GegenStandpunkt 3-16. Группа авторов

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zivile Konkurrenz innerhalb der Europäischen Union abgelöst hat. Folgerichtig entdeckt die Kanzlerin nicht nur keine Täter, sondern vor allem keinen Sinn und Zweck des Tötens und Sterbens von Verdun. Den ein Jahrhundert zurückliegenden Krieg um die imperialistische Vorherrschaft in Europa präsentiert sie als negatives Abziehbild von heute: als Bruderkrieg zwischen Völkern, die damals von ihrer Verwandtschaft freilich noch nichts ahnten, die in „Engstirnigkeit und Nationalismus, Verblendung und politischem Versagen“ sich als Erbfeinde gründlich missverstanden. Und umgekehrt: Verglichen mit der verheerenden Todfeindschaft der Nationen von 1916 ist das Europa des Jahres 2016 nichts als das positive Abziehbild von damals: die vollbrachte Erfüllung aller Ideale abendländischer Völkerfreundschaft bzw. vor allem des einen Ideals – es ist ja unzweifelhaft Frieden in Europa und nicht Krieg.

      Für diese Verherrlichung des heutigen Europa mittels Verdun-Gedenken muss die deutsche Staatschefin den wirklichen Zustand der Europäischen Union noch nicht einmal verschweigen, im Gegenteil:

      „Das gilt für die Bewältigung der europäischen Staatsschuldenkrise oder den Umgang mit den vielen Menschen, die bei uns Zuflucht suchen... Unser gemeinsames Bekenntnis zu den grundlegenden Werten Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit muss täglich unter Beweis gestellt werden.“

      Sie zitiert die aktuellen Hauptkrisenlagen und Gegenstände erbitterter innereuropäischer Staatenkonkurrenz, um zu betonen, dass das alles letztlich eine hervorragende Sache mit glanzvoller Perspektive ist und bleibt, wenn man dabei nur immer schön an das Massentöten denkt, das die Rechtsvorgänger der heutigen europäischen Konkurrenten neulich einmal für passend hielten.

      Ganz ohne rundes Jubiläum wird in diesem Frühjahr auch der Opfer des Atombombenabwurfs auf Hiroshima gedacht, diesmal mit einer Premiere: Ein amtierender Präsident der Supermacht, die damals mittels Atombombe die Stadt dem Erdboden gleichmachte, Japan zur Kapitulation zwang und dadurch den Zweiten Weltkrieg siegreich beendete, wohnt den Feierlichkeiten am Ort des Geschehens bei. Im Vorfeld ist denn auch spekuliert worden, ob sich Obama stellvertretend für seine ganze Nation zu einer offiziellen Bitte um Entschuldigung durchringt.

      Was er dann tatsächlich tut und sagt, ist etwas anderes und eines US-Präsidenten auf jeden Fall würdig. Er dreht den Spieß nämlich einfach um. Statt bei den nationalen Nachfahren der Opfer des amerikanischen Nuklearkriegsschlages zu eruieren, ob sie den nationalen Nachfahren der Täter vergeben und zur Versöhnung mit ihnen bereit sind, bietet umgekehrt er großherzig an, den Überlebenden, Hinterbliebenen und der japanischen Nation in Gänze nicht mehr böse zu sein, sondern sich versöhnen zu wollen. Zum Beweis dafür schreiben ihm seine Drehbuchautoren einen Show-Auftritt ins Programm: Er drückt einen leibhaftigen Überlebenden an seine Präsidentenbrust, was jener ihm mit Tränen der Rührung auch gebührend dankt.

      Und ganz dieser netten Geste entsprechend sieht die moralische Lehre aus, die Obama verkündet. Er führt in seiner Rede aus, dass in rückwärtiger Betrachtung das Ereignis mit den Kategorien ‚Täter‘ und ‚Opfer‘ gar nicht zu fassen ist. Erstens:

      „Vor 71 Jahren, eines schönen wolkenlosen Morgens, fiel der Tod vom Himmel und die Welt wurde verändert.“

      Von einem politischen Subjekt, das den Tod per Flugzeug in den Himmel befördern ließ, um dann seinen punktgenauen Abwurf zu befehlen, will der amerikanische Oberbefehlshaber nichts wissen. Dafür weiß Obama zweitens, dass der plötzliche Massentod, von dem die Japaner Jahr für Jahr so viel Aufheben machen, Tradition hat, und zwar eine ganz lange. Schließlich zeugen „Artefakte davon, dass gewaltsame Konflikte so alt sind wie die Menschheit“. Und überhaupt:

      „Was uns zur Spezies macht – unsere Gedanken, unsere Vorstellungskraft, unsere Sprache, der Werkzeugbau, unsere Fähigkeit, uns selbst von der Natur zu unterscheiden und sie unserem Willen zu unterwerfen –, genau das verleiht uns ebenso die Fähigkeit zu unvergleichlicher Zerstörung.“

      In größerem, anthropologisch dimensioniertem Kontext erhellt sich also, dass die 140 000 Japaner zum Opfer der Natur ihrer eigenen Gattung wurden, die fortschreitend effizienteres Kriegsgerät baut, weil sie es kann – und dann selbstverständlich regen Gebrauch davon macht. Letztlich würde sich die Krone der Schöpfung so berechnungslos wie zielstrebig in eine evolutionäre Sackgasse manövrieren – wenn nicht justament der historische Höhepunkt technologisch perfektionierter Massentötung dem US-Präsidenten eine Lektion erteilt hätte, die dieser umgehend an seine Mitmenschen weiterreicht:

      „Die Vorstellung des Atompilzes, der in diesen Himmel wuchs, erinnert uns an den Kernwiderspruch der Menschheit... Technologischer Fortschritt ohne äquivalenten Fortschritt menschlicher Institutionen bedeutet unseren Untergang.“

      Aus dem Munde des Vorsitzenden der Institution, die es zum technisch fortschrittlichsten Mittel „unvergleichlicher Zerstörung“ gebracht hat, ist es besonders glaubwürdig, wenn er daran erinnert, dass „die gewöhnlichen Menschen“ sich ihre massenhafte Vernichtung nicht bestellt haben. Weshalb ihre Führer sie dennoch für „die Menschen“ ihrer Feinde auf die Tagesordnung setzen, lässt er großzügig offen – Hiroshima immerhin, meint er, sollte sie zögern lassen:

      „Die gewöhnlichen Leute wollen keinen Krieg mehr. Sie hätten es lieber, wenn sich die Wunder der Wissenschaft auf eine Verbesserung ihres Lebens und nicht auf seine Zerstörung richteten. Wenn die Entscheidungen, die Nationen und ihre Führer treffen, diese einfache Weisheit reflektieren, dann ist die Lektion von Hiroshima gelernt worden... Heute können die Kinder dieser Stadt in Frieden durch den Tag gehen. Das ist ein wertvolles Gut.“

      Offenbar meint er wirklich, dass die Menschheit zu Dankbarkeit verpflichtet ist, weil und solange diejenigen, die es könnten, auf Atom- und sonstige Kriege verzichten und sie wenigstens in Frieden lassen. Und weil seiner Auskunft zufolge die USA nicht erst, aber gerade unter seiner Führung die menschlich so wünschenswerte Zurückhaltung beim Kriegführen als Lehre aus Hiroshima und Nagasaki an den Tag legen, preist er die Nuklearmassaker von 1945 abschließend glatt als den „Beginn unseres eigenen moralischen Erwachens“.

      So gesehen, wäre es tatsächlich abwegig, sich dafür auch noch zu entschuldigen.

      Zum 75. Jahrestag des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion wird im Rahmen einer Sitzung des Bundestages betont unfeierlich in demonstrativer parlamentarischer Routine das Gedenken als „Tagesordnungspunkt 4“ aufgerufen:

      „In den frühen Morgenstunden des 22. Juni 1941, heute vor 75 Jahren, brach die Hölle los... Über 25 Millionen Menschen in der Sowjetunion, Weißrussen, Ukrainer, Russen und andere, sollten in diesem Angriffskrieg ihr Leben verlieren. Das Ausmaß des Leidens ist nicht in Worte zu fassen.“ (Steinmeier) „Ein beispielloser Vernichtungsfeldzug ..., der in der menschenverachtenden nationalsozialistischen Rassenideologie wurzelte...“ (Bundestagspräsident Norbert Lammert) „Es war der ungeheuerlichste Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg.“ (Bundestagsabgeordneter Alois Karl, CDU/CSU, alle Zitate aus: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/178, 22.6.16)

      Mit dem pflichtschuldigen Bekenntnis zu ganz außerordentlichen Täterleistungen stellt der Bundestag zunächst einmal klar, wem hier die führende Rolle in der Erinnerungskultur zukommt – und das, „im Jahr 2 der Ukrainekrise“, mit einem klaren „Um-zu“:

      „Wir sind hier, um zu erinnern, und wir sind hier, um uns im Erinnern der Verantwortung zu vergewissern, die wir Deutsche für den Frieden auf diesem Kontinent tragen. Von einem Zeitalter des Friedens sind wir heute weit entfernt, weiter, leider, als wir jemals seit dem Ende des Kalten Krieges waren... Mit der Annexion der Krim und der Destabilisierung

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