GegenStandpunkt 3-16. Группа авторов
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Deutsche Arbeitsplätze
Neben viel Anerkennung für ihren Erfolg bei der relativen Emanzipation des Geschäftserfolgs von zu bezahlender Arbeit erhalten die Unternehmen der deutschen, insbesondere der mittelständischen Industrie Lob dafür, auch in Krisenzeiten absolut die Zahl ihrer Arbeitsplätze erhalten und sogar neue geschaffen zu haben. Gut ist also, dass der arbeitssparende Fortschritt der arbeitenden Bevölkerung hierzulande von der Last der Arbeit überhaupt nichts erspart. Das ist deshalb positiv, weil an den Lebensunterhalt derjenigen gedacht wird, die einen solchen nur beziehen, solange sie aus ihrem Dienstverhältnis am Unternehmenserfolg nicht entlassen werden; was Liebhabern der Marktwirtschaft beweist, wie verantwortungsbewusst sich die „Arbeitgeber“ um die menschlichen Anhängsel ihres Erfolgs kümmern, wenn sie sie für diesen in Dienst nehmen. Zweitens aber loben die Politiker den vergleichsweise konstant hohen Anteil gerade der industriellen Beschäftigten als Indiz für die ausgezeichnete Qualität des Wirtschaftsstandorts; sie entnehmen ihm, worauf es ihnen ankommt: dass nämlich das nationale Wachstum in der Industrie, die andere Länder so schon gar nicht mehr haben, eine zuverlässige Gewinnquelle und damit eine sichere Stütze hat. Das Allgemeinwohl, um das sie sich von Berufs wegen sorgen, sehen sie von den Unternehmern ihres Produktionsstandorts bestens bewirtschaftet, wenn die die Weltmärkte derart für sich zum Mittel zu machen verstehen, dass sie alle Rationalisierungswellen führend mitgestalten und dabei einen so durchschlagenden Erfolg haben, dass sie trotz des gewachsenen Produktivitätsniveaus mindestens genauso viel arbeitendes Volk wie zuvor profitbringend für sich verwenden.
Dabei kann nicht oft genug unterstrichen werden, dass es qualifizierte Arbeitsplätze sind, die da erhalten werden. Die Tatsache, dass die Arbeitsplätze gewisse Kenntnisse und Fertigkeiten verlangen, gilt deswegen als ihr besonderes Qualitätsmerkmal, weil bekanntlich für eine Arbeit, die jeder erledigen kann – der technische Fortschritt bringt ja auch in dieser Hinsicht einiges an Aufwandsersparnis für die Bewerkstelligung des unmittelbaren Produktionsprozesses –, jeder Grund für eine auskömmliche Bezahlung und einigermaßen aushaltbare Arbeitsbedingungen entfällt. Allerdings ist die „Erhaltung qualifizierter Arbeitsplätze“ nicht damit zu verwechseln, dass die einfach so erhalten würden, wie sie sind – es sei denn, man macht das Späßchen mit, dass die Konstante der modernen Arbeitsplätze schon seit Langem die Anforderung von „Flexibilität“ ist, also die Tatsache, dass von dem Bündel an Anforderungen, das dort zu erledigen ist, nie etwas beim Alten bleibt. Wenn vor allem „Bildung“ als die wichtigste Qualifikation für besser bezahlte Arbeitsplätze, die bekanntlich alles andere als eine sichere Bank sind, genannt wird, wird auch deutlich, dass der lohnabhängige Mensch in seinen Bemühungen um den Erhalt seiner Chancen auf Weiter- und Neubeschäftigung kein Mittel in der Hand hat, um „sich“ seine Einkommensquelle zu erhalten: Mit einer konkreten Eigenschaft, die sich einmal erwerben und dann zum Einsatz bringen ließe, hat diese Anforderung wenig zu tun; kontinuierliche „Weiterbildung“, „lebenslanges Lernen“ ist erfordert, weil jedes erforderte Bescheidwissen ebenso vergänglich ist wie der technische Fortschritt rasant, mit dem man mithalten können muss, um sich seine ‚employability‘ nicht zu verspielen. Soziologen meinen deshalb entdeckt zu haben, dass der technische Fortschritt die Gesellschaft zu einer „Wissensgesellschaft“ entwickle – als hätte die Technik die Macht im Land und nicht diejenigen, die sie dem Personal an ihre Arbeitsplätze stellen. Was sie so zu einer absoluten Notwendigkeit stilisieren, ist der Zwang zur permanenten Anpassung an die stets wechselnden Betriebserfordernisse, um sich die Chance zu erhalten, als Manövriermasse des Kapitals zu funktionieren.
Der medizinische und psychologische Sachverstand drückt dieselbe Qualität der modernen Arbeitsplätze lieber an der mentalen Schwierigkeit aus, den permanent wechselnden Anforderungen nicht nur nachzukommen, sondern sich erfolgreich an sie anzupassen, mit der eigenen Qualifikation und ihrer Präsentation zu konkurrieren und das alles mit einigem Zusatzaufwand zum Mittel und Inhalt eines selbstbestimmten Lebens umzudeuten: Die Deutschen werden vom „Stress“ heimgesucht, mit dem sie mehr oder weniger schlecht klarkommen – und kein Boulevardblatt verzichtet auf regelmäßige Tipps und Tricks, wie diese unvermeidliche Alltagssorge am besten zu „bewältigen“ sei.
Ebenso permanenten Revolutionen unterworfen wie die Qualifikation, die der Arbeitsplatz verlangt, ist die Antwort auf die Frage, welchen Lebensunterhalt die Abarbeitung eines gegebenen Bündels von Anforderungen abwirft. Denn das deutsche Kapital setzt noch auf anderen Ebenen als dem permanenten technischen Fortschritt – der Lohneinsparung durch Steigerung der Arbeitsproduktivität mit technischen Mitteln – seine enorme Innovationskraft ein, um international „wettbewerbsfähig zu bleiben“. Dieselben Arbeitsplätze in eine andere Firma zu verlagern und so aus dem Haustarifvertrag „outzusourcen“ bringt eine Senkung der Lohn-Stückkosten ganz ohne technischen Zusatzaufwand. Und neben den Anstrengungen, aus der bezahlten Arbeit mehr herauszuholen, ist die bleibende Leitlinie, für die benötigte Arbeit schlicht weniger zu bezahlen. Dazu hat das Kapital eine ganze Reihe von Winkelzügen entwickelt, von Tarifwechseln und betrieblichen Sondervereinbarungen bis zu Leiharbeit und Werkverträgen usw. Deutsche Firmen finden die für die Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbaren Gelegenheiten zur direkten Lohndrückerei und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, durch die die Arbeit im gleichen Maß ertragreicher wird wie für die Beschäftigten unerträglicher, längst nicht nur im Ausland – wo sie diese natürlich auch reichlich nutzen –, sondern kreativ alle ihnen gebotenen rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um auch diese Sorte „Beschäftigung in Deutschland zu halten“.
Dennoch ist die Inanspruchnahme der meisten in diesem privilegierten Bereich Beschäftigten zu ihrem Segen tarifvertraglich geregelt – auch zur Zufriedenheit der Arbeitgeber. Mit einem Grundgehalt wird die Anzahl durchschnittlich zu leistender Arbeitsstunden entgolten. Die wirkliche Arbeitszeit kann deutlich nach oben abweichen und begründet damit formelle Ansprüche, die sauber auf einem Arbeitszeitkonto notiert werden. „Eingelöst“ werden können sie natürlich nicht gegen, sondern allein nach Maßgabe der Betriebsnotwendigkeiten, nämlich dann, wenn eine reduzierte Auftragslage weniger Arbeit verlangt. Damit das nötige Geld nicht fehlt, wenn in Phasen verordneter Unterbeschäftigung endlich mal Zeit ist, die Überstrapazierung des Körpers in den Spitzenzeiten „auszugleichen“ – auch wenn sich bei den Arbeitern überdurchschnittlicher Verschleiß nicht mit verordnetem Müßiggang „kompensiert“, tut es das auf dem Arbeitszeitkonto –, zahlen die Unternehmen praktischerweise gleich ein festes Gehalt und behalten sich selbst vor, wie sie sich das dadurch gesicherte Recht auf Inanspruchnahme der Lebenszeit ihrer Beschäftigten einteilen. Sie haben sich bei der Erfindung des Arbeitszeitkontos schon etwas gedacht. Einen „leistungsabhängigen“ Lohnteil gibt es darüber hinaus auch noch, mit dem das Eigeninteresse an der Ablieferung von „Leistung“, wie auch immer das Unternehmen diese definiert, belohnt wird. Wenn gleich festgelegt wird, dass von einer definierten betrieblichen Gesamtlohnsumme die einen so viel weniger kriegen, wie die anderen mehr, steigt allgemein die Disziplin und verringern sich die Krankheitstage in der ganzen Belegschaft ganz ohne Zusatzkosten wie von allein. Mit Abzügen von diesem Lohnteil bei Qualitätseinbußen, Verzögerungen und anderweitigem Verfehlen definierter „Zielvereinbarungen“ – verniedlichend „Prämienlohn“ genannt – macht ein Unternehmen seine Arbeiter automatisch dafür haftbar, dass seine Rechnungen keine Schädigung erleiden. In all diesen Lohnformen