Maria - Fräulein der Friesen. Andreas Scheepker

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Maria - Fräulein der Friesen - Andreas Scheepker

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Häuptling kam am nächsten Tag auf die Friedeburg und ließ sich vom Friedeburger Drosten ausführlich berichten. Der unglückliche Tod seiner Schwestern betrübte ihn. Auch wenn beide inzwischen im siebten Lebensjahrzehnt waren, erfreuten sie sich doch einer guten Gesundheit und hatten ein solch trauriges Ende nicht verdient.

      Middens hatte nur anderthalb Jahre zuvor seinen Bruder und dessen Sohn durch die Pest verloren. Er selbst war dem Tod durch diese Krankheit nur knapp entronnen.

      Folpt Middens ließ seine Schwestern zum Kloster Thedinga bringen und dort bestatten. Dann kehrte er ins Jeverland zurück. Einige Wochen später erhielt er einen Besuch vom Friedeburger Drosten, der ihm mitteilte, dass alle Befragungen und Untersuchungen zum Tod der Schwestern nichts erbracht hätten. Man müsse davon ausgehen, dass der Mörder auf unerklärliche Weise von der Reise der Schwestern und der mitgeführten großen Geldsumme erfahren haben musste. Er musste unentdeckt in die Burg eingedrungen sein und diese ebenso wieder verlassen haben. Der Drost sprach dem Häuptling noch einmal seine Anteilnahme aus und versicherte, auch weiterhin Untersuchungen zum Tod der beiden Schwestern anzustellen.

Im Frühsommer 1531

      1

      Lübbert Rimberti stolperte durch das Dickicht. Sein linker Fuß schmerzte. Wie lang irrte er schon im Wald umher? Eine Stunde? Oder noch länger? Er verspürte Durst. Er brauchte eine Rast. Aber er musste weiter.

      Was er zum Essen und Trinken brauchte, befand sich in seiner Satteltasche. Und sein Pferd war mitsamt dem Sattel davongelaufen. Vielleicht hatte eine Kreuzotter am Wegesrand es zum Scheuen gebracht. Rimberti wusste es nicht. Sein Sturz vom Pferd war hart gewesen, seine linke Seite schmerzte. Er hoffte, dass sein Fuß nicht ernsthaft verletzt war.

      Er humpelte weiter durch das Unterholz. Zweimal hatte er sein Pferd für einen Moment gesehen, bevor es wieder zwischen den Bäumen verschwunden war. Es war keine gute Wahl gewesen, auf den Wirt zu hören und die Abkürzung durch den Wald zu nehmen. Und es war auch keine gute Entscheidung gewesen, seinen Schreiber Kobus Temmen mit dem Packpferd vorauszuschicken, damit er schneller am Ziel eintreffen und vor Ort schon für das Quartier sorgen konnte. Aber Kobus war nun einmal der bessere und schnellere Reiter, und Rimberti liebte es, wenn sein Schreiber bei seinem Eintreffen schon das Quartier vorbereitet hatte.

      Rimberti seufzte und setzte sich für einen Moment auf einen Baumstamm, den ein Sturm mitsamt Wurzelwerk umgerissen haben musste. War er nicht vorhin schon einmal hier gewesen?

      Vermutlich würde sich auch seine Entscheidung, den Auftrag in Jever anzunehmen, als unglücklich erweisen. Bei seinen letzten Reisen nach Ostfriesland hatte Rimberti es verstanden, sich die ostfriesischen Grafen und ihre Gefolgsleute zu Gegnern zu machen. Auf ein Wiedersehen mit ihnen verspürte er wenig Lust, zumal der Rechtsstreit um Jever eine in jeder Hinsicht schwierige Angelegenheit war.

      Plötzlich hörte er das Schnauben eines Pferdes. In einiger Entfernung sah Rimberti zwischen den Bäumen ein helles Grün hervorleuchten. Eine Lichtung. Vorsichtig näherte er sich. Er blieb im Schatten der Bäume. Mitten auf der kleinen Wiese stand sein Pferd und graste friedlich. Vielleicht konnte er hier einfach stehen bleiben und warten, bis sein Pferd zu ihm kommen würde.

      Tautropfen funkelten auf dem frischen grünen Gras. Erst jetzt nahm Rimberti das Vogelgezwitscher wahr. Er blinzelte in die Sonne, die ihm hell und warm durch die Blätter ins Gesicht schien. Für einen Moment fiel der ganze Unmut von ihm ab. Der schmerzende Fuß, die missliche Suche nach dem Pferd und die Sorge um die bevorstehenden Aufgaben in Jever schob er einfach beiseite. Für einen Augenblick fühlte er eine Klarheit und eine Frische, die er sonst selten verspürte.

      Dann kam der Schlag.

      Als Rimberti wieder zu sich kam, zerrten kräftige Hände an ihm. Er konnte nichts sehen, man hatte ihm die Augen verbunden. Ein schneidender Schmerz durchfuhr ihn, als man ihm die Hände fesselte. Er zuckte zurück, aber er konnte sich nicht aus den eisernen Griffen befreien. Dann verspürte er einen kräftigen Stoß, und er wurde mitgezogen.

      Unbeholfen stolperte er mit den anderen dahin. Wer waren sie? Hatten sie es auf sein Pferd abgesehen? Dann hätten sie ihn doch einfach liegen lassen können. Hatten sie es auf ihn abgesehen? Warum hatten sie ihn dann nicht gleich an Ort und Stelle getötet, statt ihn durch den Wald zu zerren? Und außerdem, wer wusste überhaupt von ihm und von seinem Auftrag?

      Die Schmerzen in seinem Fuß holten ihn aus seinen Gedanken. Gebrochen war er sicher nicht, sonst hätte Rimberti nicht so fest auftreten können. Aber jeder Tritt tat weh. Immerhin hatten sie sein Pferd eingefangen und führten es mit.

      Vielleicht waren die Männer, die ihn mitschleppten, nur gewöhnliche Wegelagerer, die ein Lösegeld erpressen wollten. Rimberti hatte davon gehört, dass ein Haufen von Landsknechten aus dem Oldenburgischen die Gegend unsicher machte.

      Die Jeverschen Fräulein Maria und Anna hatten die kaiserliche Statthalterin in Brüssel um Vermittlung gebeten. Sie waren die beiden noch lebenden unverheirateten Töchter des letzten Häuptlings von Jever, der vor 20 Jahren verstorben war. Die Ostfriesen hatten Jever besetzt, und Graf Enno ließ das Jeverland durch seinen Drosten verwalten.

      Königin Maria, die Schwester Kaiser Karls V., nahm für ihren Bruder die Regierungsgeschäfte im nordwestlichen Teil des Reiches, in dem die Sonne niemals unterging, wahr. Sie hatte einen der Juristen der kaiserlichen Regierung, Lübbert Rimberti, nach Jever geschickt, um die Situation vor Ort rechtlich prüfen zu lassen.

      »Nicht so trödeln«, raunzte ihn jemand von der Seite an und gab ihm einen Stoß.

      Rimberti stolperte. Reflexartig wollte er mit seinen Händen und Armen den Sturz abfangen. Aber in dem Moment, in dem ihm bewusst wurde, dass er gefesselt war, schlug er schon auf.

      Helles Sonnenlicht blendete Rimberti, als man ihm unsanft die Augenbinde vom Kopf riss.

      »Sag deinem Grafen Enno, dass er das nächste Mal bessere Spione zu uns schicken soll.«

      Der diese Worte zu ihm sprach, stand im Gegenlicht, sodass Rimberti die Augen zukneifen musste, um ihn sehen zu können: ein kleiner, kräftiger Mann mit struppigen blonden Haaren auf dem Kopf und im Gesicht. Er hielt Rimbertis Pferd am Zaum.

      »Warum erledigen wir ihn nicht gleich an Ort und Stelle?«, fragte ein schwarzhaariger Mann ungehalten. »Graf Enno hat ihn geschickt, um unser Lager auszukundschaften. Jetzt weiß er Bescheid über uns. Fackelt nicht lange, sonst entkommt er uns noch.«

      Rimberti packte die Angst. Sollte dies das Ende seines Lebens werden? Erschlagen von Wegelagerern im Wald? Alle Muskeln spannten sich gleichzeitig an. Hoffentlich merkte niemand, dass er zitterte.

      Er versuchte, so ruhig und selbstbewusst wie möglich zu sagen, was er vorbringen konnte. »Schaut in meiner Packtasche nach, und ihr erfahrt, wer ich bin.«

      Der Bärtige nickte dem Schwarzhaarigen zu. Der ging zum Pferd. Rimberti sah sich um. Seine Augen hatten sich wieder an das Licht gewöhnt. Sie standen im Wald inmitten einer kleinen Ansammlung geduckter Hütten. Die Wände waren aus Flechtwerk gebaut und mit Lehm verschmiert. Direkt um die Hütten waren Büsche gepflanzt, sodass sie bald vollständig eingewachsen sein würden. Ein seltsames Dorf mitten im Wald, dachte Rimberti. Nur eine Handvoll Männer stand hier mit ihm, Frauen und Kinder sah er nicht.

      Der Schwarzhaarige gab dem Bärtigen Rimbertis Packtasche. Umständlich holte der die lederne Schreibmappe hervor und sah konzentriert auf die wenigen Dokumente, die sie enthielt. Darunter war ein Brief des kaiserlichen Staatsrates Christian von Wittenvelde, der ihn im Namen von Königin Maria mit der Reise nach Jever beauftragte.

      Der

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