Die Kunst, verantwortlich zu erziehen. Reinhold Ruthe

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Die Kunst, verantwortlich zu erziehen - Reinhold Ruthe

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Geist Gottes ist der Maßstab unseres Gewissens.

      Der Geist Gottes ist der Wächter für unser Gewissen.

      Verantwortliche Eltern und Erzieher, verantwortliche Leiter in Wirtschaft und Gesellschaft und verantwortliche Eheleute sind dann Vorbilder und glaubwürdig, wenn sie selbst vor dem lebendigen Gott ihr Tun und Lassen prüfen.

      Kapitel 3

      Verantwortung und Autorität

      Verantwortliche Menschen, die dieser Berufung gerecht werden, haben auch Autorität. Leider wird dieser Begriff bis heute häufig falsch verstanden.

      Das Wort „Autorität“ ist nach dem Zweiten Weltkrieg in ein Begriffschaos geraten. Die Studentenbewegung in den 60er Jahren und die Außerparlamentarische Opposition (APO) haben der Autorität übel mitgespielt. Autoritäre Verhaltensmuster, Macht, Gewaltmissbrauch und Manipulation wurden mit dem ehrbaren Begriff der Autorität in einen Sack gesteckt und auf den Müll der Geschichte gekippt. Die Autorität wurde zu Unrecht als Begriff diffamiert.

      Das geht so weit, dass heute ein Durchschnittsabiturient nicht in der Lage ist, das wichtige Eigenschaftswort von Autorität zu benennen. Wenn ich vor Kindergarteneltern, in Gemeindeveranstaltungen und auf Fortbildungsseminaren über Erziehungsprobleme spreche und wir die Begriffe Autorität und autoritative Einstellungsmuster definieren wollen, gibt es regelmäßig heiße Diskussionen, und die Teilnehmer geraten aneinander. Die 60er Jahre haben ihre Spuren hinterlassen.

      Wahre Autorität ist unbekannt.

      Wahre Autorität wirft Fragen, aber keine Antworten auf.

      Wahre Autorität muss neu definiert werden.

       Nicht autoritär, sondern autoritativ!

      Auf Vorträgen und Seminaren erlebe ich häufig eine böse Überraschung. Bei Themen über Erziehung, Strafe und Belohnung, bei Fragen über „erlaubte und unerlaubte“ pädagogische Methoden kommen wir immer wieder auf autoritäre Erziehungsmuster zu sprechen. Ich versuche genau zu unterscheiden zwischen autoritären Mustern und Verhaltensstrategien, die auf echter Autorität beruhen. Ich frage nach dem Eigenschaftswort von Autorität und erhalte in der Regel die falsche Antwort autoritär.

      Es ist einige Jahre her. Ich besuchte die große städtische Bibliothek und lieh mir Erziehungsbücher aus. Mit einem Packen Bücher unter dem Arm stand ich in der Reihe von Kunden, die alle Bücher ausgeliehen hatten.

      Als ich an der Reihe war und ein Exemplar zur Registrierung auf den Tisch legte, schaute eine junge Dame interessiert an mir vorbei auf meine ausgesuchten Titel. Fragend und lächelnd sagte sie: „Sieh mal da. Alles Erziehung. Ist das denn noch in?“

      Ich fragte zurück: „Halten Sie denn Erziehung nicht mehr für notwendig?“

      Sie sagte etwas schnippisch: „Ich halte alles Autoritäre für überflüssig.“

      Ich fragte: „Und die Autorität, was halten Sie davon?“ Sie sagte: „Ich sehe zwischen den beiden keinen Unterschied, Sie etwa?“

      Die junge Dame bemerkte mein Erstaunen und ich reagierte so: „Darf ich Sie fragen, wie heißt denn das Eigenschaftswort von Autorität?“

      Spontan kam es von ihr: „Autoritär.“

      Und ich entgegnete: „Leider stimmt das nicht. Das Eigenschaftswort von Autorität heißt autoritativ.“ Die junge Dame zog die Stirn kraus und schüttelte ihren Kopf.

      Als wir hinausgingen, fragte ich sie nach ihrem Beruf, und sie sagte: „Ich studiere Soziologie im 5. Semester.“ Das ist kein Einzelfall. Aus Neugier stelle ich heute gern die Frage nach dem Eigenschaftswort von Autorität vor jungen Erwachsenen und älteren Menschen. Das Ergebnis ist häufig das gleiche. Sie glauben, dass das richtige Eigenschaftswort von Autorität autoritär lautet. Es unterliegt keinem Zweifel, die antiautoritäre Bewegung, die in den 60er Jahren begann, hat den positiven Begriff von Autorität zum Verschwinden gebracht. Ist es ein Wunder, wenn unsere Erziehung bei vielen orientierungslos verläuft?

      Das Wort „Autorität“ stammt aus der römischen Antike. Ihre Kultur lebte aus der Überlieferung. Die Alten mit ihrem Brauchtum, ihrer Sitte und ihrem Ethos bestimmten den Alltag. Der Träger der Autorität war in erster Linie der Senat. Er bestand vorwiegend aus Männern über 60 Jahren. Sie hatten weithin ein vorbildliches Leben hinter sich und wurden zu Garanten der Zukunft. Sie hatten sich bewährt und wurden daher geachtet. Alte, die sich nicht bewährten, und Versager konnten abgewählt werden. Der Senat, der Rat der Alten, nahm zu allen Fragen Stellung und gab nach eingehender Diskussion seine Stellungnahme ab. Sie wurde nicht mit Polizeigewalt durchgesetzt. Es waren in erster Linie Ratschläge und keine Befehle, Empfehlungen und keine strikten Anordnungen.

      Dieser Senat besaß Autorität, nicht weil ihm die Befehlsgewalt gegeben war, sondern weil man den alten, den besonnenen und bewährten Männern vertraute, ihre Entscheidungen achtete und ihre Ratschläge akzeptierte.

      Die Autorität der Alten musste durch Leistung nachgewiesen werden. Wer Erfolg mit militärischen oder politischen Unternehmungen hatte, besaß Autorität. Im Gerichtswesen war es ähnlich. Wer sachverständig, aber auch geschickt und erfolgreich das römische Recht anwenden konnte, besaß Autorität, besaß das Vertrauen einer Mehrheit. Er wurde häufiger frequentiert als andere.

      Dass dieses Modell echter Autorität idealtypisch geschildert ist, liegt auf der Hand. Aber es war ein Modell von Autorität, das man gutheißen konnte und kann. Es war ein Modell, das die entscheidenden Züge positiver Autorität widerspiegelt, die auch heute noch gelten. Ein Befehl muss ausgeführt werden, er wendet sich an Untertanen und willig Gehorchende. Ein Rat will die Entscheidungsfreiheit nicht schmälern. Ein Rat will die Einsicht in die Voraussetzungen, Möglichkeiten und Folgen der Entscheidung fördern. Die Alten, also der Senat, besaßen „auctoritas“ = Autorität, ohne auf Macht und Gewalt angewiesen zu sein. Die Bürger Roms unterwarfen sich freiwillig. Sie vertrauten der selbstlosen Überlegung und damit der Überlegenheit der Alten.

      Zwischen den Extremen autoritär und antiautoritär wurde die positive Autorität zerrieben.

      Wirkliche Autorität hat nichts mit einem autoritären Verhalten zu tun. Autorität wird abgeleitet von „auctor“ = der Urheber, der Anstifter, der Mahner, der Förderer, das Vorbild. Es ist bezeichnend, dass es lange eine Schreibweise gab, die

      „Auktorität“ bevorzugte.

      Das Wort „auctoritas“ bedeutet: Vollmacht, Einfluss, Gewicht, Vertrauensmacht.

      Der Auktor, der Urheber, ist also derjenige,

       der das Leben mehrt;

       der dem Leben Gewicht verleiht;

       der

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