Schwarzes Gold. Dominique Manotti
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»Dem Chef zufolge wissen Sie etwas mehr darüber, als Sie uns sagen.«
Grimbert zögert, entschließt sich dann. »Pieri gehört zu der Generation Korsen, die bei Kriegsende und in der Nachkriegszeit enge Beziehungen zur Politik geknüpft haben. Er stand in dem Ruf, Geschäfte an der Grenze der Legalität zu machen …«
»Auf welcher Seite der Grenze? Diesseits oder jenseits?«
»Jenseits natürlich, das ist doch der Sinn der Redewendung, und zwar mit etlichen Mitgliedern der feinen Marseiller Gesellschaft. Aber das sind bloß Gerüchte, ich habe keinerlei konkreten Beweis.«
»Das könnte ein guter Grund dafür sein, erschossen zu werden.«
»Ja, sicher.«
»Ist es denkbar, dass eine Abrechnung im Milieu inszeniert wurde, um eine gründliche Ermittlung zu verhindern?«
»Das wäre amüsant. Und schlau, mitten im Krieg von Zampa gegen Le Belge. Man könnte glatt auf die Idee kommen, die zehn Kugeln, die man auf Pieri abgegeben hat, wären eine Art Anspielung auf die zehn Kugeln, mit denen Antoine Guérini erschossen wurde. Einfach um sicherzugehen, dass wir die Parallele ziehen.«
»Wie sind unsere Beziehungen zu den Kollegen in Nizza?«
»Kompliziert. Nizza und Marseille sind zwei unterschiedliche Städte. Nicht die gleiche Bevölkerung, nicht die gleichen Politiker. Nicht die gleichen Banditen und nicht die gleichen Bullen. Da wir nicht sehr regelmäßig zusammenarbeiten, sind die Beziehungen ansonsten nicht katastrophal. Ich würde sagen, auf der Mitte zwischen nicht berühmt und passabel. Eher besser als zwischen den verschiedenen Diensten hier im Évêché.«
»Ich rekapituliere. Ein Mord, vielleicht eine Abrechnung im Milieu, vielleicht nicht. Wir werden im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens eingesetzt. Ein beschleunigtes Verfahren dauert fünfzehn Tage. Während dieser Zeit haben wir echte Ermittlungsbefugnisse, wir entziehen uns dem Einfluss von Richter Bonnefoy, der aus dem Spiel ist, und unterstehen allein der Aufsicht des fernen Staatsanwalts Coulon, der in Nizza sitzt. Wir können den Fall auf Sparflamme kochen, niemand wird uns das verübeln, oder die Gelegenheit beim Schopf packen und fünfzehn Tage wie die Verrückten arbeiten. Spielen wir das Spiel oder spielen wir es nicht? Grimbert?«
»Wir spielen es.«
»Delmas?«
»Ebenso.«
Adrenalinstoß, Hitzewallung. Gefühl, die Geburt eines Teams zu erleben, wie manchmal beim Rugby inmitten von Gefahr und Zusammenstößen.
»An die Arbeit, keine Zeit zu verlieren. Ich fahre rüber nach Nizza und besuche Bonino in der Dienststelle des SRPJ und Staatsanwalt Coulon. Soll ich einen Durchsuchungsbeschluss für Pieris Firma beantragen?«
»Versuchen können Sie es, aber es würde mich wundern …«
»Wir werden sehen. Sie hier besorgen uns die Polizeiakten über Pieri, Sie treiben Bullen auf, die ihn gekannt haben und uns etwas über ihn erzählen können, Sie machen seine Familie ausfindig und Sie sammeln das Maximum an Informationen über seine Firma. Sie dürfen Ihrer Phantasie freien Lauf lassen, aber achten Sie darauf, dass Sie im abgesteckten Rahmen bleiben, solange die Maschinerie nicht angelaufen ist. Wir werden denen, die uns den Fall gern entziehen wollen, wer immer das sein mag, keinen Vorwand liefern. Morgen früh sehen wir uns hier wieder.«
Delmas und Grimbert treffen sich im Bar-Tabac auf dem großen Platz vor dem Eingang des Évêché. Für die Beamten der Kriminalpolizei ist es wie eine Nebenstelle. Ein gewöhnliches Bistro, aber mit einer großen Terrasse, die freien Blick auf das Zentralkommissariat bietet. So fühlt man sich nicht fremd. Bullen an allen Tischen.
Grimbert zieht Delmas zu einem sonnigen Tisch auf der Terrasse. »Hier muss man sich vorsehen, überall lungern Journalisten rum in der Hoffnung auf irgendwelche Tipps. Einen habe ich an der Bar gesehen, bestimmt ist er hier, um nach Informationen über Pieri zu fischen, ich bin nicht scharf darauf, mit ihm zu reden.«
Grimbert schlägt Delmas vor, die Arbeit aufzuteilen.
»Du übernimmst das Archiv im Évêché, du suchst alle Akten raus, die Pieri betreffen, wenn möglich, machst du seine Familie ausfindig und erstellst zu morgen eine Zusammenfassung. Ich für meinen Teil gehe zur Handelskammer und zum Finanzamt, mal sehen, was ich zusammenklauben kann. Morgen früh ziehen wir mit dem Commissaire Bilanz.«
Die Handelskammer hat ihren Sitz in einem Gebäude mit monumentaler Fassade, kitschig und überladen, eine Glanzleistung der Kommunikationspolitik des Marseiller Unternehmertums Ende des 19. Jahrhunderts: Es war geboten, auf reich zu machen, das ist gelungen. Die Verantwortlichen der Kammer weigern sich einhellig, Inspecteur Grimbert zu empfangen. Zu viel zu tun, keine Zeit zu vergeuden, nichts zu sagen. Und sie schicken ihn zu ihren Sekretärinnen, die seit den frühen Morgenstunden ihren Text auswendig gelernt zu haben scheinen: Pieri, ein dynamischer Unternehmer, sehr präsent bei allen Sitzungen. Sicher, er gehört nicht zur selben Welt wie die großen Familien der Ölmühlen und Seifenfabriken, die sich nicht dazu herablassen würden, ihn bei sich zu empfangen, ihn aus der Ferne aber schätzen. Ihnen ist nie auch nur das Geringste von einem ernsthaften Konflikt zu Ohren gekommen. Dieser Mord hat mit dem Marseiller Wirtschaftsleben nichts zu tun.
»Ein von zehn Kugeln durchlöcherter Körper, ein Großkaliber Sorte Bazooka, die Präzision eines Eliteschützen – Ihnen zufolge war das sicher eine eifersüchtige Ehefrau, die im Affekt getötet hat, ein Verbrechen aus Leidenschaft«, sagt Grimbert mit ernster Miene.
»Und warum nicht?«, antworten die Frauen lachend.
Verärgert über diese lässige Art, mit ihm umzuspringen, hat Grimbert einen Geistesblitz. »Wo ist das Dokumentationsarchiv der Kammer, ich will die Akte über die Somar einsehen.«
Unerwartetes Ansinnen, die Sekretärinnen beraten sich.
»Das Archiv ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, es ist Mitgliedern vorbehalten.«
»Ich bin nicht ›die Öffentlichkeit‹, ich bin Inspecteur der Marseiller Kriminalpolizei, und ich ermittle im Mord an einem Ihrer Mitglieder. Sagen Sie mir unverzüglich, wo sich das Archiv befindet.«
Das Archiv liegt unter dem Dach. Während er durch die engen, fensterlosen Gänge läuft, zweifelt Grimbert ernstlich am Nutzen seiner Unternehmung. Aber jetzt, wo er danach gefragt hat …
Die Dokumentarin steuert ihn schnell an die richtige Stelle. »Maxime Pieri, natürlich weiß ich von seiner Ermordung, ich habe Radio gehört. Ich bin ihm mehrmals begegnet, ein sehr höflicher Mann. Ich kann Ihnen seinen Nachruf geben.«
»Jetzt schon ein Nachruf? Er ist erst heute Morgen gestorben …«
»Wir haben zu allen wichtigen Marseiller Unternehmern Nachrufunterlagen, die wir ständig aktualisieren. Presseausschnitte und ein paar getippte Notizen. Um bei Bedarf Stoff für die Presseerklärungen und die Grabreden zu haben.«
»Reizend. Und die von Pieri hat noch niemand angefordert?«
»Nein.« Sie lacht. »Man wird sich um die Predigt nicht reißen.