der Armbrust auf mich schoss. Und den Verkauf der Herrlichkeit Hillersum an meine Widersacher habt Ihr ebenfalls verhindert. Das bisschen Ungemach, das Ihr mir bereitet habt, soll darüber vergessen sein. Ich bin kein nachtragender Mensch.«
Rimberti antwortete nicht und nahm ihm gegenüber Platz. Das Gesicht des älteren Mannes neben Fräulein Maria verfinsterte sich noch mehr.
Graf Enno fuhr fort: »Jetzt müssen wir beide, Ihr und ich, gute Freunde für unsere beiden Fräulein sein. Von Westen droht Junker Balthasar mit Krieg, und aus dem Oldenburgischen kommen Plünderer, ohne dass ihnen dort Einhalt geboten wird. Nun, ich habe Soldaten mitgebracht, die die Burg Jever beschützen. Und mein treuer Diener Isko Onninga wird morgen mit seiner Reitertruppe eintreffen, um die Landgemeinden zu schützen.«
Enno hielt seinen leeren Weinpokal einem Diener hin, der ihn auffüllte. »Gieß er gefälligst mehr ein! Sei er nicht so geizig!«, herrschte der Graf den Diener an. »Ich habe alles aus eigener Tasche bezahlt, was wir hier essen und trinken.« Fräulein Maria sah auf ihre gefalteten Hände. Der ältere Mann neben ihr schaute noch finsterer drein. Ihre Schwester Anna kaute gedankenverloren und schaute in den Raum, ohne dass Rimberti feststellen konnte, wohin ihr Blick schweifte. Auf dem Teller hatte sie kandierte Ingwerstücken. Enno trank den Pokal in einem Zug leer und stieß heftig auf.
»Ich hörte, es gab Ärger?«, fragte Graf Enno und taxierte dabei Rimberti.
»Grootewarden wurde angegriffen«, antwortete Fräulein Maria mit leiser, aber fester Stimme.
»Gestern wurde das Dorf von Owelackers Landsknechten geplündert, und vorgestern