Aufbrechen. Tsitsi Dangarembga

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Aufbrechen - Tsitsi Dangarembga

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Vater war eingeschüchtert, aber nicht beschwichtigt. „Es sind nur zehn Pfund, über die wir streiten“, fuhr Mr. Matimba fort. „Was können Sie damit schon anfangen, außer sich ein paar Becher masese in den Hals zu schütten? Aber wenn Tambudzai erfolgreich die Schule beendet, verdient sie eines Tages mehr als zehn Pfund im Monat.“

      „Haben Sie je von einer Frau gehört, die im Haus ihres Vaters bleibt?“ brummte mein Vater. „Sie wird einen jungen Mann kennenlernen, und ich habe alles verloren.“

      Doch die Quittung blieb im Büro des Direktors. In jenem Jahr gab es reichlich grüne Maiskolben, die wir rösten und essen konnten, wie es uns gefiel.

      Im Jahr darauf ging ich wieder zur Schule, wurde aber zurückgestuft. Ich war am Jahresende die Beste, und die Leute sagten, das sei so, weil ich die Klasse wiederholte, was vielleicht stimmte. Im nächsten Jahr war ich erneut Klassenbeste. Nun sagten die Leute, es liege daran, dass ich älter sei. Mein Bruder wies mich besonders darauf hin, denn in jenem Jahr wurde er nur Viertbester. Trotz seiner Lässigkeit wusste ich, dass es ihm naheging, und ich erinnerte ihn daran, dass der vierte Platz auch ein gutes Ergebnis sei.

      Babamukuru und seine Familie kehrten in diesem Jahr aus England zurück. Mein Vater hatte sich in Babamukurus Gegenwart immer schon von seiner besten Seite gezeigt. Dennoch war sein Aufwand zu Ehren von Babamukurus Heimkehr großartig. Geld wurde aufgetrieben, durch Betteln, vermute ich, denn darin hatte mein Vater durch Übung Fertigkeit erworben. Diesmal übertraf er sich selbst. „Vakomana, vakomana“, muss er gesagt haben, den in den Händen geborgenen Kopf schüttelnd oder sich mit der flachen Hand auf die Stirn schlagend. „Hast du so was Ähnliches zu Hause schon mal erlebt? Ich hätte es nie für möglich gehalten. Dass Mukoma tatsächlich seine Sachen packt und die Mission verlässt, um nach England zu gehen, fünf Jahre dortbleibt und mit einem akademischen Grad zurückkommt, mit einem akademischen Grad, um bei seiner Rückkehr nichts vorzufinden, nicht einmal eine Ziege! Tscha! Das hätte ich nicht für möglich gehalten! Es beschämt mich wirklich, es beschämt mich.

      Schau um dich, schau dir dein Heim an. Wir beeindrucken die Leute aus der Umgebung. Wer hat das erste Ziegelhaus in dieser Gegend gebaut? Wer sonst hat ein so helles Blechdach, das man bis zur Hauptstraße funkeln sieht? Mukoma! Ich sag’s dir, Mukoma hat es für uns getan. Wir verdanken es Mukoma. Und wir können nicht einmal eine Ziege für ihn schlachten! Schau, wie die Armut uns erniedrigt. Sie hindert uns daran, unser eigenes Fleisch und Blut zu empfangen. Ts-hm-m!“ hat er sicherlich durch die Nase geseufzt. „Wir bringen kein Fest zustande, und Mukoma wird an einem leeren Flughafen ankommen – ich habe nicht mal das Geld für die Busfahrt nach Salisbury.“ Da hat er bestimmt eine Pause gemacht. „Hama dzangu, kannst du mir nicht helfen? Das mit der Ziege habe ich vergessen, aber fünf Shilling, nur fünf Shilling für den Bus? Mukoma gibt dir das Geld zurück, wenn er kommt.“ Mein Vater ist ein Mensch, dem die Leute erst dann kein Geld mehr leihen wollen, wenn sie es schon getan haben. Ich kann mir das Herumstöbern in alten Matratzen, das verstohlene Öffnen kleiner Löcher in den Lehmmauern bei Mondlicht, das Ausgraben verscharrter Kaffeedosen bei Sonnenaufgang vorstellen. Doch schließlich trieb er das Geld auf. Babamukuru sollte am Flughafen empfangen werden.

      Mein Bruder sollte meinen Vater auf der Reise begleiten. Er übertrieb seine Vorfreude auf das Ereignis, um mich neidisch zu machen, indem er in meiner Gegenwart sehr dümmliche rhetorische Fragen stellte. War das Dröhnen eines Flugzeugs so laut, dass es einen taub machte? Klang es mehr wie ein Löwe oder wie ein riesiges Insekt? Wie schwang ein Flugzeug seine Flügel, wenn es sich ganz nahe am Boden befand? Natürlich reagierte ich nicht.

      Sie sollten den Nachtzug von Umtali nach Salisbury nehmen, untergebracht in der unbequemen fünften Klasse. Aber so war es am praktischsten, denn sie konnten nirgendwo in Salisbury übernachten; wenn auch die Reise dadurch um einen Tag verlängert wurde. Das Problem war, rechtzeitig zur Abfahrt des Zuges zwischen acht und neun Uhr abends zum Bahnhof zu gelangen. Das klingt einfach, doch die Busse zur Stadt fuhren nur unregelmäßig durch das Dorf, nach einem Fahrplan, auf den kein Verlass war. Folglich musste man Reisen nach Tagen und nicht nach Stunden planen. Deshalb beschlossen mein Vater und Nhamo, frühmorgens mit dem Bus nach Umtali zu fahren, der laut Plan, aber selten genug pünktlich, um halb sieben jeden Morgen an unserem Busbahnhof hielt. Wenn er überhaupt ankam, eine Stunde später oder früher als vorgesehen, war er meist schon voll: Man erkannte das schon aus einer Entfernung von etwa zwanzig Metern daran, dass der Bus innen schwarz wirkte. Deshalb musste die Logistik der Reise sorgfältig geplant werden. Es gab eine lange, weitschweifige Diskussion über die Frage, ob sie die Nacht zu Hause verbringen sollten, was einen frühen Aufbruch am Morgen bedingte, oder bei meiner Tante, die näher bei der Haltestelle wohnte. Baba und Nhamo waren natürlich für die letztere Variante, doch meine Mutter wies unvernünftigerweise darauf hin, dass meine Tante sie zwar gut ernähren würde, solange sie sich bei ihr befanden, dass man aber von ihr nicht erwarten könne, so großzügig für Reiseproviant zu sorgen wie meine Mutter. Man solle nicht ihr die Schuld geben, sagte meine Mutter, wenn sie im Zug dann verhungerten. Dies sahen die beiden ein. Vater und Nhamo beschlossen, die Nacht vor ihrer Abfahrt bei meiner Tante zu biwakieren, und trugen mir auf, ihnen die Verpflegung zu bringen, die meine Mutter morgens vorbereiten würde. Sie waren sich einig, dass ich ihnen die Verpflegung zur Bushaltestelle bringen sollte und nicht zum Haus meiner Tante, für den Fall, dass ich mich verspätete und erst bei meiner Tante eintraf, nachdem sie schon fort waren.

      Meine Mutter hatte sich verschätzt. Indem sie ihnen auszureden versuchte, eine weitere Nacht auswärts zu verbringen, hatte sie gehofft, dass die beiden gerade das tun würden und sie noch eine Weile länger ihre Ruhe hätte. Das hatte sie zwar erreicht, sich aber zugleich die schwierige und anstrengende Aufgabe aufgehalst, Proviant aufzutreiben. Sie wollten Maisbrot – weil das weiße Brot aus den Läden den Magen zu kurz füllte, während das sadza von gestern zu schwer im Bauch lag – sowie süße Kartoffeln und Hühnerfleisch. Meine Mutter war beleidigt. „Diese Männer denken überhaupt nicht nach“, beschwerte sie sich. „Sie wissen ganz genau, dass noch nicht ausgesät worden ist. Woher soll ich also Maisbrot bekommen? Und süße Kartoffeln! Ich habe sie erst gestern gepflanzt, weil ich es ganz allein tun musste! Und wenn sie wirklich ein Huhn wollen, was soll ich dann für Babamukuru kochen, wenn er kommt?“

      Das Problem wurde wie üblich gelöst. Ich holte Maismehl von meiner Tante, nachdem ich es zuerst erfolglos bei den Nachbarn probiert hatte, die mir jedoch Erdnüsse gaben, als sie hörten, wozu das Maismehl gebraucht wurde. Die süßen Kartoffeln reiften nicht rechtzeitig, aber am Tag vor der Abreise erreichte uns per Telefon aus dem Gemeindehaus die Nachricht, dass Babamukuru Geld für eine Ziege geschickt hatte. So kamen Baba und Nhamo doch noch zu ihrem Huhn.

      Meinem Vater und Nhamo stand eine sehr komplizierte Reise bevor. Kompliziert und aufregend. Ich wollte dabei sein. Auch ich wollte mit Fahrplänen jonglieren. Auch ich wollte um Mitternacht im Zug frisches Maisbrot, in Asche geröstete Erdnüsse und gesalzenes, gekochtes Hühnerfleisch essen. Vor allem wollte ich so sehr das ohrenbetäubende Dröhnen und Brummen (war es ein Dröhnen oder ein Brummen?) der Flugzeuge hören. Die Sehnsucht, mitfahren zu dürfen, zeigte sich wohl auf meinem Gesicht, während ich ihnen beim Schmieden und Ändern ihrer Pläne zuhörte, denn mein Vater nahm mich zur Seite und beschwor mich, meine unnatürlichen Neigungen zu zügeln: Es war selbstverständlich, dass ich zu Hause blieb und den Empfang vorbereitete. Die Vorstellung meines Vaters von dem, was natürlich war, hatte mich schon geärgert, seit ich die Schule verlassen musste. Ich suchte seinen Belehrungen zu entgehen, indem ich in mürrisches Schweigen versank, das laut meinem Vater ebenfalls unnatürlich war: „Nun, da der Mund zu ist, ist das Herz stolz.“ Er drohte mir Prügel an, da er aber lieber faulenzte, machte er sich nie die Mühe, mir nachzusetzen, wenn ich wegrannte.

      Ich hatte das Glück, dass die Position meines Vaters so offensichtlich unhaltbar war, denn sonst hätte mich das alles verwirrt. Unter den gegebenen Umständen war die Situation klar: Es gab keinen Weg, meinen Vater zufriedenzustellen, und auch keinen Grund dazu. Mit Erleichterung ging ich meiner eigenen Wege, was ihn noch mehr aufbrachte. Es gefiel ihm nicht, wenn

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