Mutter werden – Mutter sein. Alisa Kersch

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Mutter werden – Mutter sein - Alisa Kersch

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Die Aufgaben und Hürden, die eine Geburt mit sich bringt und die Herausforderungen – die man durch ein Neugeborenes erfährt – sind vor der Entbindung kaum vorstellbar und erwischen auch gut vorbereitete Frauen eiskalt. Ich musste während meiner Schwangerschaft und danach feststellen, dass viele Ansichten und Meinungen – aus Ratgebern, von Freunden, Ärzten oder anderen Quellen – oft überholt sind und einem nicht wirklich zu optimalen Lösungen helfen, sondern manchmal sogar mehr Verwirrung und Unruhe in einem säen, als ohnehin schon vorhanden ist. Ratschläge werden gerne von Außenstehenden gut gemeint gegeben, aber diese führen zu mehr Verunsicherung und weniger Toleranz sich selbst und seinem Kind gegenüber.

      Auch als ausgebildete Psychologin musste ich durch meine neue Aufgabe viel erlernen und stellte in der Praxis fest, dass einige Ansichten und Ratschläge zwar auf dem Papier sehr gut und umsetzbar klingen, aber im Babyalltag zu kleineren und größeren Problemen führen. Ich habe in Ratgebern, bei Freunden, Verwandten und Bekannten, bei Ärztinnen und Ärzten um Rat gesucht, war aber in vielen Fällen nicht mit dem Geschriebenen oder Gesagten zufrieden und fühlte mich oft mit meinen Herausforderungen alleine gelassen.

      Um gewisse Mythen im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, der Geburt und der Erziehung zu widerlegen, habe ich während meines Babyalltages begonnen, meine Geschichte zu schreiben und zu erzählen, denn in der Literatur wird gerne verschwiegen, was es eigentlich tatsächlich bedeutet, Mutter zu werden und Mutter zu sein. Ich möchte durch meine Erzählung meinen LeserInnen den Alltag mit einem Kind näher bringen. Denn die Realität sieht anders aus, als es uns die verniedlichte massenmediale Darstellung von Babys und Kindern glauben machen lässt. In der Werbung wird man mit lachenden und brav schlafenden Kindern konfrontiert. Die Mütter sind glücklich und es reicht eine fünfminütige Pause am Tag, in der man eine Milchschnitte zu sich nimmt, um den Stress mit einem Kind zu meistern. Der tatsächliche Mütteralltag ist natürlich alles andere als einfach. Mich interessiert daher die Diskrepanz zwischen oft vermittelten Idealbildern und dem Alltag, den ich mit meinem Kind erlebe. Es geht mir dabei nicht darum, diesen schlecht zu reden, ganz im Gegenteil. Was mich vielmehr antreibt ist, anderen (und vor allem angehenden) Müttern Bewusstsein dafür zu eröffnen, dass das Leben mit einem Kind weder ein „Honigschlecken“ noch eine permanente Belastungsprobe ist. Besonders wichtig erscheint mir, den in letzter Zeit überaus strapazierten Mythos von der „perfekten Mutter“, die Partnerschaft, Beruf und Familie quasi wie am Schnürchen miteinander vereint, in Frage zu stellen. Weiters möchte ich anhand von konkreten Beispielen aus meinem Lebensalltag aufzeigen, dass das Muttersein nicht nur voller kleiner Herausforderungen steckt – sei es von der richtigen Wahl des Kinderwagens, über die entscheidenden Stunden im Krankenhaus bis hin zur täglichen Routine, sprich essen, spielen und schlafen. Nein, es kommt auch darauf an, sich nicht in Rollenmuster einpressen oder von den medialen Idealbildern unter Druck setzen zu lassen. Ich möchte mit meinem Buch allen interessierten LeserInnen Mut machen, gemeinsam mit dem Kind einen eigenen Weg zu gehen. Eben weil es sich um ein persönliches Buch, das quasi aus dem Leben geschrieben ist, handelt, richte ich das Augenmerk in meiner Erzählung auf Alltägliches: Die Hürden, die einem schon bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in den Weg gestellt werden; die Herausforderung, einen Kinderarzt an einem Wochenende ausfindig zu machen; dass Urlaub mit Kindern nicht primär mit Erholung gleichzusetzen ist; oder dass die bissigsten Bemerkungen, mit denen sich eine Mutter konfrontiert sieht, meistens von denen kommen, die in Sachen Kids und Co. total ahnungslos sind. Ich denke, so werden sich Mütter und alle, die es werden wollen, am besten wiedererkennen. Was die inhaltliche Gliederung betrifft, so gehe ich dabei klassisch chronologisch vor: Vom Schwangerwerden über die wichtigsten Stationen bis hin zum Kleinkindalter.

      Bevor man ein Baby bekommt, ist man einfach „Ich“. Man wird als Person von der Umwelt wahrgenommen, einfach als Individuum. Freunde erkundigen sich nach dem Wohlbefinden und welche Neuigkeiten es im Leben gibt. Man weiß, wer man ist und welchen Platz man in der Gesellschaft hat.

      Ich habe mein Leben von Anfang an sehr strikt geplant und meine gesetzten Ziele in Angriff genommen. Schon in der Schule war mir klar, wie mein weiteres Leben aussehen soll und ich habe Schritt für Schritt meine Vorstellungen verwirklicht. Mit 18 Jahren habe ich die Matura mit Auszeichnung bestanden, danach den Führerschein absolviert und gleich anschließend mein Studium der Psychologie in Wien begonnen. Mein Lebensplan war: Schnell die Ausbildung zu beenden, einen passenden Job zu finden, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu haben, damit man dann mit dem „perfekten“ Partner eine Familie gründen kann.

      Zehn Jahre später ist dieser Lebensplan nun verwirklicht. Mein Studium habe ich neben einem Vollzeitjob mit Auszeichnung abgeschlossen. Mein Arbeitsverhältnis ist sicher und mit meinem Einkommen komme ich gut über die Runden. Neben dem Studium habe ich sogar meinen „Traummann“ kennengelernt und nach unserer Hochzeit vor vier Jahren haben wir auch eine schöne Mietwohnung für uns gefunden – natürlich schon babygerecht.

      Alles war perfekt. Ich wusste, wer ich bin und was ich wollte. Ich war in meinem Job Spezialistin und wurde gebraucht. Von meinen Freunden wurde ich immer als Person geschätzt, die ein offenes Ohr hat und privat eine psychologische Hilfe darstellt.

      Doch dann hat die biologische Uhr zu ticken angefangen und nach sieben Jahren Partnerschaft wollte ich nicht mehr nur ich selbst sein. Ich habe mich „reif“ gefühlt für ein Leben zu dritt. Mir fehlte etwas in meinem Leben. Ebenso erging es meinem Mann. Und so haben wir einige Monate hin- und herüberlegt, wie wir das gemeinsame Projekt „Kind“ am besten in die Tat umsetzen.

      Schon zu diesem Zeitpunkt haben sich zwei Schwerpunkte in Sachen Kinderhaben herauskristallisiert, die ich sehr erschreckend und beunruhigend finde. Die erste Frage, die wir uns zu Beginn gestellt haben, war, ob man überhaupt ein Kind in diese Welt setzen möchte. In Zeiten von Wirtschaftskrise, Terrorismus und Atomkatastrophen überlegt man schon am Anfang der Babyplanung, ob man jemals dem Status „perfekter Eltern“ gerecht werden kann, wenn man seinen Kindern so eine Welt zumutet. Können wir unserem Nachwuchs jemals jenen Standard bieten, den wir gerne zur Verfügung stellen möchten? Werden wir in der Lage sein, seine/ihre materiellen Wünsche zu befriedigen und unseren eigenen Standard halten können, wenn wir zu dritt sind? Wie werden wir auf außernatürliche finanzielle Ausgaben reagieren?

      Wie man nun erahnt, beginnen die Zweifel, ob es „richtig“ ist, ein Baby zu bekommen, schon vor der Schwangerschaft, vorausgesetzt, diese ist gewünscht und geplant. Diese finanziellen und weltpolitischen Fragen haben sich nicht nur Thomas und ich gestellt, sondern ich habe dies bei vielen Freunden und Verwandten ebenfalls beobachtet. Kann uns der gesellschaftliche Druck von gewissen finanziellen Standards bereits so in die Knie zwingen, dass man sich ernsthaft überlegt, keine Kinder zu bekommen? Wir selbst standen vor der Entscheidung, entweder eine Eigentumswohnung zu kaufen oder ein Baby zu bekommen. Wir haben uns gegen das gewohnte „Luxusleben“, wo man sich ein oder zwei GGL-Taschen im Jahr leistet oder drei Kurzurlaube macht und gegen die Eigentumswohnung entschieden, weil es uns einfach wichtig ist, zu dritt zu sein. Ich kenne leider viele Paare, die sich lieber für ein unbeschwertes finanzielles Leben entschließen. Doch diese Entscheidung ist jedem selbst überlassen und manchmal würde auch ich mir gerne mein „Luxusleben“ zurückwünschen.

      Weltpolitisch gesehen haben wir uns auf die Ansicht gestützt, dass jeder von uns nur einen kleinen Teil in der ganzen Geschichte darstellt und wir die Welt wohl kaum alleine ändern können. Eine sprichwörtlich „sichere“ Welt wird es wohl nie geben, in der man seinen Sprössling aufwachsen sieht. Verbrechen, Gewalt oder Krieg gibt und gab es immer. Wir haben uns damit getröstet, dass man seinem Kind einfach eine angenehme und unbeschwerte Zukunft verschafft und das „Drumherum“ ausblendet. Wichtig ist meiner Meinung nach, sein Kind nach gewissen moralischen Ansprüchen zu erziehen. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen wie sich ein Mensch verhalten sollte oder wie der soziale Umgang mit Gleichaltrigen oder Erwachsenen aussieht. Solche Erziehungsfragen liegen als Eltern in unserer Hand. Wir können gegen Umweltverschmutzung demonstrieren und uns um unsere Finanzen Sorgen machen, aber sind diese Faktoren

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