Kampf der Welten. Adrian Plass
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In guter Gesellschaft
Für die Jünger Jesu muss der Samstag nach seinem grauenhaften Tod ein dichter Nebel der Enttäuschung und Dunkelheit gewesen sein. Ich kenne den Schmerz, Menschen zu verlieren, die ich sehr liebe. Aber was die Jünger damals durchmachten, habe ich wohl beim Tod meiner Großmutter am besten verstanden, als ich sechs Jahre alt war.
Wie war es möglich, dass ein so helles Licht ausgelöscht wurde? Was bedeutete das überhaupt, dieses Ding, das Tod genannt wurde? Warum war mir ein so wichtiger Teil meines Lebens entrissen worden, ohne dass ich einen guten Grund dafür erkennen konnte? Wie sollte ich den schweren schwarzen Schatten, der sich in meinem Bauch eingenistet hatte, kaum dass ich die Nachricht hörte, je wieder vertreiben? Manchmal in den folgenden Wochen war es kein Schatten. Es war ein grausames Geheimnis mit scharfen Kanten, die sich erbarmungslos in die Normalität hineingefressen hatten. Noch heute, über fünfzig Jahre später, gibt es Momente, in denen sich diese Wunde öffnet. Der Hass gegen den Tod und das Grauen vor ihm gehören zu dem, was ich bin, und so wird es wohl für den Rest meines Lebens bleiben. Freilich kämpfen in dieser Frage keine Welten gegeneinander, soweit es mich betrifft. Ich brauche keine Seelsorge, um mir darüber hinwegzuhelfen, vielen Dank. Wie wir gesehen haben, besteht kaum ein Zweifel, dass auch Jesus den Tod hasste. Ich bin also in guter Gesellschaft.
Hier ist einer jener trauernden, seelenkranken Jünger, der sich im Nebel jenes schrecklichen Wochenendes verirrt hat.
Der Jünger, der den Sonntag fürchtete
Ich verstehe das nicht.
Herr Jesus, wenn meine Worte an diesem dunklen, schmerzerfüllten Samstagabend zu dir aufsteigen, dann höre bitte, wie ich aus tiefstem Herzen zu dir schreie, dass ich nicht verstehe. Ich glaube, nicht ein Einziger von uns versteht es. Wir, deine Jünger, warten hinter diesen verschlossenen Türen wie die Toten, wie stumme Holzbalken, die man achtlos an die Wand gelehnt oder auf den Boden gelegt hat, da sie keinen Zweck mehr erfüllen. In unseren Köpfen brennen tausend Fragen, und eigentlich sind sie alle ein und dieselbe Frage. Warum ist die Blume nicht aufgeblüht? Warum hat sich der Wein in Wasser verwandelt? Warum sind unsere Wunden wieder aufgerissen worden? Warum hat sich Hoffnung in Verzweiflung gekehrt? Wo ist das Licht, das uns die Richtung weist? Wo bist du? Meister, wo bist du? Du bist nicht hier bei uns.
In Gethsemane hast du uns verboten, Schwerter zu gebrauchen, Herr Jesus. Steckt die Schwerter weg, hast du befohlen. Verteidigt euch nicht. Wenn du wolltest, könntest du deinen Vater anrufen, und er würde dir über zwölf Legionen von Engeln zur Verfügung stellen. Das hast du gesagt. Zwölf Legionen? Nun, warum hast du es dann nicht getan? Warum nicht? Wie sollen wir einfachen Leute begreifen, dass es in deiner merkwürdigen, auf den Kopf gestellten Sicht des Himmels und der Erde fruchtbarer ist, zu scheitern und zu sterben und deine Freunde im Stich zu lassen, als Erfolg zu haben und zu leben und über die allgegenwärtigen Mächte des Bösen zu triumphieren? Ich erinnere mich an etwas, was du einmal gesagt hast:
»Ein Weizenkorn, das nicht in den Boden kommt und stirbt, bleibt ein einzelnes Korn. In der Erde aber keimt es und bringt viel Frucht, obwohl es selbst dabei stirbt.«
Ein gutes Bild. Eine Wahrheit, die man sich einprägen und über die man immer wieder nachdenken sollte. Weizenkörner bringen tatsächlich viel Frucht hervor. Aber, Herr, du warst kein Weizenkorn. Du warst ein Mensch. Jetzt bist du tot. Und ein toter Mensch bringt keine Ernte lebendiger Menschen hervor. Oder doch?
Du bist im Grab, und wir, deine lebendigen Knechte, sind in Trauer begraben. Wir sehnen uns danach, dein Gesicht zu sehen. Wir sehnen uns nach deiner Stimme. Wie sollen wir weitermachen, jetzt, wo uns deine Weisheit und Kraft fehlen? Die Zukunft ist eine Wüste. Wenn die Nacht hereinbricht, werden wir versuchen zu schlafen, aber der Hohn des Morgens wird gewiss kommen. Herr Jesus, meine Augen füllen sich mit Tränen. Wie soll ich dem morgigen Tag ohne dich begegnen?
Klamm und scheußlich
Es wird Sie nicht überraschen zu hören, dass ich nicht nur den Tod verabscheue, sondern es auch schon immer gehasst habe, auf Beerdigungen oder Trauerfeiern zu gehen, besonders, wenn sie in solchen scheußlichen, teakholzinfizierten, scheunenähnlichen Bauten stattfinden, die von einer dunkelbraunen düsteren Atmosphäre gesättigt sind, wo man schon weiß, dass alles in zwanzig Minuten vorbei sein muss, weil sich draußen in dem herzlos blühenden Ziergarten bereits eine trübsinnige Schlange pinguinherdenähnlicher Grüppchen von Trauernden bildet. Ich weiß nie, was ich da denken oder fühlen oder tun soll. Es ist alles so klamm und scheußlich. Das Schlimmste ist vielleicht die Gewissheit, dass die meisten Menschen, die ich geliebt und verloren habe, fassungslos blinzeln oder sogar herzhaft lachen würden über das Missverhältnis zwischen dem, wie sie wirklich waren, und der Art und Weise, wie ihres Verlustes gedacht wird. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe noch nie die Neigung verspürt, an den Gräbern von Menschen, die ich liebe, herumzuhüpfen und Freuden- und Jubellieder zu singen. Wie ich schon gesagt habe: Der Tod macht mir Angst. Ich bin von ihm angewidert, genau, wie Jesus es war, und die Verheißung des Himmels ist ein wackeliges Floß, das mich bei solchen sturmgepeitschten Gelegenheiten nur mit Mühe und Not über Wasser hält.
Tatsache ist, dass ich, da ich nun einmal so schwer an der Zwillingskrankheit der Albernheit und Respektlosigkeit leide, dazu neige, mich inmitten der ernsthaftesten Zeremonien in allen möglichen bizarren Fantasien zu ergehen. Neulich zum Beispiel stand ich in einer Gruppe von vierzig oder fünfzig Trauernden, als der eingesargte Leichnam eines alten Freundes langsam in seine grausige Grube hinabgelassen wurde. Was für ein ordentliches und perfekt geformtes Behältnis, überlegte ich, für die grobgezimmerte Wirklichkeit des Todes. Ein Krampf inneren Widerwillens packte mich. Ich wendete meinen Blick ab und versuchte mich abzulenken, indem ich unauffällig die Gruppe der Umstehenden musterte. Während ich das tat, kam mir eine Frage in den Sinn. Wie wäre es, wenn einer dieser fürchterlich energiegeladenen, immer ungeduldigen Hochzeitsfotografen mit Sprungfedern statt Beinen damit beauftragt worden wäre, diese Veranstaltung der Nachwelt zu überliefern? Wie hätte er wohl diese schwarz gekleidete Schar organisiert und angesprochen?
Der Begräbnisfotograf
»Okay, die unmittelbaren Angehörigen des Toten bitte – nein, ich sagte die unmittelbaren Angehörigen, ja? Sie drei treten bitte zur Seite. Ja, Sie auch. Gehen Sie bitte aus dem Bild. Nein, Sie nicht! Sie! Sie kommen mit dazu! Hören Sie, kriegen wir das vielleicht hin? Ich habe heute noch drei Beerdigungen. Könnten Sie bitte – danke schön! Gut! Sehr schön! (KLICK! KLICK! KLICK!) Und nun die Freunde des Toten bitte. Wenn Sie zur Familie gehören, können Sie keine Freunde sein, oder? Nein, ich habe keine Zeit, darüber zu diskutieren. Freunde des Toten – hier drüben hin. Nein, Sie können jetzt gehen. Ja, gehen Sie nur! Die Freunde des Toten stellen sich bitte hinter dem Grab auf. Kommen Sie, zügig marschiert, fallen Sie ein! Bitte nicht wörtlich nehmen. Haha! Die Kleinen nach vorne. Die Großen nach hinten. An den Seiten bitte enger zusammenrücken. Machen wir es uns schön kuschelig! Gut so. (KLICK!) Entschuldigung, Leute, aber können wir das mit dem Grinsen vielleicht lassen? Schließlich ist das hier eine Beerdigung. Es lächeln immer noch einer oder zwei. Kommen Sie! Denken Sie doch an den lieben Entschlafenen, wie er kalt und tot in dieser Kiste liegt. Denken Sie an Tränen, denken Sie an Trauer, denken Sie traurig, traurig, traurig! So ist es besser. Das ist wunderbar! (KLICK! KLICK! KLICK!) Danke sehr! Und jetzt ein schönes großes Gruppenbild. Bitte alle aufstellen. Der Pfarrer in die Mitte. Eine ordentliche Portion Mitgefühl mit einem Schuss Hoffnung bitte, Herr Pfarrer. Sie kennen ja das Prozedere. Nein, ich möchte, dass Sie mitfühlend aussehen, nicht so, als ob Sie sich gleich übergeben müssten. Die Kirche in ihren besten Momenten, verstehen Sie. Eine schöne kräftige Mischung aus Würde und Empathie. Ja, gut! Oh, sehr schön! (KLICK! KLICK! KLICK!) Gut, ich glaube, das hätten wir. Könnte mir jemand noch einmal den Namen sagen? Nicht,