Baphomet. Akron Frey

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Baphomet - Akron Frey

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Entwicklung in einem Umfeld des Gleichgewichts vollziehen kann; sie mag es zwar ständig suchen, aber sie darf es nicht erreichen, damit Entwicklung überhaupt möglich ist.

      Akron

      Fast scheint es so, als erlebten wir heute die Geburt eines neuen Weltbildes – oder wenigstens die Erweiterung des weltanschaulichen Rahmens für unsere Bilder. Diesen gilt es jetzt auszufüllen, damit wir ein größeres Stück der Wirklichkeit in unser Bewusstsein integrieren können. Das erste, was uns ins Auge sticht, ist der Umstand, dass die großen religiösen Institutionen in unseren Breitengraden an charismatischem Glanz verloren haben. Ihr vormaliges Erlösungsmonopol müssen sie jetzt mit Heilslehren aus anderen Kulturen und mit den üppig ins Kraut schießenden esoterischen Selbsterfahrungsgruppen teilen. Durch bewusstes und intensives Wahrnehmen und Fühlen versuchen die Menschen, sich ihrem eigentlichen Wesen zu nähern. Bisweilen wirkt es schon kurios, wenn zeitgenössische Erleuchtete im Selbsterfahrungs-Workshop genau denselben göttlichen Plan in atemberaubendem Tempo zu durchschauen meinen, den sie im Religionsunterricht noch als höchst lächerlich empfanden. Wir können von unseren selbst geschaffenen Bildern des Göttlichen nämlich nicht so einfach lassen! Die gegenwärtige Epidemie von Selbsterkenntniskursen verwandelt die alten patriarchalischen Gottesbilder in „Große-Mutter-Gottheiten“ oder ähnliche zeitgemäße Varianten. Alter Wein in neuen Schläuchen! In der Spätantike gab es auch keine größere Stadt, in der nicht ein Mithräum oder ein Isis-Tempel stand, wo man sich in die Geheimnisse der Mysterien einweihen lassen konnte. Die Sehnsüchte haben lediglich ihre rituellen Vehikel gewechselt. So fliegen sie denn jetzt auf den Selbsterfahrungs-Besen des neuen Göttinnen-Kults oder anderer esoterisch verbrämter Zeiterscheinungen in die tiefen Brunnenstuben der Ur-Mütter hinab, um die inneren Geheimnisse zu entdecken, die Schleier von den verborgenen Mysterien zu reißen und die wahre Selbsterkenntnis zu finden.

      Eines aber bleibt sich immer gleich: Böses wird verdrängt und auf andere projiziert, und die negativen Prägungen des eigenen Selbst werden vor sich selbst und anderen versteckt. Ihren Ursachen wird nicht begegnet, und da wir in einer Zeit psychologischer Erkenntnisse nicht mehr dumm genug sein dürfen, das Dunkle, Schattenhafte in uns vollkommen zu leugnen, dürfen wir ihm wenigstens falsche Namen geben. Wir nennen es Blindheit oder Unbewusstheit und bringen es mit der negativen Seite eines Geisteszustandes in Verbindung, dessen Gegenstück die Vollständigkeit oder Ganzheit wäre. Das heißt, wir gehen davon aus, dass das Böse die Abweichung vom Guten ist und dass es durch Erkenntnis und Bewusstseinserweiterung zu überwinden sei. Dabei merken wir nicht, dass gerade in diesen esoterischen Modellen der eigentliche, wahre Teufel sitzt, weil durch sie suggeriert wird, dass Bewusstwerdung und Erkenntnis der Tod des Teufels wären.

      Das Böse ist nicht der Widerspruch zum Guten. Es kann nicht durch das Gute vermieden werden, sondern es ist jene Seite des Guten selbst, die wir vom Guten abgetrennt haben, damit die andere Seite als Gutes weiter existieren darf.

      Akron

      Der Kampf gegen das Böse ist absurd. Denn er bringt nie das Gute, sondern immer nur das Böse im Kleid des Guten hervor. Lohnt es sich überhaupt, das Böse zu bekämpfen? Einerseits haben alle Kämpfe gegen äußere Widersacher, Minderheiten oder Probleme gezeigt: Je mehr man dagegen ankämpft, desto hartnäckiger widersetzen sie sich dem eigenen Bemühen. Andererseits liegt auch darin durchaus ein Sinn, wenn auch ein verborgener: So hat zum Beispiel die Kirche im Teufel ihren verdrängten Schatten nur deshalb heraufbeschworen, um sich selbst im Kampf gegen das Böse zu legitimieren und damit das verdrängte Böse in sich selbst aggressiv – und gleichzeitig unerkannt – auszuleben, indem man durch die Zerstörung des angeblich Bösen ja vermeintlich Gutes tat. Dies zeigt nur, wie unlösbar jede Existenz an ihren verdrängten Schatten, den Teufel, gebunden ist: Indem sie ihn bekämpft, verhilft er ihr zum seelischen Gleichgewicht. Um nichts anderes geht es, wenn man das Böse legitimiert, um das Gute zu bewirken.

      Damit wird auch klar, dass der Teufel die andere Seite Gottes ist, also jener Teil, der im Schatten existieren muss, damit der andere sich weiter im Licht sonnen kann. Beide Teile bedingen sich gegenseitig, und es ist nicht – wie Schiller meinte – der Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeugend Böses muss gebären, sondern es ist das Muster des einen, das das Muster des anderen bedingt und ausgleicht. Das Gute ist nicht einfach das Gute, und das Böse ist nicht einfach das Böse, denn beides ist je nach dem Standpunkt des Betrachters sehr verschieden. Was für den einen das Gute ist, ist für dessen Feind das Böse – zumindest, solange er sein Feind ist. Umgekehrt ist die Faszination des Bösen auch nur so lange faszinierend, wie wir seine Bindung an das Gute nicht erkennen. Durch die Verdrängung des Bösen verhelfen wir diesem Bösen – ob gewollt oder ungewollt – zu einer kultischen Größe, was weniger seiner wahren Natur als Böses, sondern vielmehr der Tatsache entspricht, dass es uns, aus uns selbst entfernt, außerhalb unserer selbst an unser eigenes Unentdecktes erinnert. Es ist in der Tat ein „höllisches“ Gebilde, von dem wir uns zwar bewusst abgestoßen fühlen, das uns aber unbewusst durch alle Verdrängungen hindurch anzieht, weil es der unentdeckte Teil unserer selbst ist. Doch es zieht uns nur so lange an, wie wir es nicht in uns selbst erkennen! Der Satanskult oder die Teufelsbeschwörungen in ihren schillernden Ausprägungen haben deshalb keine eigenständige, negativ-destruktive Bedeutung, sondern sie sind einfach die Umkehrung der überlieferten Position: ein revolutionärer Akt gegen die Herrschenden und gleichzeitig so unlösbar mit dem Bekämpften verbunden, dass man fast geneigt ist, ihn als unbedeutend abzutun, wenn sich unter seiner übertriebenen Einseitigkeit nicht auch das unbewusste Streben nach Ganzheit verbergen würde.

      Solange das Bild der Erbsünde und des Sündenfalls eine Rolle spielt, mögen manche im Leben die Strafe für das Streben sehen, wie Gott werden zu wollen. Es war die Schlange, die zu Eva sprach:

       „Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“ (1. Mose 3,5). Die Bibelstelle zeigt aber auch, dass die Schuld am Sündenfall Eva in die Schuhe geschoben wurde, die sich von der Schlange verführen ließ und den schwachen Adam mit in den Untergang riss.

      Akron

      Wie relativ Gut und Böse sind, erleben wir gerade auch im Umgang mit der Sexualität, denn der allzu freie Umgang mit der Liebe galt schon immer als eine der großen Herausforderungen für das soziale Gefüge einer Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund wird man sich auch über die Gründe klar, warum das Patriarchat unter dem Deckmantel von Recht und Ordnung in den vergangenen Jahrhunderten die Triebnatur des Menschen so sehr bekämpfte. Indem die herrschende Klasse alles sich der Kontrolle Entziehende in der Welt verfolgte, sorgte sie dafür, dass Trieb und Instinkt insgeheim in der aggressiven Entladung gegenüber dem „Bösen“ überlebten. Gleichzeitig wurde damit ein Beitrag zur Stabilisierung seiner eigenen Herrschaft geleistet, denn der Kampf gegen das Böse richtete sich immer auch gegen die „Feinde“ des Patriarchats.

      Erst wenn wir den Sinn in der Zerstörung, die wir anrichten, erkennen, können wir auch erkennen, dass wir in allem nur die Strafe für das Leben suchen: für die bare Tatsache, dass wir ins Leben geboren sind, so wie es Schopenhauer

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