Mutter werden – Mutter sein. Alisa Kersch

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Mutter werden – Mutter sein - Alisa Kersch

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andere Schwerpunkt am Beginn der Babyplanung liegt in der Frage der Kinderversorgung. Wer geht wie lange in Karenz? Oder welcher Kinderbetreuungsgeld-Typ ist man? Eine Thematik, welche für die Zukunft der Familie sehr entscheidend ist. Wir waren in diesem Zusammenhang auch mit der Frage des „richtigen Zeitpunktes“ konfrontiert, da Thomas in seinem Arbeitsbereich öfters mit Urlaubssperren zu rechnen hat. Von uns musste daher vorab überlegt werden, wann Thomas die Väterkarenz antreten konnte. Hier galt es, dem Arbeitgeber und den KollegInnen gegenüber eine „perfekte“ Planung zu vermitteln. Bei mir im Beruf war es auch nicht viel anders. Man möchte ja nach der Karenz die Möglichkeit eines Wiedereinstieges haben. Gesetzlich ist der Arbeitgeber dazu sogar verpflichtet, aber hier klaffen Realität und gesetzliche Vorgabe leider sehr stark auseinander. Ich glaube, jeder kennt aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis Fälle, wo Mütter keine Chance mehr vom Arbeitgeber erhalten haben, nach der Karenz wiedereinzusteigen. Man ist einfach nicht mehr so flexibel und außerdem teurer als beispielsweise junge PraktikantInnen, die billig zur Verfügung stehen. Ebenso ist Väterkarenz oft verpönt bei Arbeitgebern. Viele Väter würden gerne ihren Beitrag bei der Kinderversorgung leisten – müssen aber auf diese kostbaren Wochen verzichten, da ihnen mögliche Karrierechancen verbaut werden oder schlimmer noch, mit Arbeitsplatzverlust gedroht wird.

      Da hilft es auch nicht, dass die ganzen tollen Kinderbetreuungsgeldmodelle mit der Möglichkeit von Väterkarenz aufwarten. Es ist zwar sehr nett, offiziell den Anschein zu geben, Väterkarenz zu fördern und zu befürworten, aber eigentlich kann nur ein sehr geringer Anteil an berufstätigen Männern wirklich diese Karenz in Anspruch nehmen. Familien verlieren dadurch leider Kinderbetreuungsgeld, das gesetzlich nur den Vätern bei Antritt der Karenz zugesprochen werden kann. Sollte es in einem sozialen Land nicht egal sein, welcher Elternteil auf das Kind aufpasst und wie lange?

      Nachdem der Entschluss gefasst und der richtige Zeitpunkt ausgetüftelt war, kam endlich der aufregende Teil der Babyplanung. Ganz stolz und ein bisschen wehmütig habe ich meine letzte Pille geschluckt. Am Küchentisch verkündete ich Thomas ganz freudig: „Es ist vollbracht, jetzt kann es dann endlich losgehen!“ In seinem Gesicht konnte ich ein wenig Anspannung wahrnehmen, denn wie jeder weiß, ist Kinderkriegen manchmal doch nicht so einfach. Unfruchtbarkeit ist in unserer Gesellschaft schon lange kein Tabuthema mehr. Ich kenne etliche Frauen, die Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden oder einen Fötus bis ins überlebensfähige Alter auszutragen. Es schmerzt sehr, zu sehen, wie Paare vergeblich versuchen, ein Baby zu bekommen und mit diesem Druck oft nicht fertig werden. Tatsache ist, dass in Mitteleuropa jedes sechste Paar Schwierigkeiten hat, ein Kind zu zeugen. Ist man früher unbeschwert „zur Sache“ gegangen, ist schon der erste fruchtbare Zyklus ein Kampf, ob man auch wirklich zeugungsfähig ist und seinem Partner und sich selbst ein Kind schenken kann. Man macht sich schon vor dem Sex Gedanken, ob es wirklich etwas wird. Mein Mann hatte leichte Bedenken, zeugungsunfähig zu sein, hatte er doch im Jugendalter angeblich zu enge Unterhosen getragen, die möglicherweise eine Unfruchtbarkeit zur Folge haben können. Auch ich hatte meine Sorgen. In der Schule habe ich das Handy in der Hosentasche aufbewahrt, um mit der Vibrationsfunktion ja keine „wichtige“ SMS zu versäumen. Heutzutage weiß man, dass sich Handys schädlich auf die Fortpflanzungsfähigkeit auswirken können, sowohl bei Frauen als auch bei Männern.

      Neben diesen Faktoren war ich auch noch sehr sensibilisiert durch Arbeitskolleginnen und Bekannte. Vier Frauen zwischen 27 und 43 Jahren versuchten zeitgleich mit uns, eine Babyplanung zu starten und scheiterten. Ich habe miterlebt, wie nicht nur der partnerschaftliche Druck zunahm, sondern auch der soziale. Andauernd wurden die betroffenen Frauen angesprochen, ob es denn schon funktioniert hätte beziehungsweise welche Methoden und Schritte ihrerseits eingeleitet wurden, um den Babywunsch nun tatsächlich zu erfüllen.

      Ich habe oft versucht, mich in die Haut dieser Frauen hinein zu versetzen. Und jedes Mal bin ich zu dem Schluss gekommen, dass durch Druck und Stress die Babyplanung in eine klassische Negativspirale mündet. Je mehr Stress und je mehr Versagensängste, umso schwieriger wird es, ein positives Endergebnis zu erhalten. Das ist wissenschaftlich bewiesen und nicht nur bei der Babyplanung schlagend, sondern in allen Bereichen des Lebens. Kommen dann noch physische Faktoren hinzu, die eine Schwangerschaft erschweren, wird es oft zu einem aussichtslosen Kampf, ein Kind zu bekommen. Die Folge sind meistens kostspielige Arztbesuche, um den Zyklus genau zu diagnostizieren und den bestmöglichsten Befruchtungszeitpunkt zu ermitteln. Andere Frauen geben sich und die Partnerschaft auf, verfallen in eine posttraumatische Belastungsstörung, suchen den Ausweg in massenhaft Arbeit oder verfolgen ein neues Lebensziel: Karriere statt Kind.

      Als ich die Pille absetzte, hatte ich gerade einen Routinetermin bei meinem Gynäkologen. Ich erzählte ihm davon und machte meinen Wunsch deutlich, ein Baby bekommen zu wollen. Der erste Kommentar von ihm war, ob es meine eigene Entscheidung sei, ein Kind zu bekommen oder ob dieser Schritt mit dem Partner abgesprochen sei. Nachdem ich verblüfft aufschaute, offenbarte er mir, dass die Mehrheit der Frauen ihre Männer nicht in den Entscheidungsprozess mit einbeziehen, sondern diese vor vollendete Tatsachen stellen. Wahrscheinlich wirkte ich sehr betreten oder ich bin in diesem Punkt zu altmodisch und naiv. Solche Geschichten hört man zwar immer wieder oder man sieht sie in B-Movies am Donnerstagabend im Fernsehen. Aber in meinem Freundeskreis ist mir so eine Tat noch nicht untergekommen. Ich bin sehr froh darüber, diesen Schritt gemeinsam unternommen zu haben. Eine alleinige Entscheidung greift die Vertrauensbasis einer Partnerschaft stark an. Möglicherweise leidet auch das Verhältnis zwischen Vater und Kind, je nachdem wie sehr sich der überrumpelte Mann dann tatsächlich auch als Vater sieht und diese Rolle akzeptiert.

      Als nächstes Thema sprach ich, durch die Leidensgeschichte meiner Arbeitskolleginnen geprägt, die Zeugungsfähigkeit eines Paares an. Mein Arzt meinte, dass es durchschnittlich bis zu einem Jahr dauern könne, schwanger zu werden. Dieser Zeitraum sei durchaus normal und realistisch. Ohne Druck, Stress und Sorgen sollten wir uns innerhalb des nächsten Jahres also wieder sehen. Dieses Statement beruhigte mich ein wenig, denn ein zeitlicher Horizont von einem Jahr nimmt die Versagensängste und lässt Spielräume offen, in denen man noch nicht an sich zweifeln muss.

      Mein Interesse bezüglich Unfruchtbarkeit wuchs. Heutzutage ist erwiesen, dass zirka zehn Prozent der Paare länger als zwei Jahre an einem Baby „basteln“ müssen. Nur drei bis vier Prozent bleiben tatsächlich kinderlos.

      Gestärkt von diesen Aussichten und mit einer Packung Folsäurekapseln in meiner Handtasche ging ich zufrieden nach Hause. Ich wartete freudig aufgeregt, bis mein Mann endlich von der Arbeit zurück war. Die Fakten und neuen Erkenntnisse sprudelten nur so aus mir heraus. Ich versuchte Thomas zu zeigen, dass wir keinen Stress im Zeugungsprozess hatten, sondern alles gelassen und ruhig angehen konnten. Aber er kennt mich wohl zu gut und wusste nach sieben gemeinsamen Jahren, dass mein Nervenkostüm trotz allem angespannt war und das Baby so schnell wie möglich passieren sollte. Ich selbst machte mir so viel Druck und der Kinderwunsch stieg minütlich mehr. Unbedingt wollte ich im ersten fruchtbaren Zyklus schwanger werden. Nach außen spielte ich die Gelassene. Aber die eigenen Ängste, Bedürfnisse und Wünsche kann man nicht immer mit Verstand und Fakten austricksen.

      Im ersten empfangsbereiten Monat gab es sowohl am Küchentisch als auch beim Abendessen kein anderes Thema als das ersehnte Baby. Ich habe Thomas in diesen paar Wochen sicherlich zu Tode genervt und überstrapaziert. Täglich habe ich angekündigt, wie viel Zeit uns noch zu den vier bis fünf fruchtbaren Tagen des Zyklus bleibt. Ein Countdown, der den Schwangerschaftsdruck doch eher auf- als abbaut, aber ich konnte in meiner Euphorie nicht anders. Jede freie Minute habe ich damit verbracht, Ratgeber zu lesen, wie man am besten und schnellsten schwanger wird. Dabei lernte ich, wie die fruchtbaren Tage berechnet werden und an welchen Reaktionen man seinen Eisprung erkennt. Ich kann verraten, es ist gar nicht so einfach nach Jahren der Pillenabhängigkeit zur Verhütung wieder auf seinen Körper und auf sogenannte Fruchtbarkeitssignale zu achten. Fälschlicherweise ging ich ursprünglich von dem Gerücht aus, dass man nach der langjährigen Einnahme der Pille mehr Zeit benötigen würde, um Kinder zu bekommen. Mein Gynäkologe hat mir

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