Maria - Fräulein der Friesen. Andreas Scheepker
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Er verstaute die Unterlagen wieder in der Packtasche und erklärte: »Wir haben allen Grund, misstrauisch zu sein. Überall sind Graf Ennos Männer unterwegs. Sie benehmen sich so, als ob ihnen das Jeverland schon gehörte.«
Rimberti spürte, dass der Bärtige misstrauisch blieb. Offensichtlich handelte es sich bei der Ansammlung von Hütten um das Versteck, von dem vorhin gesprochen worden war. Verbargen sich hier Männer, die von Graf Ennos Leuten gesucht wurden? Wurden hier Waffen und Vorräte für einen Aufstand gegen die ostfriesische Besatzung versteckt?
»Folkert Hedden«, stellte sich der Bärtige vor. »Folkert Hedden aus Grootewarden. Freier Bauer im Jeverland, so, wie die anderen hier es auch noch sind.«
»Noch?«, fragte Rimberti.
»Noch!«, erwiderte Hedden mit Nachdruck. »Graf Ennos Männer haben die Hälfte meiner Kühe und Schweine mitgenommen, weil ich angeblich meine Abgaben nicht bezahlt habe. Sie wollten ein Exempel statuieren. Ich bin Vorsteher und Kirchvogt von Grootewarden und habe meine Abgaben an den Hof von Jever entrichtet. Aber der alte Drost, den Graf Enno eingesetzt hat, hat das verboten. Alle Abgaben soll der ostfriesische Graf bekommen und dafür unser Land beschützen.«
Der Schwarzhaarige, der neben ihnen stand, spuckte aus. »Beschützen? Er nimmt uns aus. Wer seine Abgaben an die Fräulein von Jever gibt, muss dieselben Abgaben noch einmal an Graf Enno zahlen. So wollen die Ostfriesen unsere Fräulein und unser Land ausnehmen.«
»Der neue Drost ist anders«, erklärte Folkert Hedden. »Er bemüht sich, das Land gerecht zu verwalten. Aber für die Kirchspiele in unserer Nachbarschaft hat noch der alte Drost einen Gefolgsmann von Graf Enno eingesetzt, Isko Onninga. Iskos älterer Bruder wird das väterliche Erbe antreten, und nun muss er selbst sich in den Dienst des Grafen begeben. Isko sieht Grootewarden schon als seine eigene Herrschaft: fruchtbares Grünland, Wald mit viel Holz und Wild, sogar ein kleiner Hafen – das ist schon eine Herrlichkeit.«
»Und vor Isko versteckt Ihr …«, begann Rimberti, und hoffte, dass seine Gastgeber den Satz vollenden würden.
»So ist es«, antwortete Hedden kurz. »Genauer wollt Ihr gar nicht wissen, was hier alles verborgen ist. Glaubt mir, so ist es besser für uns und für Euch. Wir werden Euch nun nach Grootewarden geleiten, damit Ihr sicher und gut nach Jever kommt. Vergesst, was Ihr hier gesehen habt. Aber vergesst nicht, was Ihr gehört habt!«
2
Als sie aus dem Wald traten, erblickten sie den aufsteigenden Rauch.
»Isko!«, zischte Folkert Hedden. Er und seine Männer liefen los. Rimberti kletterte auf sein Pferd, das er bisher geführt hatte, und ritt in Richtung Dorf. Zwei Häuser in Grootewarden brannten. Der Rauch wehte durch das Dorf und kündete von Zerstörung und Gewalt. Mehrere bewaffnete Männer standen vor den brennenden Gebäuden und hielten die Dorfbewohner davon ab, das Feuer zu löschen. Inzwischen hatte es sich so ausgebreitet, dass die beiden Häuser nicht mehr zu retten waren.
Rimberti stieg umständlich von seinem Pferd. Da bemerkte er, dass einige Einwohner an den Bewaffneten vorbei drängten. Der Wind hatte gedreht, und die Flammen und Funken bedrohten nun die Nachbarhäuser. Die Leute aus dem Dorf wollten löschen, um ihre Häuser zu retten. Die Soldaten trieben sie zurück.
Als eine Frau einen Bewaffneten zur Seite stieß, gab der ihr einen Hieb mit dem Schaft seiner Hellebarde. Die Frau ging zu Boden. Benommen versuchte sie, wieder aufzustehen, da holte der Soldat erneut aus.
Bisher hatte Rimberti der Szene regungslos zugesehen, unbemerkt von den anderen. Nun packte ihn der Zorn. Das Herz pochte ihm bis zum Hals. Bevor der Soldat ein zweites Mal zuschlagen konnte, stürzte sich Rimberti auf ihn. Der Mann war überrascht von diesem unerwarteten Angriff, und Rimberti warf ihn zu Boden.
Rimberti war kein Kämpfer. Er war noch nicht einmal ein mutiger Mann. Aber der Zorn verlieh ihm so viel Kraft, dass der Soldat sich nicht aus seiner Umklammerung lösen konnte. Mit aller Kraft hielt Rimberti den Mann nieder und entwand ihm die Hellebarde.
Da wurde er von hinten gepackt. Die anderen Soldaten sprangen ihrem Gefährten bei und rissen Rimberti hoch. Zwei hielten ihn fest, die anderen bildeten einen Halbkreis um ihn. Sein Gegner stand vom Boden auf. Er nahm seine Hellebarde und kam grinsend näher.
Im gleichen Moment waren Folkert Hedden und seine Männer zur Stelle und stürzten sich auf die Soldaten. Nach einem kurzen Handgemenge hatten die Männer des Dorfes die Eindringlinge entwaffnet.
»Und was sollen wir mit ihnen machen?«, fragte Hedden.
»Das ist die falsche Frage, Folkert Hedden!« Eine tiefe laute Stimme schnitt durch den Lärm. Im Handgemenge war es unbemerkt geblieben, dass eine Schar bewaffneter Reiter die Dorfbewohner eingekreist hatte.
»Die Frage ist, was wir mit dir machen!« Noch einmal erklang die tiefe Stimme des Anführers. Rimberti hörte, wie die Leute um ihn herum ängstlich den Namen nannten: »Herr Isko.«
Hedden ließ sich nicht einschüchtern. Aufrecht stellte er sich vor den Anführer der Reiterschar. »Isko Onninga, Eure Männer haben unser Dorf überfallen. Sie haben geplündert, sind handgreiflich geworden und haben zwei Häuser in Brand gesteckt. Sich gegen Räuber und Brandschatzer zur Wehr zu setzen, das ist unser gutes friesisches Recht.«
»Was friesisches Recht ist, bestimmt Graf Enno«, erwiderte Isko Onninga.
»Das mag er in seinem Land gern tun, aber wir sind freie Jeverländer. Über uns hat Euer Graf genau so wenig Recht wie Ihr, Onninga.«
»Da täuscht ihr euch gewaltig«, antwortete Isko mit schneidender Stimme. »Graf Enno hat die Schutzherrschaft für euer Land und eure Fräulein übernommen. Darum stehen ihm auch die Abgaben zu. Und wenn ihr nicht kommen und zahlen wollt, dann müssen wir eben kommen und holen, was unserem Grafen zusteht.«
»Wir haben pünktlich unsere Abgaben gezahlt. Ich werde Euch das Schriftstück vorlegen«, sagte Hedden.
»Für mich gilt nur ein Schreiben, das von Graf Ennos Drost oder einem seiner Beauftragten unterzeichnet ist.«
»Wir haben unsere Abgaben in voller Höhe an unsere Fräulein in Jever gezahlt.«
»Graf Enno hat die Fräulein von Jever mitsamt ihrer Herrschaft unter seinen gnädigen und sicheren Schutz genommen. Darum steht ihm die Abgabe zu. Und wenn ihr sie nicht zahlt, dann treiben wir sie ein. Wer uns die Abgabe vorenthält, wird wie ein Dieb behandelt und bestraft. Ich werde ihm und seiner Familie die Habe wegnehmen und sein Haus anzünden. Und ich fange gleich mir dir an, Folkert Hedden.«
»Das steht Euch nicht zu!« Rimberti war erschrocken über die Lautstärke seiner Stimme. Er trat vor, zitternd vor Angst und gleichzeitig fest entschlossen, Onninga in die Schranken zu weisen.
Erst jetzt bemerkte Rimberti den Mann auf dem Pferd neben Onninga. Es war Ulfert Fockena, sein Gefährte, mit dem Rimberti im vorletzten Jahr den Mörder mit der Armbrust gejagt und einen Angriff auf die Insel Bant vereitelt hatte. Fockena sah ihn bedeutungsvoll an, sagte aber nichts und machte auch kein Zeichen des Erkennens. Er wird seine Gründe haben, dachte Rimberti und beließ es dabei.
Isko Onninga musterte Rimberti, der in seiner verdreckten und von der Rauferei unordentlichen Kleidung keine sehr eindrucksvolle Erscheinung abgab.