Baphomet. Akron Frey
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Der magische Gott
Baphomet ist ein psychisches Kraftfeld, eine tiefe, geheimnisvolle Energie, die das Dunkle und Unergründliche an sich bindet. Diese energetische Schwingung in den Abgründen des Unbewussten wirkt gleichsam wie seelischer Klebstoff, der uns mit dem Faszinosum des Unerkannten verbindet, das wir, an unserem Bewusstsein vorbei, hinaus in die Welt projizieren und dessen Spiegelungen wir dann im Strudel der äußeren Geschehnisse erliegen. Psychologisch betrachtet ist dies ein irrationaler Zustand, das Gefühl einer sehnsuchtsvollen Hingabe an das Unentdeckte, Unerkannte, an das Unerhörte in uns selbst. Diese rätselhafte, nicht einzuordnende Erfahrungsebene ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Bösen! Nicht zufällig ist zwischen den Hörnern des Baphomet oder denen seiner vielfältigen mythologischen Derivate oft eine Fackel entzündet: unzweifelhaft als Zeichen der Spiritualität, die sich, dem menschlichen Naturell entsprechend, nun einmal am leichtesten als Licht visualisieren lässt. Auf einer vergeistigten Ebene ist Baphomet mit dem Hermes oder Hermes Psychopompos der griechischen Mythologie gleichzusetzen, dem Begleiter der Seelen aus dem Diesseits ins Jenseits und Anwalt der Verdammten, der sich mit Klugheit und Geschick im Reich der Schatten bewegt. Er ist auch der in der Materie verborgene oder gefangene, Welten erschaffende Geist. Im alchimistischen Rosarium oder Rosarium Philosophorum sagt Hermes von sich selbst: Ich bringe das Licht hervor, aber die Finsternis gehört zu meiner Natur.4 Der gehörnte Pan wiederum ist ein Sohn des Hermes, und sein Gesichtsausdruck ist verschmitzt, weil er weiß, dass sich durch den Teufel der Schatten des Lichtes ausdrückt. In der Vorstellung der Menschen vom Teufel finden wir alles wieder, was die Welt nicht gerne bei sich selbst sieht.
In den alten Mysterienkulten nahm der Schattenbereich die Form verschiedenster Gottheiten an: Er erschien als Pan Pangenitor Panphage, der Alles-Erzeuger und Alles-Vertilger, als tierköpfiger Gott des Sexus und des Todes, Archon, als Reptiliengott Jehova, als der kanaanitische Baal-Zebub, der „Herr der Fliegen“, als Thanateros und als Bock des Sabbats, auch als der ägyptische Gott Seth, gleichbedeutend mit Shaitan oder Satan. Ebenso hierher gehört Abraxas oder Xnoubis (Chnubis), der vielgestaltige Gott, der sowohl gut als auch böse ist, weil er einer antiken, gnostisch-manichäischen Vorstellung entspricht, die den dunklen und den lichten Aspekt in einem einzigen Gottesbild vereint. Vor allem die Manichäer glaubten, die Welt sei aus einer Vermischung Gottes mit dem Teufel entstanden (Gott gab den Menschen Seelen, der Teufel gab ihnen den Körper). Der moderne Prophet des Schattengottes, Aleister Crowley, schreibt über ihn: Er erfreut sich am Derben und Unfruchtbaren nicht weniger als am Lieblichen und Fruchtbaren. Alle Dinge erhöhen ihn in gleicher Weise. Er repräsentiert das Entdecken der Ekstase in jeder Erscheinung, möge ihre Natur auch noch so anstößig oder ekelhaft sein; er transzendiert alle Begrenzungen; er ist Pan; er ist Alles.5
Der sich selbst erkennende Gott
In dieser Schrift ist Baphomet das Symbol des Schattens, des Verdrängten oder die bildhafte Manifestierung des Geistes, der sich selbst ins Auge schaut, des Blickes, der sich im eigenen Auge erkennt, oder des Schattens, der sich im Licht versteckt. Dabei repräsentiert er eine geistige Stufe, auf der das Bewusstsein die Polaritäten des Denkens durchbricht und über die Grenzen der menschlichen Vorstellung hinaus vorstößt.
Also sprach Baphomet, als er aus dem Nichts aufstieg und in der Gestalt der kosmischen Mutter, des Urchaos, den Träumer in die Tiefe lockte:
In mir ist die Vitalität des Wissens, die Muster, anhand derer du gelernt hast, die Welt zu erschaffen, sowie die Muster der Veränderung, die das verändern, was du aus diesen Mustern geschaffen hast – was ficht dich also an, plötzlich verstehen zu wollen, welche Mysterien die Schöpfer durch deinen Geist formen? Siehe, ich bin Astarte-Astaroth, die Göttin der Liebe und die Schlange, Shiva-Kali, der schöpferische, erhaltende und zerstörende Aspekt des Demiurgen, Anima mundi, die Weltseele oder auch schlicht die Große Mutter. Einen Augenblick lang sind unsere Gedanken völlig eins. Wir umarmen uns, halten einander fest, und dieser erste Kuss steht bloß am Anfang eines Hungers, der nur geboren wurde, um desto stärker tot zu sein. Indem du dich aber vom Tode erhebst, lebst du den Tod – der mich tötet! Vielleicht erscheine ich dir unpersönlich; doch da es meine Energien sind, mit denen du die Muster deiner Vorstellung tränkst, bin ich da nicht dein Lebensborn? Wenn du mich Vater nennst, ist es gut, und wenn du mich Mutter nennst, auch. Nur darfst du mich nicht aus dir selbst entfernen, denn ich bin in dir, in jeder deiner Zellen, jenseits der Schwelle, die du kennst, dir näher als dein Atem. Dabei fällt die dunkle Hälfte von dir ab und dir ist, als kehrte der entfesselte Geist ins Licht zurück, denn seine Auferstehung fordert eine triumphale Rückkehr in die Walhallen der Sonnen geradezu heraus. Das zeigt: Die Menschen träumen ihren Wahn, denn sie sind die Schöpfer wie die Akteure in einem Stück, das auf der Bühne in ihrem eigenen Hirn stattfindet, und dieser Traum hat keinen Schluss. Es gibt aber nicht nur kein Ende für ihr Stück, sondern es gibt auch keine Chance, die Hintergründe ihrer eigenen Inszenierung zu durchschauen und aus ihren an die Nachkommen vererbten Anweisungen wieder herauszufinden. Das ist die letzte und tiefste Erkenntnis am Ende aller Lehren: Was die Menschen ständig vor sich auftürmen und was sie in Ermangelung von Klarheit „Realität“ nennen, ist alles nur gequirlte Luft, um sich vom Wesentlichen abzulenken. In dieser Einsicht liegt der von dir gesuchte Schluss: das erkannte Erkennen, das dir die Siegel der menschlichen Vorstellung enthüllt.
Baphomet: Das Licht der Hölle
Das geschlossene Buch
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
und doch gelingt‘s ihm nicht, da es, so viel es strebt,
verhaftet an den Körpern klebt.
Mephisto in Faust I – Erster Teil, Studierzimmer
Dieses Buch ist kein Tarot-Buch im üblichen Sinn. Es behandelt die Tarot-Karten nicht aus der traditionellen esoterischen Sicht, die den Schatten des Lebens und der Seele relativiert, indem dieser auf seinen bloßen Symbolgehalt reduziert wird. Es räumt auch mit dem Aberglauben auf, dass allein schon positive Gedanken oder gut gemeinte Heilungsrituale die Seele des Menschen und das Leben auf der Erde retten können, denn nur bereits die bloße Absicht, die Erde – oder wenigstens die Seele – retten zu wollen, zeugt von ungeheurer schattenhafter Arroganz, solange die Ursache aller polarisierenden und zerstörerischen Handlungen in uns selbst sitzt. Als „Schattentarot“ schlechthin präsentieren Karten und Buch das Panorama einer seelischen und geistigen Unterwelt, die den wahren Schatten im Verdrängen des Schattens – nämlich im „Streben nach Licht“ – erkennbar werden lässt.
Alle Kultivierung der Selbsterfahrung, auf die heute so viel Wert gelegt wird, ist im Grunde überhaupt nicht geeignet, unsere Seelen