Verschollen am Nahanni. Rainer Hamberger

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Verschollen am Nahanni - Rainer Hamberger

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sich einen Ruck.

      „Mein Vater, den Sie gesprochen haben, ist nicht mein wirklicher Vater, obgleich er es mir an nichts hat fehlen lassen. Aber mein leiblicher Vater, der sich von meiner Mutter scheiden ließ bevor ich geboren wurde, ist damals nach Kanada ausgewandert, ohne von meiner Existenz zu wissen. Niemand weiß, wo er ist, und ich will ihn finden. In Kanada gibt es keine polizeiliche Meldepflicht und es ist sehr schwer in einem Land, das sich über fünftausend Kilometer von Küste zu Küste erstreckt, einen Menschen zu finden, wenn man praktisch keinen Anhaltspunkt hat. Mein Vater, er heißt übrigens Uwe Breuer, war in Kanada in Kriegsgefangenschaft. Da gibt es eine einzige mögliche Spur, aber es ist alles sehr ungewiss. Ich bitte Sie mir zu glauben, dass es mir sehr, sehr wichtig ist, diesen Mann zu kennen. Ich habe meinen Vater, ich meine meinen hiesigen Vater, nur sehr schweren Herzens enttäuscht, weil es wirklich keinen besseren gibt. Als ich vor vier Jahren von alldem erfuhr, habe ich meine Pläne für das Studium der Betriebswirtschaft aufgegeben und bin in den Journalismus gegangen, weil ich hoffte, dass mir dieser Beruf die Möglichkeit schafft, in Kanada nach meinem Vater zu suchen.“

      Peter hat sich diese leise Rede förmlich abgequält. Sein Kopf ist auf die Brust gesunken.

      Der Chefredakteur macht ein betroffenes Gesicht.

      „Jetzt verstehe ich Sie natürlich schon besser, das habe ich ja alles nicht gewusst“, sagt er und nickt nachdenklich.

      „Schade, ich hatte Sie nämlich, zusammen mit zwei anderen jüngeren Redakteuren, für eine besonders gründliche Ausbildung in unserem Hause ausersehen, gewissermaßen als Führungsnachwuchs. Sie können sich ja vorstellen, was das auf Dauer für Sie bedeuten könnte.“

      Peter schaut ihn überrascht an.

      „Ich freue mich natürlich sehr über dieses Vertrauen, Herr Wesenberg. Aber ich glaube, dass ich nie darüber hinwegkäme, die Chance aufgegeben zu haben, meinen Vater zu finden. Er ist jetzt, wenn er überhaupt noch lebt, dreiundsechzig. Ich kann einfach nicht länger warten.“

      „Ich verstehe das, mein Junge. Ach, entschuldigen Sie, das ist sonst nicht meine Art.“ Er war von dem Problem dieses sympathischen jungen Mannes so gepackt, dass er aus dem sonst recht steifen Verhaltenskodex in seiner Redaktion herausfiel.

      „Aber lassen Sie uns doch mal nachdenken, was Sie aus dieser Situation machen können. Unser Blatt hat ja, zusammen mit mehreren anderen regionalen Zeitungen, einen Korrespondentenring, zu dem auch einige Reisereporter gehören. Ich weiß, dass Sie ein guter Schreiber sind. Vielleicht könnten wir unsere Partner auch dafür interessieren, von Ihnen Reportagen aus Kanada zu drucken. Das ist ja mit seiner großartigen Natur für Europäer so etwas wie ein Gelobtes Land, obwohl wir, wenn wir ehrlich sind, nicht sehr viel darüber wissen. Ja, das könnte funktionieren. Ich denke mal drüber nach. Und bevor Sie abreisen, kommen Sie unbedingt nochmals zu mir rein, dann weiß ich vielleicht schon mehr.“

      Macht Euch doch nichts vor, Leute! Natürlich gibt es da oben überall Gold. Das Problem ist nur, es zu finden und es dann aus dem Boden herauszukriegen. Ich habe eine ganze Reihe von Goldgräbern getroffen, die ein Leben lang versucht haben, Gold aus dem Dreck heraus zu waschen. Aber kaum einer davon hat auch nur ein kleines Vermögen gemacht, geschweige denn Reichtümer. Nee, das ist nichts für mich.“

      Uwe schaut den vier, rund um den Tisch sitzenden Männern der Reihe nach in die Augen:

      „Sei mir nicht böse, Bill, und wenn du noch so einen guten Tipp hast, nicht mit mir.“

      Bill Collins sieht nicht so aus, als ob er durch diese Zurückweisung entmutigt sei.

      „Uwe, ich rede ja nicht von Goldwaschen“, sagt er.

      „Das wäre mir auch zu unsicher, und du kannst darauf bauen, dass ich dir ein solches Angebot nur mache, wenn ich mehr in der Hand habe als nur einen Tipp!“ Während er unter den Tisch greift und eine ziemlich schwere Segeltuchtasche heraufholt, schaut er mit lustig schelmischem Augenzwinkern zu seinen drei Kumpanen, die alle grinsen.

      Bill verlängert die Spannung, indem er beide Hände auf die Tasche legt, als wollte er sie vor unbilliger Neugierde schützen, während er ein wenig umständlich zu erzählen beginnt.

      „Wir haben doch alle den alten Ryan Walters gekannt, der vor drei Wochen gestorben ist. Du doch auch, Uwe, oder nicht? Ist der nicht auch öfters hier eingekehrt?“

      Uwe nickt. „Ja, das war ein ernsthafter Mensch. Ich habe mich oft mit ihm unterhalten.“

      „Ja, Ryan hat als viel beschäftigter Prospektor praktisch jedes Erzvorkommen im Umkreis von tausend Kilometern gekannt. Hättest du den Ryan für einen Spinner gehalten, wenn er dir gesagt hätte, er kenne ein absolut sicheres Goldvorkommen?“

      „Komm, sag schon, was das soll!“, knurrt Uwe, der die Geheimnistuerei nicht leiden kann.

      „Ganz im Ernst, Uwe, ich mache da keinen Spaß“, setzt Bill jetzt zu einer Erklärung an.

      „Ryan hatte mir zwei Wochen vor seinem Tod sagen lassen, dass er mich sprechen wolle. Man verweigert so einem alten Mann nicht so einen Wunsch. Er war, wie er mir sagte, fünfundachtzig Jahre alt! Ich bin also zu seinem Haus unten am Highway gefahren. Da hat er mir erzählt, dass er am Little Doctor Lake, da an den Abhängen der Nahanni Range zum Mackenzie Valley'', er kramt eine Karte heraus, deutet auf den Punkt und zeigt Uwe die Stelle, „schon vor ein paar Jahren in einem vor dreißig oder vierzig Jahren aufgegebenen Minenschacht eine goldführende Quarzader entdeckt hatte. Er sei absolut sicher, hat er mir gesagt, dass da eine Menge Gold stecke. Und als Beweis hat er mir diese Tasche gegeben.“

      Mit betont ruhigen Bewegungen löst Bill Collins den Riemenverschluss und schüttet seinen Inhalt auf den Tisch. Es sind helle Gesteinsbrocken unterschiedlicher Größe, helles Quarz zumeist. Bill nimmt einen der faustgroßen Brocken und zeigt auf einige fingerdicke dunklere Einschlüsse, die sich wie Adern durch den Stein ziehen. Er nimmt sein Messer aus dem Etui am Gürtel und kratzt daran herum.

      „Siehst du das Gold?“, fragt er Uwe, der das Stück ein wenig widerstrebend näher betrachtet.

      Da gräbt Bill ein paar Schriftstücke aus einem Plastikordner.

      „Das sind die Laboranalysen, die Ryan bei der Firma Cominco in Trail hat anfertigen lassen.“

      Er beobachtet Uwe genau, während dieser die Dokumente sorgsam liest.

      „Die scheinen das ernst zu nehmen“, sagt er dann zögernd; aber Bill sieht deutlich, dass es auf Uwe erheblichen Eindruck macht.

      „Die Mine ist aber ziemlich weit weg von hier“, setzt Uwe hinzu.

      „Sicher! Aber der alte Ryan schätzte das Potential des Vorkommens auf zwischen ein und zwei Millionen Dollar, da dürfte die Entfernung wohl eine untergeordnete Rolle spielen. Und außerdem ist das genau der Grund, warum wir dich mit dabei haben wollen, dich und dein Flugzeug!“

      „Mal ganz langsam! Soweit sind wir noch lange nicht. Ich möchte erst einmal wissen, warum Ryan Walters das nicht selbst ausgebeutet hat und warum die früheren Eigentümer die Mine aufgegeben haben!“

      Uwe ist nach wie vor skeptisch.

      „Ich sagte ja schon, Ryan Walters war Mitte achtzig und schon lange ziemlich wackelig. Er wusste, dass er keine Chance mehr hatte, die Sache selbst durchzuziehen. Ich habe ihm vor Jahren mal

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