Schwarzes Gold. Dominique Manotti

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Schwarzes Gold - Dominique  Manotti

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Daquin nennt eine Adresse: 80 Quai du Port, die Wohnung gehört einem Studienfreund namens Porticcio, ein Marseiller, in seine Heimatstadt zurückgekehrt, um seinen Beruf als Anwalt auszuüben, er überlässt sie ihm für die Dauer seines Praktikums in New York.

      »Du hältst sie während meiner Abwesenheit in Ordnung, damit hast du ein Jahr, um zu sehen, ob du dich in Marseille akklimatisierst. Ich will nicht pessimistisch sein, aber das ist keine ausgemachte Sache. Wart’s ab.«

      Das Taxi hält am Vieux-Port, ein großes, sehr belebtes Hafenbecken, überall Boote, Fischerboote, Segeljollen, kleine Frachtkähne in lärmendem Durcheinander, mitten in der Stadt. Nach außen begrenzen das Becken zwei mittelalterlich anmutende Wehrtürme, aufgefrischt durch Vauban. Daquin sucht das Meer und kann es nirgends sehen. Er dreht sich um. Seine Wohnung befindet sich in diesem langgezogenen Gebäude aus schönem Sandstein, strikt moderne Architektur, gepflegte Fassade, er ist begeistert.

      Er steigt hoch in die dritte Etage. Er stellt seinen Koffer im Dunkeln ab, öffnet die Stores, vor ihm eine nach Süden gelegene Loggia, sonnenüberflutet, zu seinen Füßen der Vieux-Port mit seiner Geräuschkulisse, die Quais wie Perlenschnüre aus Terrassen, Bars, Restaurants, Nachtclubs, dahinter die Hügel von Marseille, die Wallfahrtskirche Notre-Dame de la Garde und ein riesiger Himmel. Ein Anblick, an dem man sich bestimmt nicht sattsieht, eine Szenerie, die tatsächlich das Aroma von Glück haben könnte. Er wendet sich um: Das Wohnzimmer, in gebrochenem Weiß gestrichen, helles Parkett, ist sehr schlicht eingerichtet mit einem großen Bauerntisch aus dunklem Holz, flankiert von zwei Bänken. In der Salonecke Sessel und Sofa aus weichem Leder, ein Couchtisch aus gebürstetem Stahl. In einem Bücherschrank ein paar Bücher, ein Hifi-Turm, stapelweise Schallplatten und Kassetten. In der kleinen, übertrieben ausgestatteten Küche registriert Daquin das Vorhandensein zweier Kochbücher. Das Bad gefliest mit Émaux de Briare-Mosaiken in Grau- und Blautönen. Im Schlafzimmer eine Schrankwand mit Schiebetüren und ein riesiges, einladendes Bett. Daquin lächelt, Erinnerung an gewisse Kneipentouren mit Porticcio, mehr oder weniger kontrollierte Entgleisungen während ihrer Studienzeit, unmittelbar nach ’68. Eine Sexszene, für die komplette Dauer einer besonders langweiligen Vorlesung zu zweit in die Projektionskabine eines Unihörsaals gepfercht, und der Filmvorführer sah ihnen zu und setzte mit einer Hand seine Arbeit fort, während er sich mit der anderen einen runterholte. Er meint bis heute zu spüren, wie sich die Eisenteile des Projektors in seinen Rücken bohren. Der Aufenthalt in Marseille lässt sich gut an.

      Daquin hält sich nicht lange auf. Sobald er seinen Koffer ausgepackt hat, geht er in das erste Bistro, über das er in dem alten Viertel gleich hinter seinem Haus stolpert, schlingt ein Sandwich hinunter und eilt zum Évêché, dem ehemaligen Bischofspalast, heute Sitz des Zentralkommissariats von Marseille. Der Bau beherbergt auch den SRPJ, die Regionaldienststelle der Kriminalpolizei, der er zugeteilt ist, er hat es eilig, Kontakt aufzunehmen, die Luft dort zu schnuppern. Zehn Minuten Fußweg durch ein Labyrinth aus steil ansteigenden, ärmlichen Gassen, dann kommt er bei einem Ensemble imposanter Gebäude heraus, in dem sich das eher Moderne mit dem sehr Alten mischt. Nach einigem Umherirren in einem Netz wenig frequentierter Flure und Treppen findet er schließlich die Büros der Kriminalpolizei, im dritten Stock des einstigen Palasts, wo eine Handvoll Inspektoren in nahezu menschenleeren Räumen zugange sind. Daquin wendet sich an einen, der ihm ein wenig Autorität zu haben scheint, stellt sich vor. »Commissaire Daquin, ich bin frisch hierher versetzt, ich trete meine Stelle morgen an und wollte mich schon mal umhören …«

      »Sie kommen gerade recht. Ich bin Inspecteur Principal Courbet von der Kriminalabteilung. Wir hatten gerade einen Anruf von der Quartierspolizei, Schießerei im Viertel Belle de Mai, zwei Tote, wir müssen hin. An einem Sonntag zur Mittagsessenszeit, bei sonnigem Wetter und gutem Schnee in den nahen Bergen sind wir nicht viele, wie Sie sehen. Ich lasse zwei Inspektoren hier, um die Erreichbarkeit zu gewährleisten, und nehme Sie im Patrouillenwagen mit zum Tatort. Passt Ihnen das?«

      »Das passt mir sehr gut.«

      Im Wagen, der mit angemessener Geschwindigkeit fährt, heulende Sirenen fürs Standing, ist die Stimmung entspannt und der Pariser wird freundlich aufgenommen. Schüsse, zwei Tote, das scheint niemanden groß zu beunruhigen. Daquin sieht das Belle de Mai-Viertel vorüberziehen. Breite Durchgangsstraßen, quasi ausgestorben, Zeilen mit ärmlichen Einfamilienhäusern, hier und da durchbrochen von schnell hochgezogenen Sozialwohnungsblocks, Brachflächen, ein paar wenige Billigläden, er hat das Gefühl, ein Katastrophengebiet zu durchqueren. Ein ganz anderes Gesicht von Marseille.

      Die Kreuzung der Boulevards Guigou und Burel ist blockiert durch einen Auflauf von Polizisten und Schaulustigen. Auf der Fahrbahn ein roter Simca mit zersplitterten Scheiben und verschrammter Karosserie.

      Courbet parkt den Wagen und geht zu den Polizisten, die den Évêché alarmiert haben. Der stellvertretende Staatsanwalt und der Gerichtsmediziner sind noch nicht eingetroffen, die Kriminalpolizei ist als Erste vor Ort, sie hat Reaktionsschnelligkeit bewiesen, darum geht’s. Daquin nähert sich dem Kantstein, beugt sich hinunter. Im Innenraum zwei von Kugeln durchsiebte Körper, alles zerfetzt, blutgetränkt, übersät mit Glasscherben und Blechstücken. Der Fahrer, oder was von ihm übrig ist, wirkt wie ein eher reifer Mann, seinem Beifahrer wurde das halbe Gesicht weggeschossen, sein lebloser Körper hat die Anmut der Jugend. Die Quartierspolizisten erstatten Bericht. Ihren Verletzungen nach zu urteilen, wurden die beiden Opfer mit einem abgesägten Gewehr, wahrscheinlich einer Schrotflinte, unter Beschuss genommen und dann aus nächster Nähe mit einer großkalibrigen Kugel in den Kopf getötet. Die Zeugen, nicht viele, haben wenig gesehen: Der Simca sei gemächlich den Boulevard Guigou entlanggerollt, vom Boulevard Burel kam ein anderer Wagen, schnitt ihm den Weg ab, der Simca hielt an, dann näherten sich zwei Fußgänger, die wohl auf dem Gehweg gewartet hatten, schossen und fuhren mit dem Wagen weg, der die Kreuzung blockierte.

      Marke? Farbe? Niemand weiß es. Wie die beiden Fußgänger ausgesehen haben? Durchschnittliche Größe, Regenmäntel, Hosen, ansonsten … Der Gerichtsmediziner trifft ein. Er hilft zwei Inspektoren bei der Durchsuchung der Leichen, wobei er es möglichst vermeidet, sich mit Blut zu besudeln. In der Gesäßtasche des Fahrers sein Führerschein.

      Ein Inspektor verkündet mit lauter Stimme: »Marcel Ceccaldi.«

      »Ceccaldi!« Courbet stößt einen langen Seufzer der Erleichterung aus. »Den sind wir also los …« An Daquin gewandt: »Ein Mann von Francis le Belge, wir hatten ihn ein Dutzend Mal bei uns. Es handelt sich demnach um eine Abrechnung innerhalb des Milieus. Ich warte auf den stellvertretenden Staatsanwalt, aber damit ist die Sache erledigt. Der Fall wird Richter Bonnefoy übertragen, der uns mit der Ermittlung betraut. Die Täter werden wir nicht finden, es dürften italienische Auftragsmörder sein, die längst wieder zu Hause sind. Und niemand wird sich darum scheren.«

      »Und der Junge?«

      »Unbekannt, fürs Erste. Wahrscheinlich ein Kollateralopfer. Soll ich Sie zurückbringen lassen?«

      »Nicht sofort. Ich würde mich gern in der Gegend umsehen. Ich fahre dann mit Ihnen zurück zum Évêché.«

      »Wie Sie wollen.«

      Daquin geht einmal um die Kreuzung herum. Die Ecke ist verwaist, keine Läden, keine Bars. Erst hundert Meter weiter oben auf dem Boulevard Burel sichtet er den Parkplatz eines Gebäudes, ein paar Wagen, die vor einem Sozialwohnungsblock parken, und auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig eine Telefonzelle. Auf der Fährte des roten Simcas läuft er den Boulevard Burel etwas mehr als einen Kilometer hoch. Er kommt an einer einzigen Bar vorbei, etwa achthundert Meter von der Kreuzung entfernt. Als er eine weitere Telefonzelle erreicht, dreht er um und kehrt zurück zu seinen Kollegen am Ort des Massakers.

      Als Daquin

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