Das kleine Schwarzbuch der deutschen Sozialdemokratie. Konstantin Brandt
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1918
Am 14. Januar brach in Wien ein Generalstreik aus. Am 28. Januar traten in Berlin über 400.000 Arbeiter in den Streik und wählten einen Arbeiterrat. Alle Versuche der rechten SPD-, USPD- und Gewerkschaftsführer, den Ausbruch des Streiks zu hintertreiben, waren gescheitert. Die Zahl der Streikenden in ganz Deutschland wuchs schnell auf über eine Million. Der Massenstreik spiegelte den Einfluss der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution wider. Er zeigte, dass in der Stimmung des deutschen Proletariats eine entscheidende Wende eingetreten war.
Am 3. November begann die Novemberrevolution in Deutschland mit dem bewaffneten Aufstand der Matrosen der deutschen Kriegsflotte in Kiel, dem sich die Kieler Arbeiter mit einem Generalstreik anschlossen. Obwohl der kaiserliche Staatsapparat und die rechten Führer der deutschen Sozialdemokratie die Ausbreitung der Revolution zu verhindern suchten, erhoben sich in den folgenden Tagen die revolutionären Arbeiter und Soldaten und mit ihnen Angehörige der anderen werktätigen Klassen und Schichten in ganz Deutschland und bildeten Arbeiter- und Soldatenräte als ihre Kampforgane, die anfangs vielerorts reale Macht ausübten. Am 9. November kam es in Berlin zum Generalstreik und zum bewaffneten Aufstand. Aufgerufen hatte dazu auch die Spartakusgruppe.
So erzwang die Novemberrevolution den Sturz der Hohenzollern-Monarchie, der Fürsten und der kaiserlichen Regierung sowie demokratische Rechte und Freiheiten für die Volksmassen.
Am 9. November bildete sich der als provisorische Regierung gebildete Rat der Volksbeauftragten (Ebert, Landsberg und Scheidemann von der SPD, Barth, Dittmann und Haase von der USPD).
Karl Liebknecht lehnte eine Beteiligung ab. Der konterrevolutionäre Rat veröffentlichte bereits am 12. November sein bürgerlich-reformistisches Regierungsprogramm, entgegen den Bestrebungen der revolutionären Massen und zur Aufrechterhaltung des Imperialismus und Militarismus. Zur Niederschlagung der Revolution schloss Ebert am 10. November mit der Obersten Heeresleitung ein Geheimabkommen. Der kaiserliche Regierungsapparat wurde nicht beseitigt. Das Arbeitsgemeinschaftsabkommen vom 15. November zwischen rechten Gewerkschaftsführern und Repräsentanten der Monopolbourgeoisie vervollständigte den Verrat der opportunistischen Partei- und Gewerkschaftsführer an der Revolution.
In der Stadt Bernsdorf (Kreis Hoyerswerda; Provinz Schlesien) in der Lausitz lag in den Novembertagen und noch im Dezember die reale Macht in den Händen des Arbeiterrates. Seine Mitglieder bauten in ihren Vorstellungen und ihrem Handeln auf die Zukunftsversprechen der Mehrheitssozialdemokratie, den Sozialismus zu schaffen. Sie glaubten an die Losung der Regierung Ebert, Scheidemann und ihres Parteivorstandes: »Die Sozialisierung marschiert«. Der Arbeiterrat folgte aber letztlich in zunehmenden Maße dann doch den Parolen und Argumenten der Führung der MSPD und der Regierung, dass Reformen als weitere Schritte der Revolution nur durch ein demokratisch gewähltes Parlament, eine Nationalversammlung, beschlossen werden könnten.
OPFERMUT
»Exzellenz« Scheidemann erzählt von seinen Heldentaten während der Revolutionstage: »No, also am neunten November sitze ich mit Ebert im Reichstagsrestaurant. Ebert aß, glaube ich, Kalbfleisch mit Nudeln und ich Rindsbraten mit Tomatensauce – oder nein, es war wohl umgekehrt! Also der Ebert aß Rindsbraten mit Tomatensauce und ich Kalbfleisch! Kommt da nun plötzlich ein Matrose mit dem Gewehr in der Hand hereingestürzt. ›Genossen, ihr müsst schnell die Republik ausrufen!‹ – ›Geh du, Fritz!‹ sage ich. – ›Nein, mach du das‹, antwortet er, ›sonst wird mir das Essen kalt!‹ – ›Wenn ihr euch nicht beeilt, Genossen, ruft Liebknecht die Sowjetrepublik aus!‹ schreit der Matrose. Also da hab ich doch tatsächlich mein Essen stehengelassen und die Republik ausgerufen …!«
aus der AIZ [3]
»Die deutsche Revolution hat im Jahre 1918 im Saale stattgefunden.
Die Möglichkeiten, die trotzdem auf der Straße gelegen haben, sind von Ebert und den Seinen verraten worden.
Weisen wir auf diesen Verrat an der eigenen Klasse hin, so wird uns ununterbrochen versichert, Ebert habe keine silbernen Löffel gestohlen. Wenn man so unbegabt ist, hat man ehrlich zu sein – das wäre ja noch schöner!
Es ist auch nicht richtig, daß damals nichts zu machen gewesen ist. Die SPD hat nicht GEWOLLT, weil sie keinen Mut, keine Charakterstärke, keine Tradition mehr hatte – wer vier Jahre hindurch Kriegskredite bewilligen mußte, konnte das freilich nicht mehr haben."
aus »November-Umsturz«
von Kurt Tucholsky [4]
Diese Politik der rechten sozialdemokratischen Führer und der Regierung, die von vielen Arbeitern nicht durchschaut wurde, hatte zu einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses zugunsten der Monopolisten und Militaristen geführt. Die Konterrevolution versuchte vollendete Tatsachen bis zum Beginn des ersten Reichskongresses der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands (16. – 21. Dezember) zu schaffen.
Am 6. Dezember schlugen irregeführte Truppen in Berlin los. Sie drangen in das Preußische Abgeordnetenhaus ein, verhafteten den Vollzugsrat, riefen Friedrich Ebert zum Präsidenten aus, besetzten die Redaktion der »Roten Fahne« und schossen in eine Demonstration des Roten Soldatenbundes, wobei sie 14 Demonstranten töteten. Noch scheiterte der konterrevolutionäre Putsch in Berlin und in weiteren Städten an der Wachsamkeit und Entschlossenheit des Spartakusbundes.
Als der Reichskongress am 16. Dezember zusammentrat, besaßen die rechten Führer der SPD und der Gewerkschaften eine entscheidende Mehrheit. So wurden folgenschwere Beschlüsse gefasst:
Keine Vernichtung der Macht des Imperialismus, keine Aufrichtung der Rätemacht, Errichtung des bürgerlichen Klassenstaates und antisowjetische Politik.
Am 23. Dezember wurden demonstrierende Matrosen der Volksmarinedivision, die sich nicht der Politik der konterrevolutionären SPD-Führer unterordnete, von konterrevolutionären Truppen beschossen, ein Matrose wurde getötet. Am 24. Dezember wurde auf Anweisung der drei sozialdemokratischen Führer im Rat der Volksbeauftragten (Friedrich Ebert, Otto Landsberg, Philipp Scheidemann) und des Kriegsministers Heinrich Schëuch diese einzige bewaffnete revolutionäre proletarische Truppe in der Hauptstadt Deutschlands im Schloss und im Marstall mit Artillerie angegriffen. Die gegen eine große Übermacht kämpfenden Matrosen erhielten Hilfe durch bewaffnete und unbewaffnete Berliner Arbeiter. Die Angreifer erlitten dadurch eine schwere Niederlage. 11 Matrosen und 56 Soldaten der konterrevolutionären Truppen fanden den Tod.
Vergeßt nicht das Lied der Matrosen
von Frieden und Freiheit und Brot!
In Kiel, im September siebzehn.
Wer das Lied sang, der ging in den Tod.
Denn die den Frieden wollten,
die wurden Meutrer genannt.
Matrosen sollten sterben durch
Matrosenhand.
Aber ein junger Heizer pfiff leise:
Reise, reise, reise, reise!
Brüder, seid bereit
für unsre Stunde
und unsre Zeit.
Ja's haben die roten Matrosen
zerschlagen dem Krieg das Genick