Schwarzes Gold. Dominique Manotti

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Schwarzes Gold - Dominique  Manotti

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mit Firmensitz in New York. Nein, zurzeit ist er weder in Cap noch in Mailand, sondern auf Geschäftsreise durch südafrikanische Minen. Ja, man kann ihn bestimmt erreichen, aber das ist nicht einfach, sie weiß nicht, wo er sich gerade aufhält, und nicht überall gibt es Telefon. Man muss es über das Büro der Südafrikanischen Minengesellschaft in Johannesburg versuchen, dort weiß man immer, wo man ihn über Funk kontaktieren kann. Ja, sie kennt den Mann, der an ihrer Seite erschossen wurde, er heißt Maxime Pieri. Er hat mit ihrem Ehemann regelmäßig geschäftlich zu tun. Sie hat ihn übrigens in dessen Büro in Mailand kennengelernt. Sie glaubt, er arbeitet und wohnt in Marseille, aber sicher ist sie sich nicht. Er ist eher ein Bekannter als ein Freund. Gestern hat sie ihn zufällig in einer Kunstgalerie in Villefranche getroffen, die sie regelmäßig besucht. Und er hat sie zum Abendessen in den Palais de la Méditerranée eingeladen. Ja, es war das erste Mal, dass er sie zum Essen eingeladen hat. Es war ein sehr netter Abend. Sie haben sich lange unterhalten, hauptsächlich über zeitgenössische Kunst. Pieri wirkte interessiert, er hat viele Fragen gestellt. Nein, er war weder angespannt noch besorgt. Sie haben getanzt, ein paar ruhige Tänze, und im Casino ein bisschen gespielt. Er war im Begriff, sie nach Hause zu fahren, zu ihrer Villa, bevor er nach Marseille zurückfuhr oder in Nizza übernachtete, sie weiß es nicht, sie haben darüber nicht gesprochen. Als sie die Erschießung schildert, überkommt sie ein nervöses Zittern.

      »Ich habe den Mann gesehen. Groß, mit einem Helm auf dem Kopf. Er stand neben einem Motorrad. Das Visier war hochgeschoben. Aber er war weit weg, weit entfernt von den Lichtern, kein Gesicht unter dem Helm, nur ein schwarzes Loch. Das Antlitz des Todes. Er hat geschossen. Ich konnte nicht weglaufen, ich konnte nicht schreien, ich war gelähmt. Ich begriff gar nicht, was passierte. Ich spürte das heiße Blut auf meinen Augen, in meinem Mund, den Geschmack des Blutes. Entsetzlich. Als er aufgehörte zu schießen, bin ich, glaube ich, ohnmächtig geworden. In mich zusammengesackt wie ein alter Lumpenhaufen.«

      Sie weint. Die Ärzte raten, sie jetzt schlafen zu lassen.

      Am Tatort nehmen Polizisten Zeugenaussagen auf. Zuerst der Page. Er wiederholt vor den mit Stoppuhren ausgerüsteten Polizisten all seine Aktionen vor und während des Attentats. Pieri gab ihm seine Wagenschlüssel. Nein, dabei wirkte er weder beunruhigt noch sonderlich in Eile, und er selbst hat kein Motorrad in der Nähe bemerkt. Mit den Schlüsseln in der Hand ist er Richtung Parkplatz gegangen. Erste Zeitnahme. Der Page wiederholt den Weg, biegt um die Hausecke, bleibt genau an der Stelle stehen, wo er sich befand, als er die ersten Schüsse hörte. Zweite Zeitnahme. Von dort, wo er war, in der Seitenstraße, hatte er den Casinoeingang nicht im Blick. Er blieb überrascht stehen, konnte die Geräusche, die er vernahm, nicht gleich einordnen, horchte. Dann hörte er die zweite Salve. Er rannte los, zurück zum Casinoeingang. Er erinnert sich nicht, weitere Schüsse gehört zu haben. Er erreichte die Avenue genau in dem Moment, als das Motorrad losfuhr. Zeitnahme. Eine schwere Maschine, dunkle Farbe, Fahrer und Sozius, beide in Schwarz, hat er nur von hinten gesehen, mehr kann er nicht sagen, er war in Panik. Er rannte weiter und entdeckte die zwei niedergestreckten Körper am Boden, er erinnert sich an die Blutlachen auf dem weißen Stein. Knapp fünfzehn Sekunden für die eigentliche Aktionsphase. Die Anfahrtsphase hinzugerechnet, folgern die Polizisten, hat die Operation insgesamt nicht länger als dreißig Sekunden gedauert. Sie sehen einander an. Profis, echte Profis. Das wird kein leichter Fall.

      Die Angestellten des Casinos sowie die wenigen verbliebenen Gäste oder Spieler werden einzeln befragt. Sie erzählen von zwei großen Männern, schwarz gekleidet, mit Helmen, einem schweren Motorrad. Der Portier, der sich zum Zeitpunkt des Mordes in der Halle aufhielt, meint das Motorengeräusch einer Ducati erkannt zu haben. Mehr ist nicht zu holen. Im Grunde genommen hat niemand etwas gesehen, und alle haben das Ende der Schüsse abgewartet, ehe sie sich nach draußen wagten. Was verständlich ist. Eine regelrechte Exekution, ausgeführt von waschechten Profis. Italiener vielleicht. Ich wette auf einen ungelösten Fall, sagt einer der Polizisten. Einer mehr, seufzt der Brigadier. Das hat uns gerade noch gefehlt.

      Coulon, der Staatsanwalt von Nizza, der vom Bereitschaftsstaatsanwalt im Bewusstsein der komplexen Situation sehr früh an diesem Morgen geweckt wurde, läuft auf der Promenade des Anglais vor dem Palais de la Méditerranée auf und ab. Inspecteur Principal Leccia geht neben und leicht hinter ihm. Die Leiche hat man abtransportiert, die Kriminaltechniker haben ihre Arbeit abgeschlossen. Sie haben zehn Patronenhülsen aufgelesen, sorgfältig nummeriert, fotografiert und in Beweismitteltütchen gesteckt, großes Kaliber, 11.43, keine weiteren Spuren. Sie sind nicht optimistisch. Nach ihrem Aufbruch ist wieder Ruhe eingekehrt.

      Coulon für seinen Teil ist äußerst angespannt, seit er die Identität des Opfers erfahren hat.

      »Musste der Kerl sich unbedingt bei uns in Nizza abknallen lassen? Als hätten wir im Moment nicht schon genug Sorgen. Können Sie mir das sagen, Leccia?«

      Keine Antwort.

      »Dieser Pieri ist nicht irgendwer, das ist eine wichtige Persönlichkeit.«

      »Zweifellos, Herr Staatsanwalt.«

      »Ein in Marseille prominenter Geschäftsmann. Er hat ein bedeutendes Seefrachtunternehmen, die Somar. In diesen Zeiten rückläufiger Hafengeschäfte und der schwierigen wirtschaftlichen Umstrukturierung der Stadt ist das keine Kleinigkeit. Madame Frickx zufolge hat er sogar mit ihrem Ehemann zu tun, der das europäische Büro einer großen amerikanischen Handelsfirma für Erze leitet. Es liegt in unserer Verantwortung, die schwächelnde Marseiller Ökonomie vor weiterem Schaden zu bewahren.«

      »Ich glaube nicht, dass wir unter den Geschäftsleuten suchen müssen, Herr Staatsanwalt. Es ist vielleicht déformation professionnelle, aber ich denke eher an seine Vergangenheit als Kapitän der Guérinis, zu Zeiten, als der Clan die Stadt Marseille und den Heroinhandel beherrschte.«

      »Ja, das weiß ich wohl, und ich fürchte nichts mehr als diese Verquickungen. Alle Welt wird sich einmischen wollen. Die Honoratioren, die Abgeordneten, das Ministerium. Ich hasse diese Fälle. Dabei muss man nichts als Prügel einstecken.«

      »Nicht zu vergessen, dass es die Polizei von Nizza, die derzeit ohnehin überlastet ist, noch mehr strapazieren könnte. Ohne darauf herumreiten zu wollen, Herr Staatsanwalt, darf ich Sie erinnern: zwölf Brandstiftungen und Schießereien in Bars und Nachtclubs in einem Jahr, dreizehn bewaffnete Raubüberfälle in einem Monat vergangenen Sommer, der Chef unserer Sécurité publique, der, bevor man ihn feuert, zugibt, dass es in all diesen Fällen nicht auch nur den Ansatz einer Fährte gibt, der fortgesetzte Krieg zwischen dem Clan der Korsen und dem der Pieds-Noirs, ein Commissaire der Sitte, der sich gemeinsam mit seinem Marseiller Kollegen in einer Nutten-Affäre die Finger schmutzig macht, und ein neuer Boss aus dem Norden, den uns das Ministerium vor die Nase setzt. Ich tue, was ich kann, um die Wogen zu glätten, aber es hagelt von überall Kritik, unsere Männer stehen kurz vor dem Aufstand, das muss man berücksichtigen und nicht das Unmögliche von ihnen verlangen.«

      »Mir ist das genauso bewusst wie Ihnen, Leccia. Was schlagen Sie vor?«

      »Wir müssen bedachtsam vorgehen, uns die Zeit nehmen, den Fall aus allen Blickwinkeln zu betrachten.«

      »Reden Sie nicht um den heißen Brei herum, Leccia, nicht bei mir.«

      »Mir sind zwei höchst eigentümliche Aspekte dieser Exekution aufgefallen. Erstens, der Schütze ist ausgezeichnet. Alle seine Kugeln landen im Ziel. Die junge Frau bleibt unverletzt, und es gibt nicht mal eine kaputte Scheibe. Warum verspürt er den Drang, zehnmal zu schießen?«

      »Keine Ahnung. Was meinen Sie?«

      »Ich denke, es handelt sich um eine ausgeklügelte Inszenierung. Die Wahl des Opfers, das Motorrad, die Anzahl der Schüsse aus einer Handfeuerwaffe, das große Kaliber, man spielt hier die Szene des Mordes an Antoine Guérini nach, der in Marseille vor fünf oder

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