GegenStandpunkt 3-16. Группа авторов
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– Für all die kostspieligen Weltrevolutionen, Disruptionen und nationalen Aufbrüche setzt das Land eine Finanzmacht ein, wie sie höchstens eine Handvoll anderer Staaten weltweit haben und in Anschlag bringen können. Die „Finanzmärkte“, die andere Länder vor den Staatsbankrott stellen, bewähren sich als Motor für die deutschen Offensiven an den Weltmärkten.
– Diese Art problemlösungsorientiertes Denken beherrscht nicht nur den wirtschaftspolitischen Sachverstand, sondern den ganzen Geist der Republik; der kann die Gleichung von deutschem Geschäft und Menschheitsbeglückung sogar umgekehrt buchstabieren. Wenn anlässlich eines nicht enden wollenden Krieges im Morgenland Millionen versuchen, Richtung Europa zu fliehen, werden sie nicht nur von Mutti Merkel als Gelegenheit für europapolitische Vorstöße genutzt, die Kompetenzen über die Außen- und Innengrenzen Europas im Sinne der deutschen Führungsmacht neu zu regeln. Die ungefragt Dahergelaufenen werden – wenn sie schon mal da sind – mit einem freundlichen Gesicht „integriert“, nämlich als Sonderangebot in den deutschen Kapitalismus, wo sie sich erkenntlich zeigen können für die Barmherzigkeit, dass Deutschland an ihnen seine weltpolitische Verantwortung demonstriert.
„Wir schaffen das!“: Sowohl vom weltoffenen deutschen Wesen wie von seiner Technologieführerschaft, Geldmacht und Staatsgewalt wird die davon heimgesuchte Welt wohl noch einiges an Genesung zu erwarten haben.
II. Lebensstandard und sozialstaatliche Fürsorge
im reichsten Land Europas
Das freie Privatleben und seine Herausforderungen
Dem Urteil, dass sein Lebensinhalt die Dienstbarkeit an fremdem Nutzen ist, will sich so einfach keiner von denen anbequemen, die sich dafür einspannen lassen. Schließlich eröffnet sich ihnen nach Arbeitsende und mit dem verdienten Lohn das geschätzte Reich der Freiheit, mit der jeder anfangen kann, was er für wichtig hält; und so machen sich Millionen daran, den Traum vom Lohn der Mühen wahrzumachen. Die Eigenart ihrer Mühen, sich für sie nicht zu lohnen, nehmen sie nur in der Form zur Kenntnis, dass viele Herausforderungen zu bewältigen sind, um sie für sich lohnend zu machen.
Die erste Herausforderung besteht darin, dass man sich das verdiente Geld einteilen muss; woran mehr festzuhalten wäre, als dass sich da einer selbstständig überlegen darf, wofür er sein Geld ausgeben will und wofür nicht, nämlich: was, wobei und zwischen welchen Alternativen er zu entscheiden hat. Schon wenn er sich dem Erfordernis zuwendet, dass das Leben außerhalb der Firma einen Ort braucht, wo es stattfinden kann, kann ein Lohnverdiener bemerken, wie wenig sich die diesbezüglichen Angebote nach seinen Bedürfnissen richten. Wenn er beschließt, sich lieber für eine enge, günstig gelegene Mietwohnung als für eine etwas größere weiter außerhalb zu bewerben oder umgekehrt, dann trifft er zweifellos eine persönliche Entscheidung nach individuellen Präferenzen, unverkennbar aber auch eine zwischen von Vermietern durchkalkulierten Alternativen und für das kleinere Übel. Da sie schon ein gutes Drittel des Lohns absorbiert, ist diese Entscheidung auch eine darüber, wie viel noch übrig ist für die Abwägung, was in Küchen-, Wohn- und Schlafraum alles herumstehen soll – die mit zu den wichtigsten Fragen der Lebensgestaltung gehörende Suche nach einer erschwinglichen Differenz zwischen Leben und bloßem Wohnen führt Massen zu Ikea – , und welche Verkehrsmittel zur Wahl stehen, um von dort aus zur Arbeit zu kommen und wieder weg. Die Frage, ob es unbedingt ein eigenes Auto „braucht“, bezeugt zwar nur, wie sehr diese Notwendigkeit die Mittel für anderes auffrisst, lässt sich unter Umständen heutzutage aber auch mit Nein beantworten; vielleicht hält sich der zusätzliche Aufwand an Zeit, die dann für die anderen Notwendigkeiten fehlt, sogar in Grenzen. Die Tatsache, dass bei der lohnabhängigen Menschheit der Entschluss zur einen Bequemlichkeit der zum Verzicht auf eine andere ist, macht sie zu den Adressaten der Werbung, mit der sich die Geschäftswelt um die beschränkte Zahlungsfähigkeit des Volkes streitet. Die Fachleute dieses humorvollen Gewerbes wissen Bescheid, wie weit die Freiheit der Menschen mit der kleinen „Kaufkraft“ reicht, die aus den gewöhnlichen Vergnügen einen „Luxus“ macht. Diese Vokabel bezeichnet nämlich sehr exakt die Genüsse, die sich einer nur leisten kann, wenn er an einer anderen Stelle Abstriche macht; was geschäftstüchtige Banken zu Offerten veranlasst, ihren Kunden „den Weg frei“ zu machen bei der Anstrengung, sich durch Sparen, aktuellen Verzicht, eine Anschaffung zu ermöglichen, die sonst nicht drin ist, oder die im Lohn liegende Beschränkung aktuell durch Verschuldung, Verpfändung der Mittel der Freiheit der Zukunft, zu durchbrechen und später mit umso härterem Verzicht dafür zu bezahlen. Die gelobte Freiheit hat für lohnabhängige Menschen mit einer Überwindung der Befangenheit in Notwendigkeiten nichts zu tun; ihr materieller Inhalt besteht darin, sich in einem fort frei, persönlich und ohne Bevormundung zu entscheiden, wie sie die Notwendigkeiten ihres Zurechtkommens abwickeln. Und Letzteres einer Welt von Angeboten abzuringen, die allein darauf berechnet sind, für die Eigentümer von Lebensraum, Lebensmitteln und Geld lohnend zu sein, nach einem seit 1848 unveränderten Prinzip: „Ist die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten so weit beendigt, dass er seinen Arbeitslohn bar ausgezahlt erhält, so fallen die anderen Teile der Bourgeoisie über ihn her, der Hausbesitzer, der Krämer, der Pfandleiher usw.“
Deswegen ist es auch noch nicht mal so, dass wenigstens das Auskommen mit dem Einkommen eine sichere Sache wäre, wenn schon das Reich der wirklichen, materiellen Freiheit ganz den anderen Klassen vorbehalten ist. „Armut“ wird im modernen Deutschland öffentlich und offiziell thematisiert: als die Lebenslage derer, denen das Zurechtkommen nicht gelingt. Obgleich der „Armutsbegriff“ wissenschaftlich und moralisch hoch umstritten ist, herrscht allgemeiner Konsens, dass es sich bei ihr um die Abweichung von der Normalität handeln muss und sie insofern auch nichts anderes sein kann als eine Ausnahme von der Normalität, dass ein anständiger Mensch mit anständiger Arbeit sein Auskommen hat. Dabei sind die außergewöhnlichen Bedingungen, die Menschen in die Lage bringen, „armutsgefährdet“ zu sein – „Armutsrisiken“ wie ein wenig fehlendes Glück am Arbeitsmarkt, zu dem sich auch noch familiäres Pech gesellt –, „Armutsforschern“ zufolge statistisch gar nicht so selten. Karitative Organisationen meinen gar, dass „Armut jeden treffen kann“, jedenfalls wenn er von „abhängiger Beschäftigung“ lebt; und zweifelsfrei wirklich getroffen hat sie zumindest z.B. die „Millionen Menschen, die nicht ausreichend zu essen haben“ und bundesweit an 900 ehrenamtlich betriebenen Tafeln mit Lebensmitteln versorgt werden, die sie sich im Discounter nicht leisten können. Die Unterhaltungswelt wird neben rührenden Reportagen über Menschen, die „ohne eigenes Verschulden in Not geraten“ sind und sich dennoch „nicht unterkriegen lassen“, durch Talkshows und Doku-Soaps über die Fälle von Sozialarbeitern und Schuldnerberatern bereichert, in denen das Publikum zur eigenen Meinung angestachelt wird, ob die Abgestürzten in ihrer Lebenslage alles richtig machen. Das ist nämlich die entscheidende Frage für die öffentliche „Beurteilung“ ihrer Lage: Ohne sichtbare Anstrengungen, anständig mit ihr zurecht- und nach Möglichkeit wieder herauszukommen, haben sie kein Mitleid verdient, ziehen vielleicht sogar den Verdacht auf sich, ihre Armut verdient zu haben – als sei die die Vergütung für fehlenden Anstand. Die elitären Macher des „Unterschichtenfernsehens“ können eben davon ausgehen, dass die wirklichen Menschen, die sie da unterhalten, es gewohnt sind, dass es einiges an Mühe kostet, so Maß zu halten, dass ein Leben dabei herausspringt. Wovon auch der häufig verlautbarte Stolz auf die eigene Leistung, die „Herausforderungen des Lebens“ insgesamt doch so gut zu meistern, dass man ganz gut zurechtkommt, ein Zeugnis ablegt. Auch daran, dass die „Vorsorge für das Alter“ als ein unverzichtbarer Posten gilt, wozu schon die Jugend ermahnt wird und sich einleuchten lässt, es mit der Lebensqualität nicht zu übertreiben, damit die bevorstehende Altersarmut aushaltbar wird, lässt sich bemerken, was im Unterschied zur